HRE-HV Aktionäre ätzen gegen den Staat
München - Diesmal haben die Manager der Hypo Real Estate vorgesorgt. Bei der letzten Hauptversammlung im Juni hatten sich wütende Aktionäre nicht an die Redezeiten gehalten und die Glühlampe, die bei Zeitüberschreitung warnend rot blinkt, einfach aus der Fassung am Pult herausgedreht. Diesmal leuchtet die Lampe sicher hinter fest verankertem, milchigem Plexiglas. Und Wasser gibt's - wie im Fußballstadion - nur aus Plastikbechern. Die eignen sich nicht als Wurfgeschosse.
Doch die Maßnahmen erweisen sich als übertrieben. Denn längst ist die Stimmung nicht mehr derart explosiv wie noch vor zwei Monaten, als ein Aktionär dem HRE-Vorstandschef Axel Wieandt entgegenschleuderte, er könnte "für den ein oder anderen Satz erschlagen werden". Damals wurde dem staatlichen Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) nach einer Zwölf-Stunden-Marathonsitzung erlaubt, seinen Anteil an der HRE auf 90 Prozent zu erhöhen.
Damit kann der Bund nun einen sogenannten Squeeze-out durchziehen. Das heißt: Die letzten Aktionäre werden aus der HRE hinausgedrängt, für ihre Papiere erhalten sie eine Abfindung. Im Herbst soll es so weit sein. Dies sei "Diebstahl" und "Einteignung à la DDR", empören sich die Anteilseigner an diesem Mittwoch - wenn auch weniger lautstark als im Juni.
Wieandt dagegen betont, dass die komplette Verstaatlichung alternativlos sei. Die HRE werde "auf absehbare Zeit von der Verfügbarkeit entsprechender Liquiditätshilfen abhängig sein", sagt er. Die weitere Unterstützung könne "realistischerweise nur vom Bund kommen". Und dessen Bedingung sei eben die Komplettübernahme. Wieandt rechnet mit weiteren Verlusten: "Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass wir vor 2012 wieder in die Gewinnzone zurückkehren können." Den exakten Kapitalbedarf bezifferte er nicht, der hänge von verschiedenen Faktoren ab wie der Eigenkapitalquote, den Vorgaben der EU, der Zukunft des Immobiliengeschäfts sowie dem Abbau des eigenen Portfolios mit riskanten Krediten und Wertpapieren.
Wieandts pessimistische Prognosen - manche Aktionäre nehmen sie ihm nicht ab. Schon vergessen scheint, dass die HRE nur deshalb noch existieren kann, weil die Bundesregierung und ein Bankenkonsortium den Baufinanzierer mit bisher rund hundert Milliarden Euro stützen. "Die reden die HRE schlecht, um einen billigen Squeeze-out zu bekommen", mutmaßt ein Aktionär. Er dagegen habe noch an diesem Morgen 10.000 zusätzliche HRE-Aktien gekauft: "Das ist ein Super-Investment."
Die Restaktionäre wollen ihre Anteile behalten, wollen an einem möglichen Aufschwung in der Zukunft teilhaben. Man wolle das "Gesundschrumpfen" der Bank miterleben, sagt Ulrike Struzek. Vor einigen Jahren hat sie für ihre Tochter HRE-Aktien im Wert von 160.000 Euro gekauft. Deren Wert liegt jetzt bei nicht mehr als 10.000 Euro. Für Kleinaktionäre wie Struzek ist der Staat alles andere als der Retter: "Wo sitzen denn hier die Soffin-Leute? Heben Sie mal die Hände", ruft sie. "Das ist die Kavallerie!", entgegnet ihr einer aus dem Saal. Großes Gelächter. Es ist eine Anspielung auf Finanzminister Peer Steinbrück und seine Drohung gegen Steueroasen. Der SPD-Minister ist hier der Buhmann, "der Hauptdrahtzieher", wie ein Kleinaktionär und Handwerker im Ruhestand zetert.
"Da haben wir doch Spaß"
HRE-Boss Wieandt bleibt ruhig - und monoton in seinen Antworten. Erst im Oktober 2008 als Retter in der Not zur HRE gekommen, hat er sich das Debakel nicht vorzuwerfen. Allerdings hat auch der Mann mit der Hornbrille und dem Seitenscheitel jüngst ein Fettnäpfchen nicht ausgelassen. Im Frühjahr kassierte Wieandt eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 500.000 Euro.
"Es hätte Ihnen gut zu Gesicht gestanden, darauf zu verzichten", sagt ein Aktionär. Wieandt reagiert nicht. Es ist HRE-Aufsichtsratschef Michael Endres, der ihn verteidigt: Wieandt habe "in ganz erheblichem Maße" auf Einkommen und Pensionszahlungen verzichtet. Tatsächlich wurde sein Gehalt im Zuge der Verstaatlichung auf eine halbe Million Euro pro Jahr gekürzt. Im Gegenzug hat man ihm den Bonus gewährt.
Eine Rebellion findet in Saal 14 der Münchner Messe nicht mehr statt, die Wut verraucht. Resignation und Sarkasmus sind an ihre Stelle getreten. Fürs Theater müsse man viel mehr Eintritt zahlen, als wenn man sich ein paar HRE-Aktien zulege, sagt einer: "Und da haben wir hier doch viel mehr Spaß." Auf dem Höhepunkt der Versammlung sind rund 1700 Anleger anwesend, nach dem Mittagessen lichten sich die Reihen merklich. Kein Vergleich zum Showdown im Juni.
Das letzte Gefecht ist geschlagen, gegen den 90-Prozent-Anteil des Bundes können die Kleinanleger nichts ausrichten. Da interessiert eher noch die Aufarbeitung der Vergangenheit. So will der Aufsichtsrat einen Sonderprüfer berufen, der das Vorgehen des alten HRE-Vorstands untersuchen soll. In dessen Amtszeit geriet die HRE in Schieflage. Insbesondere die Übernahme des irischen Staatsfinanzierers Depfa im Jahr 2007 soll beleuchtet werden.
Zum Abschluss wurde zudem ein neuer Aufsichtsrat bestimmt, der künftig nur noch aus sechs statt bislang zwölf Mitgliedern besteht. Alle bisherigen Aufsichtsräte, die ihre Posten im Herbst 2008 übernommen hatten, gehen. Die neuen Mitglieder sind Bernd Thiemann, Ex-Chef der DG Bank, die frühere Präsidentin des Bundesrechnungshofs, Hedda von Wedel, die frühere Deutschlandchefin von Morgan Stanley, Dagmar Kollmann, Albert Peters aus dem Bundesfinanzministerium, KfW-Vorstand Günther Bräunig sowie Alexander Groß, Ministerialdirektor aus dem Bundeswirtschaftsministerium.
Den Squeeze-out muss wiederum eine Hauptversammlung genehmigen, voraussichtlich im Oktober. Es wird dann das dritte Treffen dieser Art innerhalb eines Jahres sein. "Die HRE ist ein spannendes Unternehmen", sagt Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns einmal, zweimal, ja dreimal in dieser Runde treffen." Kurze Pause, Blick ins Publikum. "Und dann wahrscheinlich niemals wieder."