BMW Reithofers Griff in die Wundertüte
München - Ist die Gegenwart nicht allzu rosig, spendet der Blick in eine vermeintlich goldene Zukunft Trost. Der Autobauer BMW jedenfalls, wie der Rest der Branche geplagt von Absatzsorgen, Kurzarbeit und Produktionskürzungen, beherzigte dieses einfache Prinzip und griff am Dienstag in die Wundertüte. BMW-Chef Norbert Reithofer gab weitere Details des mit viel Aufwand gehüteten "Project i" preis.
Was sich nach Agentenfilm, Superwaffe und Weltformel anhört, ist zunächst nur die Chiffre für eine neue Generation von sauberen Stadtfahrzeugen, die BMW bis Mitte des nächsten Jahrzehnts auf den Markt werfen will.
"Megacity-Vehicle" nennt BMW diese neuen Gefährte. Was man sich darunter konkret vorzustellen hat, ist bislang noch reichlich unklar. "Es wird überraschende Lösungen geben", kündigte Reithofer im Mai auf der Hauptversammlung an.
Nur soviel ist bekannt: Es soll eine ganze Modellfamilie werden, bestückt sowohl mit Elektro- als auch mit sparsamen Verbrennungsmotoren. Vom Roller übers Dreirad bis hin zum konventionellen Auto ist nichts ausgeschlossen. "Dieses Fahrzeug soll den Auftakt für die ganze Familie extrem emissionsarmer Fahrzeuge bilden. Stellen Sie sich sowohl Ein- als auch Zweispurfahrzeuge vor."
Zahlreiche Skizzen und Modellzeichnungen geistern bereits durchs Internet. Manche Autofans glauben bereits an eine Auferstehung der legendären Isetta, andere an eine Neuauflage des überdachten Rollers C1, möglicherweise als Dreiradkonzept mit Neigetechnik. BMW bestätigt nichts davon, hütet sich aber auch, irgendeines der Gerüchte zu dementieren. Scheibchenweise Informationen erhalten schließlich die Spannung.
Es bleibt bei drei Marken
Am Dienstag war dann die Zeit für den nächsten Happen. Das erste Modell werde vier Räder haben, enthüllte Reithofer bei einer Telefonkonferenz anlässlich der Quartalszahlen. Eine eigentlich eher unspektakuläre Ankündigung, doch dank der von BMW aufgebauten Spannung erschien sie wichtig. Klarheit brachte Reithofer auch bei Antrieb und Markenfrage: Es ist ein reines Elektrofahrzeug, geschmückt mit dem BMW-Emblem. "Ich möchte damit ausschließen, dass wir eine vierte Marke aufmachen", sagte er.
Damit bleibt es bei den Münchnern bei den drei hauseigenen Marken BMW, Mini und Rolls-Royce. Die neuen Fahrzeuge sollten nur eine Untermarke werden - wie beispielsweise der hauseigene Veredler BMW M. Weitere Einzelheiten solle es im Laufe des Jahres geben.
Bei Elektroantrieben drückt BMW ohnehin aufs Tempo. In New York, Los Angeles, Berlin und München kurven bereits Strom-Minis durch die Straßen. Mit den Feldversuchen will man Erkenntnisse über die Lebensdauer des Akkus, über Ladezeiten, Stromverbrauch, Reaktion auf Hitze, Kälte und vieles mehr sammeln. Die sollen dann in das neue Megacity-Auto einfließen. Der Lieferant für die Batterien steht mittlerweile auch fest. Sie sollen von der Firma SB LiMotive kommen, einem Gemeinschaftsunternehmen von Bosch und Samsung.
BMW muss bei Elektrofahrzeugen allerdings auch gezwungenermaßen Gas geben. Die Vereinigten Staaten sind für die Münchner der größte Absatzmarkt und jeder größere Anbieter muss dort in den nächsten Jahren ein "Zero Emssion Vehicle", also ein Fahrzeug ohne Schadstoffausstoß, anbieten.
So hochfliegend die Pläne für die fernere Zukunft sind, so skeptisch bleibt BMW bei seinen Aussichten für die nächsten Monate - trotz einer Rückkehr in die Gewinnzone und ersten Hoffnungsschimmern in der krisengeschüttelten Autobranche. Nur wenn sich der Markt erhole, habe der Konzern im Gesamtjahr die Chance auf einen Gewinn, sagte Finanzchef Friedrich Eichiner am Dienstag in München. "Etwaige Rückschläge schließen wir nicht aus. Die Frage ist: Ist die Krise schon überstanden oder gibt es eine zweite Welle?" Darin seien sich auch Experten nicht einig, sagte Reithofer.
Kritik an Reithofers Informationspolitik
Eine konkrete Prognose gab er auch diesmal nicht ab. "Wir bleiben vorsichtig." Eine umfassende und dauerhafte Erholung sei nicht in Sicht, auch wenn sich der Absatzrückgang zuletzt verlangsamt habe.
Vom Finanzmarkt gab es Kritik für die vagen Worte. "Wir sind immerhin im August, da sollte man langsam absehen können, wie der Rest des Jahres verlaufen wird", bemängelte ein Händler. Die Aktien des Konzerns gehörten zum Handelsschluss mit einem Minus von 1,7 Prozent zu den Verlierern im Dax.
Der Autobauer fuhr im zweiten Quartal einen Nettogewinn von 121 Millionen Euro ein. Das sind zwar 76 Prozent weniger als vor einem Jahr, Analysten hatten allerdings mit einem Verlust gerechnet. Die Kernsparte Automobile schrieb indes rote Zahlen, vor Zinsen und Steuern lag der Fehlbetrag bei 31 Millionen Euro.
Mit Blick auf dass Gesamtjahr sagte Eichiner, der Konzern wolle nicht hinter das Erreichte zurückfallen. "Natürlich werden wir freiwillig keinen Verlust machen." Wann BMW nach dem Krisenjahr 2009 wieder das Absatzniveau von 2008 erreichen werde, wollte Reithofer nicht sagen. Fest stehe lediglich, dass 2009 die Zahl der verkauften Autos unter den 1,4 Millionen des Vorjahres liegen werde. In der zweiten Jahreshälfte seien aber mehr Auslieferungen als im ersten Halbjahr zu erwarten. Von Januar bis Ende Juni übergab BMW 615.454 Autos an Kunden.
Schub erhofft sich der Konzern von neuen Modellen wie dem kleinen Geländewagen X1 und der Reiselimousine 5er Gran Turismo im Herbst. Ab 2010 tauscht BMW dann seine verkaufsstärksten Modelle 5er, 1er und 3er aus. Reithofer sagte, der Konzern setze weiter auf Wachstum, dies müsse aber profitabel sein. In den USA seien die Rabatte deshalb deutlich reduziert worden.
Im wichtigsten Automarkt der Welt verkaufte BMW zuletzt den Großteil seiner Fahrzeuge; in diesem Jahr wird der Absatz aber erstmals seit sieben Jahren in Deutschland wieder höher liegen. Als Premiumautobauer werde BMW weniger unter dem Auslaufen der Abwrackprämie leiden als Massenhersteller. Der Konzern hatte im ersten Halbjahr in Deutschland knapp 20.000 neue und gebrauchte Fahrzeuge dank der staatlichen Prämie verkauft.
Von April bis Ende Juni erzielte BMW einen Umsatz von knapp 13 Milliarden Euro, das sind elf Prozent weniger als vor Jahresfrist. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) brach um 60 Prozent auf 169 Millionen Euro ein. Konkurrent Daimler hatte zuletzt den dritten Quartalsverlust in Folge ausgewiesen. Audi glänzte mit einem Gewinn.
Um weiter Kosten zu sparen, will BMW bestehende Kooperationen ausweiten. Mit Daimler werde über den Einkauf hinaus weiter verhandelt, sagte Reithofer. Mit dem französischen Hersteller Peugeot Citroen könne man über die Zusammenarbeit bei Motoren hinausgehen. Details nannte der BMW-Chef nicht.
manager-magazin.de mit Material von dpa-afx, ddp und reuters