Europawahl Debakel für die SPD

Knapp vier Monate vor der Bundestagswahl stehen die Zeichen auf Schwarz-Gelb. Trotz hoher Verluste ging die Union aus der Europawahl als Sieger hervor. Die Sozialdemokraten stagnierten überraschend auf ihrem historischen Tief von vor fünf Jahren.

Berlin - Drittstärkste Kraft nach CDU und SPD wurden bei der Europawahl die Grünen vor den Liberalen und der Linkspartei. Die FDP konnte klar zulegen und erzielte erstmals ein zweistelliges Ergebnis. Während die Freien Wähler den bundesweiten Sprung über die 5-Prozent-Hürde nicht schafften, gelang dies der CSU problemlos, obwohl die Partei nur in Bayern angetreten war.

Wenn am Sonntag Bundestagswahl gewesen wäre, hätte das bürgerliche Lager die angestrebte schwarz-gelbe Mehrheit errungen: Nach einer ARD-Hochrechnung erhielt die Union bei der EU-Wahl insgesamt 38,4 Prozent (ZDF: 38,2 Prozent), dabei entfielen auf die CSU 7,4 Prozent.

2004 hatte die Union 44,5 Prozent der Stimmen erreicht. Die SPD unterbot mit 21,2 Prozent (ZDF: 21,4 Prozent) noch ihren Tiefstand vor fünf Jahren von damals 21, 5 Prozent. Die Grünen erhielten 11,5 Prozent der Stimmen (ZDF 12,2 Prozent), die FDP 10,8 Prozent (ZDF: 10,6 Prozent). 2004 hatten die Liberalen bei 6,1 Prozent gelegen. Für die Linkspartei votierten 7,5 Prozent (ZDF 7,1 Prozent).

Spitzenpolitiker der Union äußerten sich hoch zufrieden. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach von einem strategischen Signal für die Bundestagswahl im September: "Es gibt eine klare bürgerliche Mehrheit von Union und FDP in Deutschland". Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte, das Ergebnis unterstreiche den Anspruch der Union, den nächsten deutschen EU-Kommissar zu stellen.

CSU-Chef Horst Seehofer sagte: "Wir haben das Vertrauen in unserer bayerischen Bevölkerung zurückgewonnen durch eine große Geschlossenheit der Partei." Die CSU sei "wieder da", hob der bayerische Ministerpräsident hervor.

Kanzlerkandidat Steinmeier enttäuscht

SPD-Chef Franz Müntefering nannte das Ergebnis "enttäuschend" und "deutlich schlechter als erhofft". Die Einbrüche der Union seien nicht seiner Partei zugute gekommen. Die SPD werde aber weiter für einen Erfolg bei der Bundestagswahl kämpfen. Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zeigte sich enttäuscht. Es sei offensichtlich nicht gelungen, "unsere Wähler wirklich an die Urnen zu bringen". Rückschlüsse auf die Bundestagswahl wies er allerdings zurück.

Grünen-Chefin Claudia Roth sah die Politik ihrer Partei durch das "sehr, sehr gute" Ergebnis der Europawahl bestätigt. Ihre Partei habe in der Wirtschaftskrise die Themen Wirtschaft und Klima miteinander verbunden. Das Ergebnis gebe den Grünen "Rückenwind".

Auch die Liberalen zeigten sich hoch zufrieden. "Keine Partei hat so zugelegt wie wir", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle in der Berliner Parteizentrale. Westerwelle drückte seine Begeisterung mit den Worten aus: "Freude, schöner Götterfunke!"

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi blickte optimistisch auf die Bundestagswahl im Herbst. Die Linkspartei werde dann noch besser abschneiden und 10 Prozent plus X erreichen. Das Ergebnis der SPD bezeichnete Gysi als "desaströs". Die "Entsozialdemokratisierung" habe den Sozialdemokraten nichts genützt.

Erneut zeichnete sich bei den Wahlen zum Europäischen Parlament eine historisch niedrige Beteiligung ab. Laut ARD gaben nur 42,5 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab. Vor fünf Jahren hatte die Wahlbeteiligung bei 43 Prozent gelegen. Dies war damals schon die niedrigste, die jemals bei einer bundesweiten Wahl ermittelt wurde.

Die Europawahl fand in allen 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union statt. Für die neue Legislaturperiode wurden 736 Abgeordnete gewählt, Deutschland entsendet 99 Parlamentarier. Insgesamt konnten 375 Millionen wahlberechtigte Bürger in ganz Europa ihre Stimme für ein neues Europäisches Parlament abgeben.

Nikolaus Sedelmeier, ddp

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