Rettungsweg "Insolvenz wäre das Beste für Opel"
mm.de: Herr Professor Haarmeyer, Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat mit seiner Bemerkung zu einer möglichen Insolvenz von Opel heftigen Widerspruch geerntet. Wie stehen Sie dazu?
Haarmeyer: Es ist aus meiner Sicht sachlich geboten, deutlich zu machen, dass es neben einem Verkauf auch andere Optionen für Opel gibt. Wir haben in Deutschland das weltweit beste Sanierungsinsolvenzrecht, aber immer noch das Problem, dass das Thema negativ belastet ist. Da hat Herr zu Guttenberg genau richtig gehandelt, die Öffentlichkeit auch auf diese Option vorzubereiten.
mm.de: Aber es widerspricht der Linie der Bundesregierung, einen privaten Investor als Opel-Retter zu suchen.
Haarmeyer: Wenn die Investoren alternativlos gehandelt werden, macht sich die Regierung erpressbar. Die Bieter merken schon, dass sich die Politik sehr weit aus dem Fenster gelehnt hat. Wenn Fiat-Chef Sergio Marchionne sein Konzept binnen Tagen um Milliardenbeträge korrigiert, fragt man sich doch, wie ernst das gemeint ist. Keines der vorgelegten Konzepte ist wirklich überzeugend. Das haben wir davon, dass die Politiker sich gern als Konzernretter aufspielen wollen. Dass das nicht gut ausgeht, konnten wir schon im Fall Holzmann beobachten.
mm.de: Bedeutet eine Insolvenz nicht das Ende für Opel?
"Es wäre ja nicht die erste internationale Insolvenz"
Haarmeyer: Dass Opel auch von einem Insolvenzverwalter weitergeführt würde, steht außer Frage. Es wäre sogar besser für Opel. Die Möglichkeiten, die ein Insolvenzverfahren bietet, haben sie jetzt nicht. Und Opel stünde auch besser da als das insolvente schwedische Schwesterunternehmen Saab, das schon seit Jahrzehnten an Substanz verloren hat. Eine Insolvenz kann außerdem sehr schnell wieder vorbei sein. Wir haben jüngst im Fall Sinn-Leffers gesehen, dass Horst Piepenburg als Insolvenzverwalter innerhalb von acht Monaten eine Lösung gefunden hat.
mm.de: Aber nicht ohne große Arbeitsplatzverluste. Und wäre eine Opel-Insolvenz nicht eine Gefahr für die vielen Lieferanten?
Haarmeyer: Wenn man den Betrieb im Insolvenzverfahren weiterführen will, braucht man die Lieferungen auch weiterhin. Es wäre entweder Vorkasse oder eine Garantieerklärung des Insolvenzverwalters für die Lieferanten nötig. So würde man das wohl machen. Das Geld wäre dann im Grunde sicherer, als es heute ist, da sich die Lieferanten ständig sorgen müssen, wie lange das Unternehmen noch am Markt ist.
mm.de: Eine andere Furcht betrifft die Zerschlagung des Konzernverbunds. Wären nicht eigene Insolvenzverwalter für die einzelnen Teile von GM Europe in Großbritannien, Spanien, Belgien oder Polen zuständig?
Haarmeyer: Es gibt mittlerweile Entscheidungen des High Courts in London, dass die europäische Insolvenzverordnung die Gerichte verpflichtet, zusammenzuarbeiten. Das wäre ja nicht die erste internationale Insolvenz in Europa. Bei der Pin AG hat die Zusammenarbeit der luxemburgischen und deutschen Insolvenzverwalter hervorragend geklappt.
"Die USA gehen entspannter mit dem Thema um"
mm.de: An GM Europe sind aber viele Länder beteiligt, die Zentrale liegt in der Schweiz. Würde dann der deutsche Opel-Insolvenzverwalter den Hut aufhaben?
Haarmeyer: Davon ist auszugehen. Deutschland ist der einzige Staat, der sich bisher bereiterklärt hat, nennenswerte Summen für die Rettung aufzubringen. Ohne deutsche Unterstützung läuft die Sanierung überhaupt nicht.
mm.de: In den USA scheint das Management von Chrysler und General Motors geradezu auf Insolvenz als Unternehmensziel hingearbeitet zu haben, vom Staat ermutigt.
Haarmeyer: Ja, die haben dort einen viel entspannteren Umgang mit dem Thema, weil sie auch schon an große Insolvenzen gewöhnt sind. Die US-Regierung erweist sich dadurch auch als handlungsfähiger. Sie kann ohne die Gemengelage, die bei uns durcheinander geht, eine Sachentscheidung treffen: Wie kann das Unternehmen, das Milliarden an Steuergeldern erhält, am besten für die Zukunft aufgestellt werden?
mm.de: Und die Insolvenz nach Chapter 11 ist der beste Weg?
Haarmeyer: GM kommt nicht wieder auf die Beine, wenn sie nicht aus ihren Pensionsaltlasten und aus ihren Tarifverträgen herauskommen, aus allem, was sich in den letzten 30 Jahren als Speckbauch angesammelt hat. Die Insolvenz ist der beste Weg, sich von Altlasten zu befreien und mit einem neuen Unternehmen, das die gesunden Teile aufnimmt, wieder auf den Markt zu treten - so, wie es die Luftfahrtbranche in Amerika nach der Jahrtausendwende gezeigt hat.
"Die Richter erleben ein Schaulaufen der Insolvenzverwalter"
mm.de: Die Aktionäre bleiben dabei natürlich auf der Strecke. Nun ist GM aber auch noch in Konflikt mit ungesicherten Gläubigern getreten. Die sollten nach dem Plan der Regierung 10 Prozent der GM-Anteile für ihren Schuldenverzicht erhalten, der Pensionsfonds der Gewerkschaft mit niedrigeren, gleichrangigen Ansprüchen aber 20 Prozent.
Haarmeyer: Dass dieses Konzept bei den Gläubigern keine Zustimmung findet, war zu erwarten, aber wohl auch politisch beabsichtigt. Es war einfach notwendig, den Gläubigern ein Angebot zu machen, um dann den Weg frei für eine Sanierung unter Gläubigerschutz zu haben. Der Staat bezahlt die Rettung, also kann er auch entscheiden, wer das Geld bekommt.
mm.de: Politisch und moralisch ist das verständlich, aber was sagen Sie als Insolvenzrechtler dazu?
Haarmeyer: Das erleben wir bei uns doch sowieso flächendeckend. Die ungesicherten Gläubiger gehen regelmäßig leer aus, weil die Insolvenzmasse nicht für alle Ansprüche ausreicht. Selbst die erfolgreichen Insolvenzverwalter schaffen im Schnitt nur, 15 bis 20 Prozent an die ungesicherten Gläubiger auszuschütten.
mm.de: Die Insolvenzverwalter selber gehen nie leer aus. Wie groß ist denn der Unterschied zwischen guten und schlechten Verwaltern?
Haarmeyer: Der ist signifikant. Das liegt daran, dass es kein klares Zulassungsverfahren gibt. Ein Insolvenzverwalter kommt zu seinem Auftrag, indem er einen Insolvenzrichter findet, der ihn ernennt. Die Richter an den Insolvenzgerichten erleben ein großes Schaulaufen der Insolvenzverwalter, die von sich behaupten, dass sie super seien und man ihnen jedes Unternehmen anvertrauen könne.
mm.de: Und die Richter lassen sich so einfach breitschlagen?
Haarmeyer: Wie soll ein Richter, der keine Erfahrung im Personalmanagement hat und nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz jedem eine Chance geben soll, da handeln? Im Ergebnis wird jemand zum Treuhänder fremden Vermögens betreut und hat völlig freie Hand, ohne je seine Qualifikation nachzuweisen. Wir brauchen ein besseres Verfahren, und dazu wird auch bald ein Konzept vorliegen.