General Motors Obama stellt 60-Tage-Ultimatum
Washington - US-Präsident Barack Obama gibt der Opel-Mutter General Motors (GM) nochmals 60 Tage Zeit, um einen tragfähigen Sanierungsplan vorzulegen. Erst dann werde die Regierung über mögliche weitere Milliardenhilfen entscheiden. Zugleich gab er am Montag in Washington den Rücktritt von GM-Chef Rick Wagoner bekannt.
Laut Obama müssen sowohl GM als auch Chrysler möglicherweise Gläubigerschutz beantragen. Dies sei eine Option, um die Restrukturierung der Konzerne voranzutreiben und Schulden abzubauen, sagte er am Montag. Die Arbeit unter Gläubigerschutz sei jedoch nur für eine kurze Zeit denkbar und die Geschäfte sollten normal weiterlaufen. Die US-Regierung wolle die Autobauer nicht untergehen lassen, werde jedoch nicht endlos Geld in den Sektor pumpen.
"Um es klar zu sagen: Die US-Regierung hat kein Interesse, GM zu führen", sagte Obama. Der Abgang von GM-Lenker Wagoner zeige, dass der Konzern anerkenne, dass eine neue Ausrichtung nötig sei, sagte der US-Präsident.
Obamas Ankündigung gilt als allerletzte Galgenfrist für einen tragfähigen Rettungsplan. Das große Zittern der 25.000 Opelaner um ihre Jobs findet so noch längst kein Ende. Zumindest gewinnt Opel aber etwas Zeit. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sprach von einer "Atempause". Autoexperte Christoph Stürmer vom Wirtschaftsforscher Global Insight Deutschland meint: "Die Hoffnung ist gewachsen, dass Opel die Voraussetzungen für ein Überleben schaffen kann." Eine Überlebensgarantie sei das aber nicht.
Wagoner galt angesichts der GM-Rekordverluste längst als "lame duck" - lahme Ente. Obama wusste mit seinem Feingespür für die öffentliche Meinung genau, dass den US-Bürgern die Geduld für Milliardenspritzen an heruntergewirtschaftete Konzerne ausgeht. Sie wollen Opfer. Und der 56-jährige Wagoner war zum Symbol der Autokrise in den USA geworden.
Es war eine Demonstration der Härte, was US-Präsident Barack Obama am Montag präsentierte. Wochenlang hatten seine Expertengruppe die Sanierungspläne von GM und Chrysler studiert, hatten verhandelt und gerechnet. Ihr Befund fiel vernichtend aus. Die Sanierungspläne der Konzerne? Völlig unzureichend. Die Geschäftsmodelle in Detroit? Überholt, verstaubt, erfolglos. Die Zukunft der Branche in den USA? Ziemlich düster.
"Wagoner hat den Unternehmenswert um 90 Prozent gemindert"
Die Konzerne werden "harte Entscheidungen" treffen müssen, wenn sie weiterhin Staatshilfe wollen, kündigte Obama an. Die Branche müsse sich einer "aggressiven Umstrukturierung" unterwerfen, dann allerdings gebe es eine Chance für die Zukunft: "Wir können nicht, dürfen nicht und werden nicht zulassen, dass unsere Autoindustrie einfach verschwindet."
Der Opel-Betriebsrat reagierte auf die Entscheidung mit Erleichterung. "Ich habe mich immer gewundert, wie lange sich jemand halten kann, der den Wert von GM um 90 Prozent gemindert hat", sagte Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz. Wagoner habe Milliarden verbrannt, seine zentralistische Politik sei gescheitert.
Bei Opel sieht man durch den Wechsel an der Spitze und den Zeitgewinn die Chancen für die angestrebte Abkopplung von GM gestiegen. Händeringend sucht der Hersteller dafür Investoren und arbeitet an einem eigenen Sparprogramm über eine Milliarde Euro. Doch Merkel lehnt einen Staatseinstieg weiter ab und macht Hilfen vom endgültigen GM-Sanierungsplan und Obamas Entscheidung abhängig.
Die Hoffnung auf größere Zugeständnisse scheint für Merkels Besuch in Rüsselsheim dahin. Die Kanzlerin dürfte sich angesichts der neuen Gnadenfrist laut Beobachtern nicht weiter aus dem Fenster lehnen und Milliardenversprechen machen. Da hilft auch der erneute Appell von Franz wenig: "Die Bundesregierung muss endlich sagen, wir wollen helfen", forderte er.
Große Fragezeichen empfangen derweil Wagoners Nachfolger, den bisherigen GM-Vize und früheren Europa-Chef Fritz Henderson. Seit Jahren war er an vorderster Front bei GM für die steile Talfahrt des einst weltgrößten Autobauers mitverantwortlich. Die Europa-Tochter rund um Opel drehte der Sanierer in den Jahren 2004/2005 zumindest ins Plus, allerdings per Jobkahlschlag.
Viele Experten sehen den 50-Jährigen als Übergangskandidaten. Nach Einschätzung Stürmers ist Henderson zwar kein großer Autokenner, aber ein ausgewiesener Finanzspezialist. Und damit derzeit der richtige Mann: "Das Problem von Opel ist das Geld, und nicht die Autos." Mit ihm sei eine Herauslösung von Opel aus dem Konzern leichter als bisher.
Eine Pleite von GM ist unterdessen noch längst nicht vom Tisch. Die US-Regierung fordert von Gläubigern und Gewerkschaft drastische Zugeständnisse, sonst wird der Geldhahn endgültig zugedreht. GM habe zwei Monate länger Zeit, "um das Wunder von Detroit zu vollbringen", sagt Aktienanalyst Christoph Schmidt. Wer aber "wirklich daran glaubt, ist naiv", meint er.
Und damit sei die ganze Branche nicht nur in den USA in einer kritischen Phase, so ein Börsianer in Frankfurt. "Wenn GM oder ein großer Konkurrent kippt, ist das der Startschuss für die anderen - dann wird bei den Autos passieren, was die Banken schon gesehen haben."
manager-magazin.de mit Material von dpa-afx, afp, reuters und dpa