EADS Wirbelsturm am Horizont
Hamburg - Die Aufbruchstimmung ist längst verflogen. Im Sommer machten die Hamburger Airbus-Mitarbeiter noch die La-Ola-Welle, als endlich der erste Riesenjet A380 in Finkenwerder ausgeliefert wurde. Angesichts der weltweiten Wirtschaftsflaute setzt sich bei manchen Leiharbeitern nun Lethargie durch. "Jeder sucht krampfhaft einen Grund, der ihn unabkömmlich macht", sagt einer, der zuletzt mit dem Aufbau des neuen Werks in China beschäftigt war.
Noch haben die allermeisten ordentlich zu tun beim Luftfahrtkonzern EADS und seiner Tochter Airbus, das bestätigen auch die Gewerkschaften. Doch die Zeichen mehren sich, dass die guten Zeiten für das deutsch-französische Unternehmen vorübergehen, bevor sie so richtig begonnen haben.
Zu düster sind die Aussichten für den von der weltweiten Wirtschaftskrise gebeutelten Flugzeugmarkt in den nächsten Jahren. Zu drastisch lähmen die Finanzierungsschwierigkeiten der Airlines den Absatz. Und zu dramatisch ist das eigene Versagen von EADS im Rüstungsgeschäft mit der A400M, das in diesen schwierigen Zeiten eigentlich stabilisierend wirken könnte.
Der am heutigen Dienstag für 2008 ausgewiesene Gewinn in Höhe von knapp 1,6 Milliarden Euro interessiert Analysten und Investoren kaum - auch wenn er dank günstiger Wechselkurseffekte über den Erwartungen liegt. Angesichts des prall gefüllten Auftragsbuchs von Airbus wäre alles andere als ein deutlicher Überschuss nach den von den Pannen bei der A380 dominierten Jahren auch eine böse Überraschung gewesen. Mit den steigenden Auslieferungszahlen hat auch der Umsatz deutlich zugelegt - um 11 Prozent auf 43,3 Milliarden Euro.
Die EADS-Aktie beschleunigte am Dienstag jedoch ihren Sinkflug. Denn es wachsen die Zweifel, was das volle Orderbuch wert ist. "Wenn die Probleme bei der Finanzierung anhalten, ist von weiteren Stornierungen auszugehen", sagt Analyst Sebastian Hein vom Bankhaus Lampe. Spätestens 2010 "dürfte der Puffer kleiner werden".
"A400M wird zum unberechenbaren Pulverfass"
Zuletzt hatte die französisch-niederländische Air France-KLM angekündigt, einen Teil der bestellten A380 später in Empfang zu nehmen. Die US-Bank J. P. Morgan erwartet, dass ein Drittel der für 2009 geplanten Produktion nicht wie geplant ausgeliefert werden kann. Der internationale Luftfahrtverband IATA zeichnet sogar ein noch düsteres Bild und rechnet damit, dass jeder zweite Flieger zunächst auf Halde steht.
Die monatliche Produktionsraten hat Airbus jüngst bereits reduziert. Mutterkonzern EADS schließt angesichts der unsicheren Marktentwicklung weitere Produktionskürzungen nicht aus. Das Unternehmen gibt sich vor diesem Hintergrund äußerst vorsichtig für 2009 und verzichtet auf eine Prognose. Rote Zahlen würden nicht erwartet - ob sich Investoren davon beruhigen lassen?
Die Krise bei EADS wäre vermutlich einigermaßen überschaubar, sofern sie sich im Wesentlichen auf die allgemeinen Verwerfungen in der Weltwirtschaft zurückführen ließe. Doch einen übergroßen Teil der Probleme hat das Unternehmen selbst zu verantworten. Mit der Militärmaschine A400M hat das Unternehmen nach der A380 einen neuen potenziellen Geldvernichter in seinen Reihen, dessen immer neue Kapriolen den Investoren Schweiß auf die Stirn treiben.
Die bauchige Militärtransportmaschine kommt nicht vom Fleck - vor allem, weil die Entwicklung der Propellertriebwerke Probleme macht. Die erste Maschine soll drei Jahre später ausgeliefert werden. "Wir haben die Komplexität und den militärischen Charakter des Programms völlig unterschätzt", hat EADS-Chef Louis Gallois bereits offen eingestanden. "Der Fall zeigt erneut, dass es im Unternehmen nicht funktioniert", kommentiert ein Analyst.
Jetzt werden die Folgen sichtbar. Schon 2008 belastete der Transporter das Ergebnis mit 704 Millionen Euro. "Die A400M entwickelt sich zum unberechenbaren Pulverfass, das das operative Ergebnis 2009 eliminieren könnte", sagt Analyst Wolfgang Albrecht von der Landesbank Baden-Württemberg.
Das 20-Milliarden-Risiko
Die größte Gefahr droht im April: Dann haben die sieben Bestellernationen das Recht aus dem 20-Milliarden-Euro-Vertrag auszusteigen - weil sich Entwicklung und Produktion des Fliegers um Jahre verzögert haben. Ein Horrorszenario für EADS, das nach eigenen Angaben 5,7 Milliarden Euro Entwicklungskosten an die Auftraggeber zurückzahlen müsste. Der Luftfahrtkonzern hält das für sehr unwahrscheinlich, bedürfe es doch eines einstimmigen Beschlusses der Bestellerstaaten.
Sicher ist dagegen, dass EADS die ursprünglich kalkulierten Margen mit dem Transporter zumindest mittelfristig nicht erzielen kann. Das ist umso bitterer, weil das Geschäft mit dem Militär in der Wirtschaftskrise besonders wertvoll ist. Der Absatz von Frachtmaschinen und Passagierflugzeugen ist dagegen weit stärker den Konjunkturzyklen unterworfen.
Doch so sieht sich der Konzern beinahe ungeschützt der Krise mit all ihren Folgen ausgesetzt. Dazu gehört auch die wachsende Unsicherheit, ob mit dem Tankerauftrag des US-Militärs erstmals ein großer Deal in den Vereinigten Staaten gelingt. Die bereits von EADS und seinem US-Partner Northrop Grumman gewonnene Ausschreibung muss aufgrund von Formfehlern wiederholt werden.
Die neue Ausschreibung fällt jedoch in eine Zeit, da die Politiker in den USA noch stärker um jeden einzelnen Arbeitsplatz bei amerikanischen Unternehmen kämpfen - und dazu gehört eben auch Konkurrent Boeing, der sich ebenfalls bewirbt. "Boeing könnte von einer Buy-American-Kampagne profitieren", sagt Analyst Albrecht.
Auch an der Währungsfront sieht es für EADS nur scheinbar besser aus. Der Dollar hat zuletzt deutlich an Stärke gewonnen. Das ist zunächst gut für die Europäer, weil sie Flugzeuge im Euro-Raum produzieren, aber überwiegend in Dollar verkaufen. Im Langzeitvergleich steht der Euro mit 1,27 Dollar immer noch hoch. Branchenbeobachter erwarten zudem, dass es bald wieder abwärts für den Dollar geht.
Der beinahe einzige Hoffnungsschimmer für EADS ist derzeit, dass sich Widersacher Boeing auch verzettelt. Der Hoffnungsträger Dreamliner verzögert sich ebenfalls, zudem trudeln Abbestellungen und Wünsche nach späterer Auslieferung in Seattle ein. Beide Unternehmen leisten sich Pannen, die bei einem Autokonzern schon lange mit der Insolvenz bestraft worden wären. In der Luftfahrt sind die Folgen nicht ganz so dramatisch - das Duopol macht es möglich.