HRE Koalition macht Weg für Enteignung frei
Berlin - In der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten können Banken in Deutschland erstmals verstaatlicht und ihre Eigentümer enteignet werden. Das geplante Enteignungsgesetz für angeschlagene Banken kann nach Angaben aus der Regierung am Mittwoch wie geplant vom Kabinett auf den Weg gebracht werden.
"Es gibt eine Einigung", sagte Ministeriumssprecher Stefan Olbermann, "wir werden morgen mit einem abgestimmten Entwurf ins Kabinett gehen." Die zuständigen Minister hätten am Dienstagabend die noch offenen Punkte geklärt, sagten mit den Beratungen vertraute Personen nach dem Treffen gegenüber mehreren Nachrichtenagenturen. Das "Rettungsübernahmegesetz", mit dem der Bund die Kontrolle über den angeschlagenen Finanzkonzern Hypo Real Estate (HRE) erwerben will, soll nur auf die Abwehr der aktuellen Krise beschränkt sein.
Das Gesetz könnte zur Enteignung des angeschlagenen Münchener Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate führen, sieht aber zuvor einen Vorrang vor anderen Möglichkeiten für eine staatliche Kontrolle vor. Eine Enteignung soll dem Entwurf zufolge nur das letzte Mittel sein.
Andere Maßnahmen zur Rettung der Bank und zur Übernahme staatlicher Kontrolle hätten "absoluten Vorrang", hieß es. So müssen zuvor alle weniger einschneidenden Maßnahmen zum Erwerb einer Kontrollmehrheit des Staates gescheitert sein. Dazu gehören eine Rettungshauptversammlung und Kapitalmaßnahmen. Die Möglichkeit einer Enteignung soll demnach befristet sein bis zum 31. Oktober. "Damit wird eine Enteignung der Hypo Real Estate unwahrscheinlicher", sagte ein mit den Beratungen Vertrauter.
Bundestag und Bundesrat müssen dem Entwurf nach dem Kabinettsbeschluss zustimmen, damit das Gesetz in Kraft treten kann.
Die Entschädigung für enteignete Aktionäre sollte sich nach bisherigen Plänen nach dem durchschnittlichen Börsenkurs während der letzten zwei Wochen vor Bekanntgabe des Enteignungsverfahrens richten. Ist der Kurs innerhalb der letzten drei Tage niedriger, gilt dieser. Entschädigungen sind zu verzinsen. Auch sollen enteignete Investoren später bevorzugt ihre Aktien zurückkaufen können.
HRE-Pleite würde Staat Milliarden kosten
Ein Kabinettserlass für eine Enteignung muss dem Entwurf zufolge bereits bis Ende Juni vorliegen. Die zunächst erwogenen zusätzlichen Eingriffsrechte der Börsenaufsicht BaFin bei Hauptversammlungen sind den Angaben zufolge wieder aus dem bisherigen Entwurf gestrichen worden.
Mit den Gesetzesplänen wird das erst im Oktober verabschiedete Bankenrettungspakets von 480 Milliarden Euro erweitert. Geplant war zuletzt auch eine Verlängerung der Staatsgarantien für Banken von drei auf fünf Jahre, um die Lage an den Märkten zu entspannen.
Die HRE wird bereits mit Garantien und Kapitalhilfen von 102 Milliarden Euro gestützt. Davon kommen 87 Milliarden Euro vom Steuerzahler. Das Münchener Spezialinstitut benötigt weitere Milliardenspritzen.
Um maßgeblichen Einfluss zu haben, strebt der Bund eine Kontrollmehrheit von mindestens 95 Prozent der HRE-Anteile an. Bei einer Pleite der HRE würden aus den Bürgschaften Milliardenverluste für den Staat.
Unabhängig von der drohenden Enteignung verhandelt der Bund weiter mit HRE-Großaktionär J.C. Flowers über eine Übernahme der Anteile. Der US-Milliardär kontrolliert knapp 24 Prozent der Anteile. Die Regierung konnte sich bisher noch nicht mit Flowers einigen, der auf einen guten Preis hofft. Das HRE-Engagement hat Flowers etwa eine Milliarde Euro gekostet. Am Dienstagvormittag kostete die Aktie 1,13 Euro. Die Bank war an der Börse knapp 240 Millionen Euro wert.
manager-magazin.de mit Material von dow jones, reuters, ap und dpa