Banken-Rettungsfonds Wer sich zuerst bewegt, ...
Hamburg - Wenn in den nächsten Tagen nicht eine Reihe von Banken die staatlichen Eigenkapitalhilfen in Anspruch nimmt, soll das Rettungspaket neu justiert werden, berichtet der SPIEGEL am Sonnabend vorab. Dann könnte "möglicherweise schon in der nächsten Woche" eine Nachbesserung des Programms nach britischem Vorbild beschlossen werden, berichtet das Magazin. Das Dementi folgt prompt. An Änderungen des Rettungspaktes werde nicht gearbeitet. Man setze weiter auf die Freiwilligkeit der Banken, die Staatshilfe in Anspruch zu nehmen, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium.

Bankenviertel Frankfurt: Noch zögern die meisten Institute, Hilfen aus dem staatlichen Rettungspaket anzunehmen.
Foto: DPAIn Großbritannien müssen Banken eine Kernkapitalquote von 9 Prozent vorweisen. Wer diese nicht erreicht - zum Beispiel mit Hilfe einer Kapitalerhöhung - muss das Geld vom Staat und eine entsprechende Staatsbeteiligung in Kauf nehmen. In Deutschland können die Banken selbst entscheiden, ob sie das Rettungspaket in Anspruch nehmen. Bisher haben sich explizit nur die bayerische Landesbank und die schwer angeschlagene Hypo Real Estate zu diesem Schritt entschlossen. Andere Banken zeigen sich bisher zögerlich.
Die Furcht der Banker vor Stigmatisierung
Beobachter begründen das Zögern unter anderem mit der Furcht der Banker, dass bei einem Eingeständnis einer Bank, auf Staatshilfen angewiesen zu sein, Kunden reflexartig ihr Geld abziehen könnten. Börsennotierte Institute befürchten zudem, an der Börse mit drastischen Kursabschlägen gegenüber den Mitbewerbern bestraft zu werden. Getreu dem Motto, "wer sich zuerst bewegt, hat verloren", halten sich die Bankvorstände in Deckung, um ja nicht auch nur den Anschein von Schwäche zu erwecken.
Immer mehr Experten aus der Finanzwirtschaft selbst machen sich daher mittlerweile dafür stark, den Druck auf die deutschen Kreditinstitute insgesamt zu erhöhen. Siegfried Jaschinski, Chef der Landesbank Baden-Württemberg, forderte unlängst ganz offen die Zwangskapitalisierung aller Banken, um einer Stigmatisierung bei Inanspruchnahme staatlicher Mittel zu entgehen. Bislang sieht das Regierungsangebot für in Turbulenzen geratene Banken aber keine Zwangskapitalisierung vor. Beobachter schätzen daher die Chancen, dass die Banken ihre Kapitalausstattung schnell, deutlich und nachhaltig erhöhen, eher gering ein.
Auch Analysten machen sich dafür stark, deutschen Banken eine allgemein verbindliche Eigenkapitalhöhe vorzuschreiben. Wie sie dieses Ziel erreichen, sollten die Institute aber selbst entscheiden.
"Klar definierte Kapitalausstattung vorschreiben"
"Dann sollten sie dazu gezwungen werden"
"Ich denke, wenn es den Banken innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht gelingt, den Kapitalmarkt anzuzapfen oder nur zu Bedingungen, die ihnen extrem unattraktiv erscheinen - dann sollten sie dazu gezwungen werden, ihre Kapitalstruktur über den Staatsfonds zu verbessern, um eben eine bestimmte Kernkapitalquote zu erreichen. Dieses Ziel einer klar definierten Kapitalausstattung sollten wir den Banken vorschreiben. Nicht aber, wie sie dieses Ziel erreichen", sagte Analyst Konrad Becker von Merck Finck im Gespräch mit manager-magazin.de.
Der Experte votiert dafür, die Kernkapitalquote gesetzlich auf 10 Prozent festzuschreiben. Quoten von 5 bis 6 Prozent hält der Analyst in der derzeit angespannten Lage der Finanzmärkte für "viel zu niedrig". Die Banken bräuchten künftig einen größeren Eigenkapitalpuffer, um weitere mögliche Belastungen aus der Finanzkrise abfedern zu können.
Niedrige Kernkapitalquoten werden zum Wettbewerbsnachteil
Die Postbank, die im dritten Quartal durch die verschärfte Finanzkrise tief in die Verlustzone gerutscht ist, hatte zuletzt eine milliardenschwere Kapitalerhöhung angekündigt und damit bewusst darauf verzichtet, die angebotene Hilfe des Staates in Anspruch zu nehmen. Nach der Kapitalerhöhung soll die Kernkapitalquote dann 6,9 Prozent betragen. Ende September hatte diese Kennziffer lediglich bei 5,5 Prozent gelegen.
Experten halten niedrige Kernkaptialquoten auch deshalb für problematisch, weil deutsche Finanzinstitute im globalen Wettbewerb dann zusehends ins Hintertreffen geraten könnten. Sollten zweistellige Quoten international die Regel werden, könnten deutsche Institute Probleme bekommen, befürchten die Experten. So würden nicht nur die Refinanzierungskosten der deutschen Banken steigen. Zudem könnten ausländische Banken deutsche Institute als riskanter einstufen und würden dann bei Geschäften mit ihnen auch höhere Abschläge verlangen, heißt es.
Welchen Weg geht die Commerzbank?
Deutsche Bank lehnt Eigenkapitalhilfen ab
Die Deutsche Bank, die es bislang ablehnt, Eigenkapitalhilfen des Staates in Anspruch zu nehmen, hatte für Ende September eine Kernkapitalquote von 10,3 Prozent ausgewiesen. Der deutsche Branchenprimus hatte sich allerdings zuvor 2,2 Milliarden Euro frisches Kapital beschafft, um damit den Einstieg bei der Postbank zu finanzieren. Mit 10,3 Prozent verfügt die Deutsche Bank über eine vergleichsweise komfortable Eigenkapitalausstattung, die aber niedriger liegt als die internationaler Wettbewerber. Größere deutsche Banken sollten ihre Kernkapitalquote auf ein im internationalen Wettbewerb "angemessenes Niveau" aufstocken, forderte unlängst Bundesbankpräsident Axel Weber.
Die Commerzbank kam Ende Juni auf eine Kernkapitalquote von 7,4 Prozent. Doch ähnlich wie bei der Postbank dürfte auch bei ihr im Zuge der verschärften Finanzkrise die Quote im dritten Quartal gesunken sein und sich die Eigenkapitalausstattung damit deutlich verschlechtert haben. Gerüchten vom Freitag zufolge, soll die Bank angeblich nun doch daran interessiert sein, sich unter den staatlichen Rettungsschirm zu begeben. Die Aktienmärkte quittierten die Spekulationen mit einem kräftigen Kursabschlag zum Wochenschluss.
Konzertierte Aktion könnte Coba den Schritt erleichtern
Vorstandschef Martin Blessing dürfte diese Entscheidung vermutlich deutlich leichter fallen, wenn sein Institut quasi im Windschatten einer konzertierten Aktion aller deutschen Banken, den staatlichen Rettungsfonds anzapfen könnte - das gilt insbesondere mit Blick auf den Wettbewerber Deutsche Bank. Doch danach sieht es bislang nicht aus. Die Deutsche Bank hatte in dieser Woche Eigenkapitalhilfen des Staates noch einmal explizit abgelehnt, ließ aber offen, ob sie womöglich Garantien aus dem Fonds nutzen wolle.
Bis dahin dürfte im deutschen Banken-Poker rund ums Rettungspaket nolens volens das Motto gelten: "Wer sich zuerst bewegt, hat verloren" - es sei denn, die Bundesregierung macht doch Ernst, ringt sich zu einer Art Zwangskapitalisierung der Banken in Deutschland durch.
Nicht zuletzt kleine und mittelständische Unternehmen würden es ihr danken. Denn die gute Kapitalausstattung einer Bank ist nun einmal entscheidend für ihre Fähigkeit, Kredite zu vergeben. Und Kredite brauchen die Unternehmen jetzt dringender denn je.
mit Material von Nachrichtenagenturen