EU-Kommission Brüssel verschärft Regeln für Banken
Brüssel - Angesichts der dramatischen Lage auf den Finanzmärkten will die Europäische Kommission dem Bankensektor strengere Spielregeln vorschreiben. Demnach sollen sich Banken künftig stärker gegen Kreditrisiken absichern und bei grenzüberschreitenden Geschäften der Aufsicht spezieller Gremien unterliegen. Außerdem soll die Höhe eines Kredits, den eine Bank vergeben kann, gedeckelt werden.
"Wir müssen die Stabilität des Systems und die Effizienz der Aufsicht verbessern", sagte Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy am Mittwoch in Brüssel. Für seine Vorschläge braucht er die Zustimmung des Europaparlaments und der 27 EU-Mitgliedstaaten.
Von den "Aufsichtskollegien" wären nach Worten des Kommissars etwa 50 europäische Großbanken betroffen, die grenzüberschreitend tätig sind. In den Gremien sollen Vertreter heimischer Behörden sowie derjenigen des Gastlandes sitzen. Einige Mitgliedstaaten hätten eine europäische Regulierungsbehörde gefordert, sagte McCreevy. Ein System mit "Aufsichtskollegien" sei eine "pragmatische Antwort".
Einen "Fortschritt" nennt Bankenanalyst Konrad Becker von Merck Finck diese Gremien. Effektiver sei jedoch eine zentrale europäische Bankenaufsicht, die wenigstens die Eurozone unter Kontrolle hat. Zudem fürchtet er, dass sich kleine Staaten noch dagegen zu Wehr setzen könnten, dass wie vorgesehen die Behörde des Heimatlandes einer Bank im Streitfall das letzte Wort hat.
Bankenexperte Wolfgang Gerke plädiert für ein "radikaleres Modell": Nötig sei eine internationale Aufsicht, die beim Internationalen Währungsfonds angesiedelt ist, sagte Gerke gegenüber manager-magazin.de. "Sonst sind die Aufseher mit den Banken nicht auf Augenhöhe." Auch Länder wie die Schweiz und die Cayman Islands sollten unter eine gemeinsame Aufsicht fallen.
Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen Finanzinstitute zudem künftig 5 Prozent des Risikos eines Kredits, den sie weiterverkaufen, weiter in ihren Büchern ausweisen. Für diesen "Selbstbehalt" müssten sie dann haften. "Im Moment läuft es nach dem Motto: So viele Hypothekenkredite wie möglich sammeln, bündeln und weiterverkaufen", kritisierte McCreevy. "Niemand weiß, wo sie am Ende landen."
"Die Banken haben sich durchgesetzt"
"Die Banken haben sich durchgesetzt"
"5 Prozent sind zu wenig", kritisiert dagegen Analyst Becker. Für die Banken sei ein Selbstbehalt in der Höhe nicht Anreiz genug, hohe Risiken für andere Marktteilnehmer zu vermeiden. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte zuletzt gefordert, bis zu 20 Prozent in der Bilanz des Instituts zu belassen, das die Kredite bündelt. "Die Banken haben sich in wesentlichen Punkten durchgesetzt", sagt Becker.
Als weitere Maßnahme schlug McCreevy vor, die Höhe eines Kredits, den eine Bank vergeben kann, auf ein Viertel ihres Kapitals zu begrenzen. Für kleinere Banken soll eine Deckelung von 150 Millionen Euro gelten. "Wir müssen den Risiken, die Banken eingehen können, Grenzen setzen", sagte der Ire. "Das ist immer noch recht hoch", sagte Becker mit Blick auf die für große Banken geplante Deckelung.
McCreevy sprach dagegen von einer "vernünftigen und verhältnismäßigen" Antwort auf die Finanzmarktturbulenzen. "Diese neuen Regeln werden den Rechtsrahmen für Banken und das Finanzsystem der EU von Grund auf stärken." Ein stabiles Bankensystem brauche "strikte Grundregeln, Transparenz und Vorsicht". "Es gibt kein Zaubermittel, aber ich bin zuversichtlich, dass wir ein verantwortungsbewusstes Finanzdienstleistungssystem in Europa bekommen."
Mit den Vorschlägen will der irische Kommissar die EU-Eigenkapitalrichtlinie überarbeiten. Mit der Direktive hatte die EU 2006 internationale Vereinbarungen über schärfere Eigenkapital-Vorgaben für Banken umgesetzt, die unter dem Stichwort "Basel II" zusammengefasst sind. Das Europaparlament hat bereits signalisiert, dass es noch strengere Regeln wünscht, beispielsweise für hochriskante Hedge Fonds. McCreevy verteidigte seinen Kurs, Hedge Fonds nicht zu regulieren. Sie seien nicht Auslöser der aktuellen Krise gewesen, sagte er.
"Auf die Ratingagenturen ist kein Verlass"
Die EU-Kommission will bis Ende des Jahres einen grundsätzlichen Kompromiss ausgehandelt wissen. McCreevy machte klar, dass er damit rechnet, dass die neuen Regeln trotz der aktuellen Krise erst in gut zwei Jahren in Kraft sind. "Nichts, was wir jetzt im Bereich der Regulierung unternehmen, wird die Krise stoppen", sagte er. "Man kann den Hahn nicht einfach zudrehen." Zwar habe er seine Pläne schon länger in Vorbereitung. "Heute gibt es aber mehr Unterstützung für mich als noch vor zehn Tagen."
Im November will die EU-Kommission zudem strengere Regeln für so genannte Ratingagenturen vorlegen, die die Kreditwürdigkeit von Finanzinstituten mit Noten bewerten. "Man kann sich auf die Ratingagenturen nicht mehr verlassen", sagte McCreevy. So seien sie häufig Interessenkonflikten ausgesetzt. Er plane deshalb, eine Verordnung für die Registrierung und Überwachung vorzulegen.
IWF sieht USA im Vorteil
IWF sieht USA im Vorteil
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat Europa aufgefordert, sich mit einem gemeinsamen Plan auf eine Ausweitung der Bankenkrise vorzubereiten. Die europäischen Staaten seien nicht immun gegen die Finanzmarktkrise in den USA, sagte der ehemalige französische Wirtschaftsminister am Dienstag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters.
"Also müssen sie sich organisieren. Das ist dringend nötig auf der europäischen Ebene." Nach den Worten des IWF-Chefs wird die Krisenreaktion des Kontinents durch das Fehlen einer pan-europäischen Aufsichtsbehörde erschwert. "Die EU-Regeln machen es sehr viel schwieriger als in den USA", grenzübergreifend zu handeln, sagte er.
Über das milliardenschwere Rettungspaket der US-Regierung sagte Strauss-Kahn: "Ein unvollkommener Plan ist besser als gar kein Plan." Er rechne mit einer steilen Erholung der US-Wirtschaft, wenn das US-Parlament die Hilfen im Umfang von 700 Milliarden Dollar verabschiede. Die bisherigen Folgen der Krise für die US-Wirtschaft seien nicht so schwer, wie vom Internationalen Währungsfonds vor eineinhalb Jahren erwartet.
Nach Investment- und Hypothekenbanken in den USA wurden zuletzt auch in Europa mehrere Institute mit staatlichen Hilfen vor dem Zusammenbruch gerettet. Der französische Präsident und derzeitige EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy hat zu einem Finanzgipfel aufgerufen, bei dem die Grundlagen für ein neues internationales Finanzsystem gelegt werden sollen.
manager-magazin.de mit Material von dpa-afx und ap
Joseph Stiglitz: "Banken haben total versagt"