Continental/Schaeffler "Die ziehen das durch"
Hamburg - Mit dem fränkischen Herzogenaurach bringen die meisten Menschen vermutlich eher die Sportartikelhersteller Adidas und Puma in Verbindung. Doch seit diesem Montag müssen sie ihr topographisches Wissen um den Namen Schaeffler erweitern. Denn der in Familienbesitz befindliche Wälzlagerhersteller und Autozulieferer ist offenbar festen Willens, den etwa dreimal größeren Dax-Konzern Continental zu übernehmen.
Allein die Größenunterschiede lassen das Ansinnen als sportlich erscheinen. Davon aber sollten sich Außenstehende nicht täuschen lassen. Die beiden Unternehmen ergänzten sich hervorragend und die Gelegenheit sei günstig, sagen Analysten.
Wie weit die Gespräche wirklich gediehen sind, ist unklar. Ein Angebot der Schaeffler-Gruppe liegt nicht vor. Firmenpatriarchin Maria-Elisabeth Schaeffler dürfte es jedoch mächtig gewurmt haben, dass Informationen über ein erstes Übernahmegespräch mit Continental-Chef Manfred Wennemer bereits am Samstag die Öffentlichkeit erreichten.
Denn sollte der weltweit zweitgrößte Lagerhersteller mit 66.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 8,9 Milliarden Euro den Hannoveraner Reifenproduzenten und Autozulieferer tatsächlich übernehmen wollen, wird Schaeffler deutlich mehr auf den Tisch legen müssen als die gerüchteweise kolportierten zehn Milliarden Euro, was einem Preis von etwa 62 Euro je Conti-Aktie entspricht.
So sahen es am Montag offenbar auch die Investoren. Sie katapultierten den Conti-Aktienkurs in der Spitze auf knapp 69 Euro, ein Aufschlag um 29 Prozent. Doch die Gelegenheit scheint günstig. Noch vor gut zwölf Monaten notierten die Titel von Continental bei 110 Euro und haben sich seitdem mehr als halbiert. Zu Unrecht, wie Analysten glauben.
Sicherlich belasteten die Absatzkrise der Automobilindustrie und die hohen Rohstoffkosten für Reifen das Geschäft des Konzerns. Der Markt habe hier aber überzogen. "Conti ist eine echte Unternehmensperle. Das Management um Wennemer hat einen extrem guten Job gemacht. Dem wird der Aktienkurs nicht gerecht", sagt Uwe Treckmann von der Dresdner Bank.
Der Kurs blende ebenso aus, das Continental unlängst erst die Siemenssparte VDO für 11,4 Milliarden Euro übernommen hatte. Schaeffler bekäme also eine zukunftsträchtige Sparte, als die die Autoelektronik nun einmal gilt, quasi zum Unternehmen Continental obendrauf.
Schaeffler und Continental passten aufgrund der geringen Überschneidung des Produktportfolios sehr gut zusammen, kartellrechtliche Probleme dürften sich bei dieser Transaktion nicht ergeben. Der fränkische Lagerhersteller, der nicht nur die Automobilbranche beliefert, genieße mit seinen Produkten weltweit einen hervorragenden Ruf. Mit Continental würden die Herzogenauracher ein Unternehmen erwerben, das derzeit nicht nur günstig, sondern zugleich in allen relevanten Zukunftsfeldern der Automobilindustrie vertreten sei. "Das passt zusammen. So eine Übernahme macht Sinn", urteilt Treckmann.
80, 90, 100 Euro - was ist Conti wert?
80, 90, 100 Euro - was ist die Conti-Aktie wert?
Ähnlich sieht es Autoanalyst Michael Punzet von der DZ Bank. Er hält Continental ebenfalls für ein attraktives Übernahmeziel und strategisch sinnvolle Ergänzung. Nur stellt sich die Frage, wie viel ist der Schaeffler KG diese "Unternehmensperle" wirklich wert? Das Management des Familienunternehmens blieb am Montag wortkarg, bestätigte lediglich, dass es ein erstes Gespräch gegeben habe.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Conti einer Übernahme beim aktuellen Kursniveau zustimmen würde", sagt Punzet, ohne sich auf einen seiner Meinung nach angemessenen Preis festlegen zu wollen. Ein anderer Experte, der namentlich nicht genannt werden will, schließt im Gespräch mit manager-magazin.de einen Übernahmepreis von 80 Euro je Conti-Aktie nicht aus, was einem Aufschlag von rund 48 Prozent entspräche. Andere Analysten wiederum halten sogar 100 Euro für angemessen, was auf einen Kaufpreis von 16 Milliarden Euro hinausliefe.
Schaeffler müsste sich vermutlich von Sparten trennen
Unterbewertet hin oder her - das wäre ein sehr stolzer Preis, bei dem vermutlich auch Schaeffler mit sehr spitzem Stift rechnen müsste. Als nicht börsennotiertes Unternehmen gibt die Gruppe in ihre Kapitalstruktur keinen Einblick. Kenner zweifeln aber nicht, dass es dem Familienunternehmen mit der Royal Bank of Scotland an seiner Seite gelingen könnte, einen Kaufpreis von zehn Milliarden Euro und mehr zu stemmen.
Dafür allerdings müsste sich Schaeffler zumindest vom Pkw-Reifengeschäft der Hannoveraner trennen, für das sich laut Treckmann von der Dresdner Bank drei Milliarden Euro erzielen ließe. Stünden auch die LkW-Reifenproduktion und der Bereich Spezialschläuche zur Disposition, rechnen andere Analysten mit einem möglichen Erlös von bis zu zehn Milliarden Euro.
Ob das Conti-Management dem zustimmt, sei sehr zweifelhaft, sagt aber LBBW-Analyst Frank Biller. "Wennemer hat in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass er einer Übernahme nur zustimmen würde, wenn die Firmenstrategie fortgesetzt wird." Der Verkauf aller Gummi-Sparten käme aber einer Zerschlagung von Conti gleich und würde deshalb auf Widerstand des Managements stoßen. Zudem dürfte die Veräußerung der Sparten an einen Mitbewerber auf erhebliche kartellrechtliche Probleme stoßen. Zuletzt allerdings wollte Finanzvorstand Alan Hippe, der zugleich das Reifengeschäft bei Conti verantwortet, einen Verkauf dieser Konzernbereiche nicht ausschließen.
Feindlich oder freundlich, ist die Frage
Feindlich oder freundlich, das ist die Frage
Sollte eine Übereinkunft mit dem Conti-Management nicht zu erzielen sein, könnte Schaeffler den Dax-Konzern auch feindlich übernehmen, wird spekuliert. Manche Experten raten davon ab. "Das ist nicht zielführend und würde die Übernahme noch erheblich verteuern", sagt Punzet.
Conti habe noch eine ganze Reihe von Integrationsaufgaben zu erledigen. Ohne Wennemer und andere Spitzenmanager, die dann nicht mehr zur Verfügung stünden, dürften diese Vorhaben nur schwer zu bewältigen sein, gibt LBBW-Analyst Biller zugleich zu bedenken.
Treckmann von der Dresdner Bank interpretiert dagegen die durchgesickerten Pläne einer womöglich auch feindlichen Übernahme nicht nur als Drohkulisse: "Solange sich das halbwegs rechnet, werden sie das durchziehen, ob nun mit oder gegen Wennemer."
Der Conti-Chef selbst indes scheint einen feindlichen Übernahmeversuch nicht zu fürchten. Man habe keine Berührungsängste wenn es darum ginge, Investoren zu gewinnen, die "zu unserer Strategie passen". Eine Zerschlagung sei aber nicht im Conti-Interesse. Wer eine feindliche Übernahme anstrebe, "dem wünschen wir einfach viel Glück", ließ der Manager wissen.
Doch Wennemer sollte gewarnt sein. Schon einmal hatte Schaeffler mit einer feindlichen Übernahme Erfolg. Im Jahr 2001 hatte das Unternehmen den börsennotierten Kugellagerhersteller FAG Kugelfischer gegen den Willen des FAG-Managements übernommen. Auch damals stand dem Übernahmekandidaten ein herausragender Manager zur Seite. Letztlich aber musste sich der damalige FAG-Chef Uwe Loos geschlagen geben und räumte im Dezember 2001 seinen Sessel.
Auf einen weißen Ritter, der Conti zur Hilfe eilt, sollte Wennemer nicht hoffen: Analysten sehen derzeit keinen derart finanzkräftigen Beistand, der Conti unter die Arme greifen würde, wenn er es denn könnte und auch dürfte. Finanzinvestoren, die bei solchen Geschäften für gewöhnlich mit einem enorm hohen Fremdkapitaleinsatz arbeiten, kämen sicherlich nicht zum Zuge, glaubt Analyst Treckmann von der Dresdner Bank. "Bei der gegenwärtigen Finanzmarktkrise ist das für die Private-Equity-Branche nicht darstellbar." Ein anderer Automobilzulieferer, dem sich Conti in die rettenden Arme werfen könnte, ist wohl auch nicht in Sicht. "Jene, die wirklich groß sind, haben Probleme", sagt Treckmann. Nicht zuletzt würden dann auch die Kartellbehörden einschreiten und den vermeintlich rettenden Ritter gehörig zurecht stutzen.
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