Kostendruck Post will 700 Filialen abgeben
Lübeck/Bonn - Die Deutsche Post gibt in den kommenden drei Jahren rund 700 der bundesweit 800 eigenbetriebenen Filialen an Partner ab. Die Filialen würden an private Partner wie Supermärkte, Bäckereien oder Kioskbetreiber gegeben, die dann Post-Dienstleistungen anbieten würden, bestätigte Post-Sprecher Dirk Klasen am Sonntag. Nur rund 100 eigene Filialen sollen demnach erhalten bleiben.
Die noch bestehenden konzerneigenen Filialen mit zwei bis drei Postmitarbeitern würden "durchleuchtet" und darauf geprüft, ob sie sich noch rechnen. Sei das nicht der Fall, gehe die Post auf Partnersuche. Mitarbeiter werden dem Post-Sprecher zufolge nicht entlassen. Er bestätigte damit einen Bericht der "Lübecker Nachrichten" (Sonntagausgabe), die über die Pläne berichtet hatten. Grund der Umwandlung sei es, Kosten einzusparen, heißt es in dem Bericht.
Derzeit werden noch an bundesweit 13.500 Standorten Dienstleistungen der Post angeboten. Von dieser Gesamtzahl sind nur noch 800 Deutsche-Post-AG-Filialen. Diese würden jetzt zum großen Teil umgewandelt, jedoch nicht geschlossen, sagte der Post-Sprecher auf Nachfrage. Im selben Ort entstünden stets Partnerfilialen. Es werde kein Standort "verwaisen".
"Pauschal" könne für die Bürger durch die Umwandlung "auch nicht von einer Verschlechterung" der Leistungen gesprochen werden. An den Standorten, die aufgegeben würden, böten dann die privaten Partner, beispielsweise Einzelhändler oder Schreibwarenläden, die Post-Dienstleistungen an.
Nach Angaben des Sprechers ist das kein neuer Prozess. Er habe bereits 1993 begonnen. Noch 2000 hatte der Konzern 5600 Filialen betrieben. Diese wurden in 3800 sogenannte Post-Service-Filialen, 850 Standorte der Post-Tochter Postbank und die 800 Deutsche-Post-AG-Filialen aufgeteilt. Im vergangenen Jahr habe die Post beispielsweise rund 200 Filialen durch Partneragenturen ersetzt. Nach Informationen des Sprechers werden von den rund 3000 Mitarbeitern, die in den etwa 700 zu schließenden Filialen tätig sind, keine entlassen. Sie kämen meist in andere Filialen und würden "sozialverträglich" versetzt.
Erst Ende Februar hatte das Mitglied des Bereichsvorstands Vertrieb Brief, Lothar Rogg, bei der Deutschen Post verkündet, dass er auf absehbare Zeit keinen Grund sehe, das Filialnetz auszudünnen. Eher werde es noch ergänzt. Anderslautende Berichte des in Bielefeld erscheinenden "Westfalen-Blatts", das bereits Anfang Februar über drohende Filialumwandlungen berichtet hatte, verunglimpfte Post-Sprecher Martin Dopychai als "völligen Käse".
Die Filialpläne könnte zudem dazu beitragen, dass es nach den Streiks bei der Bahn und im öffentlichen Dienst auch bei der Post erstmals seit vielen Jahren wieder zu einem größeren Arbeitskampf kommen. Schon vor bevorstehenden Aufnahme der Tarifgespräche hat die Gewerkschaft Verdi mit Streiks vom 1. April an - nach dem Ende der Friedenspflicht - gedroht.
Bei den Verhandlungen, die am Dienstag (18. März) mit einer ersten Runde beginnen (weitere Termine: 28. März und 9. April), stehen gleiche mehrere Themen mit Zündstoff auf der Tagesordnung: Arbeitszeit, Kündigungsschutz und Löhne. Verdi will den Kündigungsschutz für die Tarifbeschäftigten erhalten und eine höhere Arbeitszeit für Beamte verhindern. Die Lohnverhandlungen sollen davon zunächst getrennt werden.
Bei der Post drohen größere Streiks
Verdi erwartet "konfliktreiche Auseinandersetzung"
Verdi befürchtet über verlängerte Arbeitszeiten einen Stellenabbau "durch die Hintertür" und bereitet sich auf eine "konfliktreiche Auseinandersetzung" vor. Die Streiks könnten auch unbefristet ausgerufen werden, warnte die stellvertretende Vorsitzende Andrea Kocsis. Ihr Gegenpart, Post-Personalvorstand Walter Scheurle, setzt auf Annäherungen: "Wir gehen konstruktiv in die Gespräche."
Für den neuen Post-Vorstandschef Frank Appel werden die Verhandlungen die erste Probe auf einem Terrain, um das er sich bisher nicht zu kümmern hatte. Zu Zeiten des langjährigen Vorstandschefs Klaus Zumwinkel liefen die Verhandlungen zumeist relativ geräuschlos ab. Ebenso wie Appel ist Kocsis - sie trat schon bei der Mindestlohndebatte sehr resolut auf - neu im Amt und muss für ihre Klientel entschlossene Stärke demonstrieren.
Beim Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen geht es um die rund 130.000 Tarifbeschäftigten - Beamte sind unkündbar. Der entsprechende Beschäftigungspakt läuft am 31. März aus. Bisher hat die Post auf ihrem Weg in die Privatisierung keinen Gebrauch von solchen Kündigungen gemacht, sondern Stellen im Wege der "natürlichen Fluktuation" (Ausscheiden aus Altersgründen sowie Wechsel des Arbeitgebers) abgebaut. Nach Angaben der Bundesnetzagentur hat die Post allein im Briefbereich auf diesem Weg im Saldo seit 1999 rund 33.500 Arbeitsplätze gestrichen.
Verdi fordert die Fortschreibung des Ausschlusses von Kündigungen. Post-Vorstand Scheurle erteilte dazu nicht von vorneherein eine Absage: "Ein neuer Beschäftigungspakt wäre aus Sicht des Unternehmens wünschenswert. Voraussetzung ist jedoch eine Balance zwischen Geben und Nehmen."
Beamtenarbeit als Streitpunkt
Für die aktuell noch rund 53.000 Post-Beamten - etwa ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland - will Verdi weiter eine Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche. Diese Sonderregelung bei der Post und mit ihr auch eine monatliche Postzulage für Beamte als Ausgleich für gestrichenes Urlaubsgeld und gekürztes Weihnachtsgeld läuft Ende März aus. Ohne eine Anschlussregelung gilt für die Postbeamten vom 1. April an die 41-Stunden-Woche wie für die übrigen Staatsdiener auch.
Das Post-Management verweist auf diese Rechtslage. Es sei nicht einzusehen, dass bei der Post andere Regelungen gelten sollten als für die übrigen Beamten. Ende 2006 hatte die Post hier noch einmal nachgegeben. Nun sagte Scheurle: "Angesichts der gesetzlich festgelegten Arbeitszeit für die Bundesbeamten können wir hier nicht einfach zur Tagesordnung übergehen."
Verdi will mit aller Macht eine Änderung verhindern. Für die Gewerkschaft liegt es auf der Hand, dass eine Mehrarbeit der Beamten den Personalbedarf verringern würde. Es sei dann mit einem Abbau von 5000 Arbeitsplätzen zu rechnen. Und Verdi befürchtet zusätzlich, dass dann auch die Arbeitszeit der Tarifbeschäftigten (jetzt 38,5 Stunden) nach oben angeglichen werden könnte. Eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 2,5 Stunden entspräche einem Einkommensminus von 6,5 Prozent, sagte Kocsis. Dadurch würden noch einmal ebenfalls 5000 Arbeitsplätze vernichtet werden. "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass es eine Arbeitszeiterhöhung bei der Deutschen Post gibt."
Eine Gehaltsforderung werde die Gewerkschaft erst zu einem späteren Zeitpunkt erheben, sagte Kocsis. Hier kursierten bereits Berichte, in denen ein Plus zwischen fünf und sieben Prozent sowie mögliche Zusatzforderungen genannt wurden. Scheurle mahnte hier zu Zurückhaltung und verwies auf einen schrumpfenden Briefmarkt. "Augenmaß und Realitätssinn sind daher auch für die Tarifverhandlungen das Gebot der Stunde."
Die Post zahlt nach Tarif ohnehin deutlich mehr als den gesetzlichen Mindestlohn von bis zu 9,80 Euro. Sie ist von dem früher befürchteten Einbruch im heimischen Briefgeschäft mit der völligen Öffnung des Marktes zu Jahresanfang zwar verschont geblieben. Der Platzhirsch steht aber in dem personalintensiven Geschäft auch weiter unter Kostendruck, wenn die Gewinne auch künftig die Konzernkasse füllen sollen.
manager-magazin.de mit Material von ap, dpa und ddp.djn