Société Générale Finanzjongleur frei - was weiß Bouton?
Paris - Im Milliardenskandal um Börsenspekulationen bei der französischen Großbank Société Générale (SocGen) hat ein Gericht ein Verfahren gegen den Händler Jérôme Kerviel eingeleitet. Das teilten Kerviels Anwälte am Montagabend in Paris mit. Nach zweitägigem Polizeigewahrsam wurde der 31-Jährige unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Die Staatsanwaltschaft hatte Untersuchungshaft beantragt.
Das Verfahren wurde unter anderem wegen Verdachts auf Fälschung und Vertrauensmissbrauch eröffnet. Die Richter wiesen damit auch den Antrag der Staatsanwaltschaft zurück, wegen Betruges zu ermitteln. Kerviel soll der Bank mit unerlaubten und vertuschten Spekulationen auf den Verlauf von Europas wichtigsten Aktienindizes einen Verlust von fast fünf Milliarden Euro eingehandelt haben. Auf Vertrauensbruch drohen eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren und 750.000 Euro Geldbuße.
Kerviel erklärte gegenüber der Staatsanwaltschaft, bei der SocGen sei es wiederholt zu Verstößen gegen interne Handelsregeln gekommen. In dem vorliegenden Fall habe der 31-Jährige aber allein gehandelt, sagte Staatsanwalt Jean-Claude Marin am Montag. Kerviel hat jüngsten Erkenntnissen zufolge mit fast 50 Milliarden Euro jongliert, was lange Zeit unerkannt blieb.
SocGen-Chef Daniel Bouton bekräftigte unterdessen, sein Rücktrittsangebot liege weiter auf dem Tisch. Er hatte dies bereits in der Vorwoche angeboten, der SocGen-Verwaltungsrat lehnte das aber ab. Ein Anwalt von Kleinaktionären erklärte, er habe die SocGen wegen des Umgangs mit dem Fall verklagt.
Unterdessen sagte Wirtschaftsministerin Christine Lagarde, die zweitgrößte Bank des Landes stehe nicht unter Fusions-Zwang. Nach Bekanntwerden des Betrugsfalls hatte es Spekulationen gegeben, SocGen könne von BNP Paribas übernommen werden. An den Finanzmärkten wurde am Montag zudem spekuliert, die britische HSBC könne an SocGen interessiert sein.
Terminbörse Eurex warnte schon im November
Die Terminbörse Eurex warnte nach Angaben von Staatsanwalt Marin die SocGen schon im November 2007 vor Positionen von Kerviel. Zwar habe die Bank den Händler darauf angesprochen. Kerviel habe aber ein gefälschtes Dokument vorgelegt, das eine Abdeckung der Risiken vorgetäuscht habe. Die SocGen hatte nach eigenen Angaben bis vor zehn Tagen keine Kenntnis von den nicht genehmigten Geschäften. Erst bei einer Befragung seiner Vorgesetzten sei die Sache aufgeflogen.
Kerviel sagte dem Staatsanwalt zufolge zudem, auch seine Kollegen hätten illegale Geschäfte gemacht. Seit Ende 2005 seien wiederholt interne Beschränkungen zum Handelslimit überschritten worden.
In dem vorliegenden Fall habe Kerviel nach eigenen Worten aber allein gehandelt und eingeräumt, seine Geschäfte verschleiert zu haben. Dabei habe der 31-Jährige die Bank nicht schädigen, sondern seine Händler-Reputation aufpolieren wollen. Der Anwalt Kerviels sagte der Nachrichtenagentur Reuters, sein Mandant habe "nicht einen Cent" für sich genommen. Es gehöre nun einmal zur Arbeit von Händlern, dass sie Risiken eingingen.
Verwaltungsrat verkaufte zuvor massiv Aktien
Frankreichs Notenbankchef Christian Noyer erklärte, er habe die Regierung erst mit Verzögerung über den Fall informiert. Damit habe er verhindern wollen, dass durch undichte Stellen vorab Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, während die SocGen die Geschäfte Kerviels nach dessen Suspendierung abgewickelt habe. Er sei am 20. Januar über die Vorfälle informiert worden und habe die Regierung am 23. Januar in Kenntnis gesetzt. Die SocGen hatte über den Fall erstmals am 24. Januar berichtet und erklärt, die Positionen seien am 19. und 20. Januar entdeckt und in den Tagen darauf verkauft worden.
Wie am Montag weiter bekannt wurde, hat ein Verwaltungsratmitglied der Société Générale vor der offiziellen Bekanntgabe der Affäre um nicht genehmigte Milliardenspekulationen massiv Aktien verkauft . Wie die französische Börsenaufsicht AMF mitteilte, stieß das aus den USA stammende Mitglied Robert A. Day am 9. Januar Aktien im Wert von 85,7 Millionen Euro ab.
Am Sonntagabend hatte die Bank erstmals Details offen gelegt. Demnach soll Kerviel Positionen im Wert von etwa 50 Milliarden Euro aufgebaut und durch fiktive Transaktionen verborgen haben. Er habe Hunderttausende verborgene Geschäfte abgewickelt und Absicherungen vorgetäuscht, so dass Verluste dem Anschein nach ausgeglichen worden seien, hieß es. "Der Spiegel" hatte berichtet, Kerviel habe dabei auch eine Riesenwette auf den Dax abgeschlossen. Demnach habe er zu Jahresbeginn schätzungsweise 140.000 Dax-Futures gekauft. Wegen der jüngsten Talfahrt an den Börsen habe die Bank mit den Terminkontrakten aber massive Verluste eingefahren.
manager-magazin.de mit Material von reuters