Bahn-Streik Alles nur ein Missverständnis?
Berlin - Nachdem der 62-stündige Streik im Schienenverkehr Samstagmorgen um 2 Uhr zu Ende ging, will die Deutsche Bahn der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) offenbar ein neues Angebot unterbreiten, um unbefristete Streiks zu verhindern, berichtet der "Spiegel" vorab. Auch "Focus" schreibt unter Berufung auf Konzern-Insider, das Unternehmen wolle der GDL in Kürze einen Kompromissvorschlag vorlegen. Die Bahn wollte sich zu den Angaben nicht äußern.
Grundlage des Angebots soll laut "Spiegel" das Ergebnis der Mediationsrunde mit Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler von Ende August sein. Damals hatte sich die Bahn bereit erklärt, "Tarifverhandlungen zu führen, einerseits mit der GDL mit dem Ziel, einen eigenständigen Tarifvertrag abzuschließen, der Entgelt und Arbeitszeitregelungen für Lokführer umfasst, andererseits mit der Tarifgemeinschaft, um die Entgeltstruktur im Übrigen neu zu regeln".
Damit würde die Bahn mit fast dreimonatiger Verzögerung eine grundlegende Bedingung der GDL erfüllen und ihr einen eigenständigen Tarifvertrag zugestehen. Der Grund für die Verzögerung basiert laut "Spiegel" offenbar auf einem Missverständnis. So überschrieb die GDL ihren Vertragsentwurf nach der Mediationseinigung offenbar mit "Tarifvertrag für das Fahrpersonal".
Daraufhin habe der Bahn-Vorstand die Einigung widerrufen, da der Tarifvertrag lediglich für die Lokführer gelten sollte. Gleichzeitig verlangte die Bahn von der GDL, einen Kooperationsvertrag mit der Konkurrenzgewerkschaft Transnet zu schließen, bevor überhaupt in Tarifverhandlungen eingestiegen werden könne.
Nun aber macht die Bahn einen Kooperationsvertrag zwischen GDL und Transnet laut "Spiegel" nicht mehr zur Bedingung. Ein Bahnsprecher sagte zu dem Bericht am Samstag in Berlin: "Wir möchten uns dazu nicht äußern."
Zurückhaltend reagierte auch die Lokführergewerkschaft GDL auf die Berichte. "Was daran neu sein soll, weiß ich nicht", sagte GDL-Chef Manfred Schell am Samstag in Hofheim bei Frankfurt.
Kommt der unbefristete Streik?
Kommt der unbefristete Streik?
Unterdessen kehrt der Schienenverkehr in Deutschland vorerst zur Normalität zurück. "Der Fernverkehr ist planmäßig gestartet, es gibt kaum Verzögerungen", sagte ein Sprecher der Bahn am Samstag. Auch der Regionalverkehr sei weitestgehend problemlos. "Nur im Süd-Osten und in Nordrhein-Westfalen gibt es noch Beeinträchtigungen." Bis sich die Lage im Güterverkehr normalisiert habe, werde es aber noch einige Zeit dauern.
Die GDL zeigte sich mit dem Streik zufrieden. Richtig erfolgreich sei man aber erst, wenn der Arbeitgeber ein verbessertes Angebot vorlege. Eine Entscheidung über weitere Streiks wurde laut Gewerkschaftschef Schell noch nicht getroffen. Man werde am Montag oder Dienstag darüber entscheiden, ob man in den unbefristeten Streik trete, erklärte Schell am Samstag in Hofheim bei Frankfurt.
Um im Konflikt voranzukommen, forderte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) den Bund zum Einschreiten auf: "Bei einem Unternehmen, das dem Bund zu 100 Prozent gehört, kann die Regierung nicht so tun, als ob sie es nichts angeht, wenn dem Land und der Volkswirtschaft Schaden zugefügt wird."
Treffen in der Talkshow
Auf Kritik stößt indes, dass der GDL-Chef Schell und Bahn-Personalchefin Margret Suckale am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Anne Will" aufeinander treffen werden. Der Vize der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Friedrich (CSU), sagte im Deutschlandradio Kultur: "Eine merkwürdige Situation, dass man bereit ist, sich vor laufende Kameras zu setzen und eine Talkshow zu machen, aber dass man das ernsthafte Gespräch hinter geschlossenen Türen verweigert. Das ist einigermaßen absurd."
Am dritten Streiktag hatte die GDL den Schienenverkehr erneut vor allem in Ostdeutschland weitgehend lahmgelegt. Wie am Vortag fiel ein Großteil der S- und Regionalbahnen in den Ballungszentren aus.
Die Kunden hatten sich aber vorbereitet. Daher blieb größeres Chaos auf Bahnhöfen weitgehend aus. Bei der Wirtschaft hinterließ der Arbeitskampf weniger Spuren als befürchtet. Auto- und Stahlindustrie berichteten von nur geringen Beeinträchtigungen. In den Häfen stauten sich allerdings zahlreiche Container.
Die GDL will einen eigenständigen Tarifvertrag und eine deutliche Einkommenserhöhung für die Lokführer durchsetzen. Die Bahn hat bislang abgelehnt, ein von der GDL gefordertes verbessertes Angebot vorzulegen.
manager-magazin.de mit Material von dpa und reuters