Bahn-Streik Neues Ultimatum der Lokführer
Berlin - Noch vor dem Ende des größten Bahnstreiks der deutschen Geschichte hat die Gewerkschaft GDL ein neues Ultimatum gestellt. Lege die Bahn bis Montag kein frisches Angebot vor, seien schon nächste Woche weitere Arbeitsniederlegungen möglich, drohte GDL-Vize Claus Weselsky am Freitag in Frankfurt.
In ganz Deutschland war der Zugverkehr durch den Arbeitskampf erneut massiv beeinträchtigt, Millionen Pendler und Reisende wurden auf eine Geduldsprobe gestellt. Die Auswirkungen des Streiks im Güterverkehr auf die Wirtschaft waren allerdings in den meisten Bereichen nicht so drastisch wie befürchtet. Der Ausstand sollte in der Nacht zum Samstag zu Ende gehen.
Ein dringender Appell von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, beide Tarifparteien müssten schon am Wochenende an den Verhandlungstisch zurückkehren, verhallte zunächst. Wann neue Gespräche stattfänden, habe der Konzernvorstand in der Hand, sagte Weselsky. Dazu sei ein neuer Tarifvorschlag nötig.
Bis einschließlich Montag wolle die GDL auf weitere Blockaden verzichten, dann werde über das weitere Vorgehen beraten. Zur Frage unbefristeter Streiks wollte sich Weselsky nicht festlegen. Die Arbeitskämpfe würden jedoch immer länger werden, warnte er. Bis Weihnachten werde der Tarifkonflikt allerdings gelöst sein. Nach einem "Bild"-Bericht reicht die Streikkasse der GDL bis Februar.
Am stärksten bekam erneut Ostdeutschland den Ausstand zu spüren, wo nach Bahn-Angaben nur 25 bis 30 Prozent der Züge fuhren. Im Westen waren es demnach 50 bis 80 Prozent. Im Fernverkehr kamen zwei Drittel der Züge zum Einsatz, vor allem ICEs. Starke Beeinträchtigungen gab es wieder im S-Bahnverkehr in München, Frankfurt und Stuttgart. In Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen fuhr dagegen nach Konzernangaben rund die Hälfte der S-Bahnen. Bis Freitag traten laut GDL rund 6800 Lokführer in den Ausstand.
Auf den Straßen war die Lage deutlich entspannter als am Vortag. "Wir können uns das nur so erklären, dass viele Leute heute freigenommen haben", sagte Otto Saalmann vom ADAC. Am Donnerstag seien die Staus um die Großstädte noch auf bis zu 20 Kilometer angewachsen. Am Freitag seien sie mit fünf bis sechs Kilometern normal gewesen. Viele Bürger nutzten wohl die Gelegenheit für ein langes Wochenende. Auch in U-Bahnen und Bussen wirkte die Situation entspannter.
Die Bahn warnte, die Versorgungslage vor allem in Ostdeutschland entwickle sich dramatisch. Der Güterverkehr dort sei fast komplett zum Erliegen gekommen. Stahltransporte von mehreren tausend Tonnen aus den saarländischen Werken würden inzwischen von polnischen Spediteuren gefahren.
Die Produktion der Autokonzerne in Deutschland lief dennoch weitgehend reibungslos. Nur das Audi-Werk in Brüssel ist mangels Nachschubs an Karosserieteilen bis Montag lahmgelegt.
Beim Stahlkonzern Salzgitter verzögerten sich die Rohstofflieferungen, die Produktion lief weiter. Der zweitgrößte deutsche Stahlkocher erklärte, er habe seine Reserven noch nicht angreifen müssen. Beim Automobilzulieferer Bosch gab es keine Engpässe. Das Unternehmen habe sich seit Monaten vorbereitet sowie mit Zulieferern und Kunden gesprochen, sagte ein Sprecher. Firmen mit Engpässen bei der Anlieferung oder beim Versand hätten dies offensichtlich versäumt. Der Einzelhandel klagte über Kundenschwund in den Innenstädten und Bahnhofsgeschäften. Das Weihnachtsgeschäft sei bedroht.
Hamburger Hafen braucht eine Woche zur Erholung
Im Hamburger Hafen hat der Ausstand der Lokführer am Freitag zu erheblichen Einschränkungen geführt. "Die Lage war zeitweise angespannt, aber das befürchtete Chaos ist ausgeblieben", sagte der Geschäftsführer der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), Hans Dücker, am Freitag. Am größten Bahncontainer-Umschlagplatz Europas seien seit Beginn des Streiks am Mittwoch rund die Hälfte der täglich 200 Güterzüge ganz ausgefallen oder verspätet abgefertigt worden.
Die HPA geht davon aus, dass es nach dem Streikende am Samstag etwa eine Woche dauern wird, bis sich der Bahnverkehr im Hafen wieder normalisiert hat. Im Hamburger Hafen werden pro Tag etwa 6000 Container per Bahn umgeschlagen. 30 Prozent des Gesamtumschlags erfolgt mit der Bahn, im Fernverkehr werden 70 Prozent der Container auf der Schiene befördert.
manager-magazin.de mit Material von reuters und ddp