Finanzkrise "Flucht in gute Risiken"
mm.de: Herr Nick, wie wirkt sich die Krise am Kreditmarkt, die die deutschen Banken erheblich in Mitleidenschaft zieht, auf die Unternehmensfinanzierungen aus?
Nick: Die jetzige Situation im Kreditmarkt ist ja zunächst verursacht durch eine umfassende Neubewertung des Preises für Risiko, ausgehend vom Markt für nachrangige US-Hypothekendarlehen, und verschärft durch die mangelnde Transparenz innerhalb des Finanzsektors im Hinblick auf verborgene Risiken. Insofern haben wir keine umfassende Krise bei der Unternehmensfinanzierung. Allerdings differenzieren Kreditgeber derzeit wieder sehr viel stärker nach der Kreditqualität.
mm.de: Was zu einer Verschlechterung der Kreditkonditionen für die Unternehmen führt?
Nick: Zunächst haben große Banken in nennenswertem Umfang Finanzierungen auf die Bücher genommen, deren Konditionen nicht mehr marktgerecht sind und die deshalb nicht oder nur zu erheblichen Abschlägen weiterplatziert werden können. Deshalb ist die Pipeline insbesondere für größere schuldenfinanzierte Unternehmenskäufe, sogenannte Leveraged-Buyout-Finanzierungen (LBO), zunächst verstopft.
Künftige LBO-Finanzierungen werden mit niedrigeren Verschuldungen und höheren Sicherheitenpaketen auskommen müssen. Aber vor allem Unternehmen mit guter Kreditqualität, also niedriger Verschuldung, hohem Cashflow und gutem Rating, werden von der derzeitigen Situation auf den Kredit- und Anleihenmärkten sogar profitieren.
mm.de: Warum nutzen Kreditgeber nicht die Situation, um die Zinsen für alle anzuheben?
Nick: Weil wir es mit einer umfassenden Neubewertung des Kreditausfallrisikos zu tun haben. Die damit verbundene Ausweitung der Spreads, also der vom individuellen Risikoprofil bestimmten Zinsaufschläge, vollzieht sich nicht linear, sondern stark proportional zum jeweiligen Rating. Man kann auch sagen: Es gibt bei den Gläubigern eine Art Flucht in gute Risiken.
"Good Company - Bad Balance Sheet"
mm.de: Verkaufen die Banken in diesem Prozess nun verstärkt Kreditportfolien und einzelne Kredite an Finanzinvestoren?
Nick: Die Banken müssen das Problem der nicht mehr marktgerecht gepreisten LBO-Kredite in ihren Büchern lösen, am besten bis zum Jahresende, um das Vertrauen im und in den Finanzsektor entweder durch Wertberichtigungen auf die eigenen Bücher oder durch Verkauf der Forderungen mit entsprechenden Abschlägen wiederherzustellen.
mm.de: Ziehen Investoren also auch aus der Krise Gewinne?
Nick: Derzeit befinden wir uns in einem Prozess, an dessen Ende ein neues Gleichgewicht bei der Bepreisung von Risiken stehen wird. Da es in solchen Neubewertungsprozessen, hier des Marktpreises für Risiko, auch zu Übertreibungen kommt, sehen andere Marktteilnehmer eine Chance, hier zu teilweise hohen Abschlägen Kredite zu erwerben und damit über die Zeit hohe Renditen zu erzielen. Derzeit sammeln zahlreiche Investoren Geld ein, um genau darin zu investieren. Insofern sehen wir die positiven Selbststabilisierungskräfte des Marktes in voller Wirkung.
mm.de: Wird die veränderte Situation an den Kreditmärkten zu einer Bereinigung unter den Beteiligungsgesellschaften führen?
Nick: Die teilweise überhöhten Finanzierungspakete der letzten Jahre sind den Private-Equity-Häusern ja förmlich aufgedrängt worden. Damit ist es sicherlich für längere Zeit vorbei. Dadurch werden auch die Bewertungen und die Renditen eine Korrektur nach unten erfahren. Statt reinem Financial Engineering wird die Wertsteigerung durch strategische Neupositionierung und Wachstum wieder viel mehr im Vordergrund stehen, und hier werden sich die einzelnen Private-Equity-Häuser stärker differenzieren. Und natürlich werden auch strategische Investoren als Bieter wieder wettbewerbsfähiger.
mm.de: Gilt dies für große wie kleine Unternehmen?
Nick: Im Bereich Mid und Small Caps ist der Effekt nicht so stark wie bei Large-Cap-Transaktionen, die ja in der Regel noch viel mehr vom reinen Finanz-Engineering leben. Im Mid Cap gibt es weiterhin erfolgreich abgeschlossene Transaktionen und laufende Projekte - auch und gerade mit Finanzinvestoren.
mm.de: Was kommt auf diejenigen Unternehmen jetzt zu, deren Verschuldung sehr hoch ist, auch durch das sogenannte Financial Engineering von manchen Finanzinvestoren?
Nick: Wir werden sicher vermehrt ein Phänomen sehen, das sich als "Good Company - Bad Balance Sheet" beschreiben lässt, also Situationen, wo nicht operative Probleme, sondern die zu hohe Verschuldung aus einem LBO die Ursache einer Krise wird.