EADS/Airbus Paradoxes Fliegen
Paris/Moskau - Beißt der Kreml bei Airbus auf Granit? Wiederholt hatte die russische Regierung in den vergangenen Monaten angeboten, sich bei der EADS-Tochter Airbus stärker einzubringen. Gegenüber manager-magazin.de beklagte der stellvertretende Regierungssprecher Dmitri Peskow bereits im Februar: "Unsere Vorschläge, einen Technologietransfer aufzubauen und die Kooperation auch auf Managementebene zu installieren, scheint bei EADS derzeit keine Unterstützung zu finden."
Dabei ist es offensichtlich geblieben. Zu Beginn der Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris hatte Oleg Demschenko am Dienstag zumindest verbal noch einen Vorstoß unternommen: "Wir sind bereit, mehr zu übernehmen, doch die Zeit läuft uns davon", erklärte der Präsident des russischen Flugzeugbaukonzerns Irkut auf die Frage, ob Russland sein EADS-Aktienpaket aufstocken wolle.
Tags darauf erklärte die staatliche Vneshtorgbank (VTB), der 5,02 Prozent an EADS gehören, sie werde das Paket verkaufen, sobald der Aktienkurs in gewinnbringende Regionen steige. Die Gewinnvoraussetzung war am Dienstag nach einem erneuten EADS-Kursanstieg möglicherweise bereits erfüllt: Bei einem Schlusskurs von 24,23 Euro erreichte die Marktkapitalisierung von EADS knapp 20 Milliarden Euro. Die kolportierte Milliarde Euro, die die Russen bei ihrem Einstieg in den Luft- und Raumfahrtkonzern im vergangenen August investierten, könnten sie bereits wieder erlösen.
Verkaufswille und Einkaufsidee?
Auf der Luftfahrtmesse in Le Bourget spekulierten Branchenexperten nun aber, dass die Verkaufsankündigung aus Russland möglicherweise nicht ganz ernst gemeint sei, sondern einen anderen Zweck verfolgt. Den Verkauf eines 5-Prozent-Pakets verkraftet kaum eine Aktie, ohne dass der Kurs unter Druck gerät. Diesen Effekt fürchtend könnten sich EADS-Eigner aus dem Freefloat (der lediglich 30,7 Prozent der Aktien umfasst) ihrerseits zum Verkauf entschließen. Der Kurs fiele - und die VTB hätte die Chance, günstig Aktien nachzuordern. Mit dem Ausbau des Aktienpakets könnte Russland sich Hoffnungen machen, doch noch einen Sitz im Verwaltungsrat zu erhalten - was dem Aktionär bisher aufgrund der EADS-Statuten verwehrt blieb.
Kocht der russische Aktionär also sein eigenes Süppchen? "Es ist unerheblich, wie hoch der Anteil eines einzelnen Investors ist, die Verteilung der Sitze im Verwaltungsrat ist von den Gründungsaktionären von EADS festgeschrieben worden", entgegnet Konzernsprecher Gregor Kursell auf Nachfrage von manager-magazin.de. Allerdings hat Frankreichs neuer Präsident Nicolas Sarkozy bereits angekündigt, dass er die EADS-Statuten ändern wolle. Der Aktionärspakt könne in der gegenwärtigen Form nicht weiter bestehen, die deutsch-französische Doppelspitze müsse verändert werden, so Sarkozy. Die Regierung in Berlin, mit Frankreich bisher gleich starke Kraft bei EADS, möchte den Status quo allerdings nicht aufheben.
Zusammenarbeit mit Russland nicht tangiert
Die Zusammenarbeit mit russischen Partnern, zu der es bereits diverse Projekte gebe, sei von der Ankündigung des Aktionärs VTB auch nicht tangiert, sagte EADS-Sprecher Kursell. Erst am Dienstag habe ein im Dezember 2006 gegründeter Arbeitskreis mit Vertretern von Airbus und dem staatlichen russischen Luftfahrtbündnis UAC zum Projekt A350 XWB getagt.
Hier geht es um ein RRSP-Projekt (Risk and Revenue Sharing Partnership), bei dem die UAC nicht nur als reiner Zulieferer für das Langstreckenmodell vorgesehen ist, sondern auch als Investor in die Produktion einsteigt. Als Programmpartner wäre die UAC später auch an den A350-Gewinnen beteiligt, wenn es zu dem Partnerprojekt kommt. Ein passender Termin, um Ergebnisse der Verhandlungen zu präsentieren, wäre die Moscow Air Show, die am 21. August beginnt.
Airbus-Chef Louis Gallois sagte jedenfalls bereits in Le Bourget, mit dem Vertrag von Aeroflot im Volumen von 2,4 Milliarden Euro (Listenpreis) werde die langjährige Partnerschaft bis weit in die Zukunft hinein fortgesetzt. Vor zehn Tagen hatte Aeroflot bereits den Kauf von 22 Dreamlinern des Konkurrenten Boeing bekannt gegeben.
Europas Spitzentechnik im Suchoj-Jet
Europas Spitzentechnik im Sukhoi-Jet
Auch der kanadische Bombardier-Konzern möchte gern am A350 XWB mitarbeiten. Man könnte Rumpf- oder Flügelteile fertigen, sagte der Chef der Bombardier Aerospace, Pierre Beaudouin, der Pariser Finanzzeitung "La Tribune". Umgekehrt könnte Airbus an Bombardiers geplantem Regionaljet der C-Serie mitwirken.
Dass in Russland nicht nur Partner, sondern auch Konkurrenten für Airbus und Boeing wachsen, beweist der russische Anbieter Sukhoi. Er zeigte auf der Messe bei Paris den "Superjet 100" für 95 bis 105 Passagiere, der den Konkurrenzflugzeugen von Bombardier und Embraer um eine Generation voraus ist.
Am Mittwoch verkauften die Russen zehn Superjet 100 für 283 Millionen Dollar an Itali Airlines, 76 Maschinen hatte Sukhoi zuvor schon in Russland verkauft; Ende 2008 will Aeroflot die erste Maschine einsetzen.
A350 XWB contra Dreamliner - Airbus holt auf
Der Superjet 100 ist - wie die Boeing 787 - mit Software von Dassault Systèmes entworfen, besteht weitgehend aus Verbundstoffen und ist in der Avionik nach Experteneinschätzung das Nonplusultra. Hilfe bekamen die Russen dabei vom französischen Elektronikspezialisten Thales, der auch Boeing und Airbus beliefert, und vom italienischen Boeing-Systemlieferanten Finmeccanica, dessen Tochter Alenia mit 25 Prozent plus einer Aktie bei Sukhoi einsteigen will. Für den Superjet verlangt Sukhoi 26 bis 28 Millionen Dollar. Ein Konkurrenzmodell wie die Embraer 190 kostet 32,5 Millionen Dollar, Bombardiers CRJ 1000 sogar 47 Millionen.
Das Prestigeduell um Neuaufträge für die modernsten Langstreckenjets trägt Airbus allerdings mit Boeing aus. In diesem Zweikampf punktete Airbus am Mittwoch weiter: Neben dem Aeroflot-Auftrag unterzeichneten die libysche Afriqiyah Airways und die indische Kingfisher Airlines Kaufabsichtserklärungen für weitere 21 Maschinen des Typs A350. Am Vortag zog Boeing 50 Festbestellungen für seinen Dreamliner an Land. Zu Beginn der Messe am Montag hatte wiederum Airbus mit 90 Orders für den A350 den Tagessieg geholt.
Alte Aufträge mitgerechnet steht es jetzt 647 für Boeing zu 127 für den A350 XWB. Hauptgrund für den Rückstand: Der neue Airbus geht erst ab 2013 an die Kunden, fünf Jahre später als das US-Fabrikat. Beide Maschinen sind die ersten auf dem Markt, die zum großen Teil aus Kunststoff gefertigt werden, wodurch sie leichter und sparsamer werden als die heutigen Modelle.
manager-magazin.de mit Material von ap, dpa