Heros Auf der Suche nach dem Geld
Berlin - Die Aussage des Finanzermittlers Carsten M. beim Heros-Prozess vor dem Landgericht Hildesheim war eindeutig: "Die Spur des Geldes verliert sich. Wir können nicht nachvollziehen, was damit passiert ist."
Der Beamte meinte in diesem Fall eine Barabhebung durch den früheren Chef des Geldtransportunternehmens, Karl-Heinz Weis, in Höhe von 588.000 Euro. Seine Feststellung trifft allerdings auch auf einen großen Teil der ursprünglich veruntreuten 540 Millionen Euro an Kundengeldern zu. Ein Jahr nach der Verhaftung von Firmenchef Weis und drei seiner Manager stehen die Herren derzeit wegen des Verdachts der Untreue vor Gericht - und die Ermittler weiter vor einem Rätsel. Mehrstellige Millionenbeträge sind bis heute verschwunden.
So unübersichtlich waren die Heros-Strukturen, dass die Fahnder nicht einmal wissen, wie viel Geld fehlt. Überzeugt sind sie aber davon, dass Weis große Summen beiseite geschafft hat. Ein Kripo-Mann stöhnt: "Es können 15, 40 oder 60 Millionen sein, eventuell auch noch mehr."
Dass Weis seinen Abtritt exakt geplant haben könnte, ahnten Ermittler, als sie am 17. Februar 2006 vor dessen Villa in Hannover standen, um ihn festzunehmen. Weis, so ein Beamter, habe sie mit den Worten begrüßt: "Willkommen im Haus meiner Frau." Der Satz war wohl Programm. Auf die Frage, was Weis an Immobilien gehörte, sagte Ermittler M.: "Es ist nichts da." Auch auf Bankkonten fanden sich keine großen Beträge. Nach 25 Jahren an der Spitze eines Unternehmens, das am Ende rund eine Milliarde Euro am Tag bewegte, besaß Weis offiziell kaum etwas, was ihm Richter nehmen könnten.
Ironischerweise profitiert Weis von dem gewaltigen Umfang der Betrügereien bei Heros. Seit Mitte der 80er-Jahre hatte der frühere Autoverkäufer Kundengelder veruntreut, in rasch wachsendem Umfang. Teils floss das Geld in die Firma, um Verluste auszugleichen, teils wurde es auf fragwürdige Art umgeleitet. So ließ Weis sich von 1995 bis 2001 aus Kundenbeständen 36 Millionen Euro schicken. Das Geld zahlte er als Darlehen auf Heros-Konten ein. Ratenweise ließ er sich das Geld auf sein eigenes Konto "zurückzahlen".
Offene Kassen
Offene Kassen
Auch einige seiner Manager griffen zu. Der eine verzockte Millionen im Casino, der andere hielt in einem Dorf in Bulgarien Hof, spendierte eine Straße und ein Umspannwerk. Der Klau uferte aus. Einfache Angestellte merkten was lief und bedienten sich auch. Mal verschwand eine Geldkiste mit fünf Millionen Mark, mal ließ eine Prokuristin 2,5 Millionen Euro mitgehen. Und Weis bestach Mitarbeiter von Auftraggebern. Die so entstandenen Lücken deckte der Firmenchef mit Kundengeldern.
Am Ende ließen der Heros-Chef und seine Vertrauten ganze Wagenladungen von Geld kreuz und quer durch Deutschland transportieren. Diese illegalen Geldströme wurden kaum dokumentiert. Ex-Prokurist Bernd K. etwa gibt zu, hohe Summen von Viersen aus nach Hannover transportiert zu haben. Dort habe er das Geld der Heros-Finanzgewaltigen Anneliese Th. ausgehändigt. Die Frau erinnert sich, dass da etwas war. Aber was genau? Wann? Wie viel Geld? Was damit geschah? Die Fragen blieben offen. Die Spur des Geldes verläuft sich im scheinbaren Chaos bei Heros. Ein weiteres Problem der Ermittler ist, dass auch Wissensträger zugegriffen haben und selber mit Verfolgung rechnen müssen. Insidertipps sind bisher Mangelware.
Hinweise von außen führten nicht zu Erfolg. So schrieb ein Unbekannter der Kripo gleich nach dem Heros-Crash: "Karl-Heinz Weis soll im Februar dieses Jahres in Vilnius, Litauen, gesehen worden sein, als jener die Hansa Bank verließ, sichtbar mit viel gebündeltem Bargeld und in Begleitung von vier schwarz gekleideten Russen." Er habe das Geld in einem Porsche Cayenne mit hannoverschem Kennzeichen verstaut. Ein Beweis dafür fehlt. Dann wurde Weis mit einem Koffer in der Schweiz gesehen. Dass er in Dubai war, gibt er zu: Er habe einen Investor für sein marodes Unternehmen gesucht. "Eine schöne Erklärung", kommentiert ein Ex-Heros-Mitarbeiter, "genauso gut kann er dort Bargeld und Schmuck deponiert haben. Das findet dann garantiert niemand."
Immerhin konnten die Ermittler das Märchen erschüttern, Weis habe vor allem für sein Unternehmen veruntreut. Detailliert berichtete ein Beamter vor Gericht, wie Weis Geld, das laut Scheck für Heros gedacht war, auf ein privates Konto lenkte. Von dort ging es an Ehefrau Ingrid und an seine beiden Töchter. Häufig floss Geld so über deren Schweizer Konten nach Spanien und diente dort dem Kauf von Immobilien. 20 Grundstücke, Häuser und Wohnungen schreiben die Ermittler dem Weis-Clan zu. Nur Karl-Heinz Weis besitzt nichts. Selbst das Haus in dem er lebte, hat er schon vor Jahren seiner Ehefrau überschrieben.
Einsitzen und Aussitzen
Einsitzen und Aussitzen
Ähnlich verhält es sich mit dem Fahrzeugpark der Familie, zu dem 70 Wagen, vom Porsche bis zum Mini Cooper, gehörten. Auf Frau Weis waren 40 zugelassen, auf ihre Töchter jeweils etwa ein Dutzend. Karl-Heinz Weis konnten Beamte nur einen Bentley zuschreiben.
Unbestritten dagegen sind großzügige Einkäufe von Weis bei Edeljuwelieren in Hannover und am Timmendorfer Strand. Allein im Jahr 2005 habe er, so Ermittler, Uhren und Feuerzeuge für 600.000 Euro gekauft und in bar bezahlt. Entsprechende Abhebungen von Privatkonten habe es nicht gegeben.
Weis schweigt zum Finanzkomplex. Auch dem Verwalter seiner Privatinsolvenz, Rainer M. Bähr, verweigert Weis jegliche Kooperation. "Der sitzt das aus und genießt nach der Haft sein Geld", orakelt ein Prozessbeobachter. Dann stutzt er kurz und fügt hinzu: "Aber wenn er Pech hat, bekommt er es dann mit Geldjägern aus der Unterwelt zu tun."
manager-magazin.de mit Material von ddp