Deutsche Telekom Die Gummibärchen-Offensive
Berlin Sieben Fotografen und mindestens ebenso viele TV-Kameras richten ihre Objektive auf das Rednerpult in der Berliner Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom. Sie warten auf den wichtigsten Protagonisten des heutigen Tages.
Doch als der Mann mit dem dunkelblauen Anzug und der roten Krawatte den Saal betritt, geht er zunächst nicht zum Podium. René Obermann setzt sich auf einen Stuhl inmitten der Journalisten. Obermann zeigt Nähe, plaudert angeregt. Dabei blickt er ernst in Richtung der Kameraleute, die Stirn leicht gerunzelt. Auf zahlreichen Glastischen im Publikum gibt es Schälchen mit Haribo Colorado Lakritz und Goldbären für die Zuhörer. Süße Appetithäppchen in harten Zeiten.
Mit freundlichem Lächeln hält sich Obermann zurück, das könnte in Zeiten von Gewinnwarnung und massivem Kundenverlust im Festnetzgeschäft wohl das falsche Signal sein. Nach einigen Minuten der Tuchfühlung schreitet er zum Rednerpult.
Obermann: Anschlussverlust ist nicht zu stoppen
Ohne das unschöne Wort Gewinnwarnung zu verwenden, bezieht Obermann gleich zu Beginn Stellung zu den aktuellen Vorkommnissen bei der Telekom. Anfang der Woche war der Kurs der T-Aktie dramatisch eingebrochen. Das neue Führungsteam habe sich in den vergangenen Wochen "sehr intensiv mit der Marktentwicklung auseinandergesetzt" und ein "deutlich verschärftes Wettbewerbsumfeld" festgestellt. "Das Ergebnis kennen Sie", sagt Obermann und meint die Gewinnwarnung. "Dieser Schritt war notwendig, und er musste zügig erfolgen."
Eine weitere Ergebniskorrektur solle es in diesem Jahr nicht geben, sagt Obermann auf späteres Nachfragen "das wäre für uns nicht nur unangenehm, sondern auch sehr, sehr schädlich". Er sei zuversichtlich, das angestrebte Ebitda-Ziel von 19 Milliarden Euro zu erreichen.
Es sei auch das Ziel des Vorstandes, das Dividendenniveau des Vorjahres zu halten die Entscheidung liege jedoch letztlich beim Aufsichtsrat. Damit widersprach Obermann indirekt einem Bericht des "Handelsblatts", wonach die Aktionäre mit einer niedrigeren Dividende als geplant zu rechnen hätten.
Obermann widersprach auch Spekulationen, die Sparten T-Com und T-Mobile würden sukzessive fusioniert. Es mache keinen Sinn, bereichsspezifische Kompetenzen aufzulösen. Vielmehr gehe es darum, "vertriebliche Oberflächen zu integrieren". Kürzlich hatte das Unternehmen angekündigt, Service und Vertrieb im Privatkundengeschäft künftig spartenübergreifend zu koordinieren.
200 neue T-Punkte
200 neue T-Punkte
Auch das Thema Kundenschwund im Festnetzbereich erwähnt er: Das Geschäft sei nun einmal streng reguliert. "Und Regulierung hat das Ziel, dass der Ex-Monopolist Marktanteile abgibt." Gewiss, man wolle dem massenhaften Exodus der Telekom-Festnetzkunden entgegenwirken. "Den Anschlussverlust komplett zu stoppen", so Obermann, "ist nicht realistisch". Die klassische Telefonie sei für die Telekom heute "Brot und Butter". Doch künftig werde auf dem Markt für Breitbandanschlüsse entschieden, wer als Telekommunikationsanbieter bestehen kann.
Über die künftige Strategie wolle er heute nicht sprechen, gibt der Telekom-Chef bekannt lieber möchte sich Obermann mit seinem Lieblingsthema beschäftigen: Wie man den Service bei der Telekom verbessern kann, um "das bestangesehene Dienstleistungsunternehmen der Branche zu werden". An diesem Ziel ließe sich die komplette Führungsmannschaft inklusive CEO messen. "Dass wir dieses Ziel erreichen werden, daran habe ich keinen Zweifel", sagt Obermann. Dabei huscht erstmals so etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht. "Dafür werden wir kämpfen", ruft Obermann ins Mikrofon.
Der Telekom-Chef ist hoch konzentriert, spricht engagiert, aber besonnen. Versprecher leistet er sich nicht. Service solle für das Unternehmen zum Umsatz- und Renditebringer werden, fordert Obermann. Man könne einen Kunden, der am Wochenende Probleme mit seinem Multimedia-Breitbandanschluss habe, nicht mit der Aussage vertrösten: "Kein Problem, wir kommen dann nächste Woche". Um mehr Nähe zum Kunden zu gewinnen, plane die Telekom 200 neue T-Punkte mit rund 1500 Mitarbeitern. Derzeit liegt die Zahl der Geschäfte bei rund 600.
Gleichzeitig will die Telekom 45.000 Service-Mitarbeiter ausgliedern, flexiblere Arbeitszeiten durchsetzen und deshalb bald Gespräche mit Arbeitnehmervertretern aufnehmen. Gegenüber manager-magazin.de erklärt Obermann: "Wir stehen unter hohem Reformdruck, und wir müssen zügig in konstruktive Gespräche mit den Arbeitnehmern treten." Er gehe davon aus, dass beim Sozialpartner Verständnis für die Anliegen der Konzernführung bestehe.
Am Ende seiner Brot-und-Butter-Rede setzt sich Obermann wieder ins Publikum und genehmigt sich erst mal ein Gummibärchen. Genüsslich kauend beobachtet er den Auftritt seines engen Vertrauten, dem neuen T-Com-Chef Timotheus Höttges. Ihm kommt die Aufgabe zu, Klartext zu reden.
Rund um die Uhr erreichbar
Rund um die Uhr erreichbar
Eine "Hochglanzpräsentation neuer Produkte" werde er diesmal nicht vorlegen, sagt Höttges. Stattdessen zeigt er Versäumnisse und Probleme des ehemaligen Staatskonzerns auf damit rechnet er wohl insgeheim auch mit dem früheren Management ab. "Wir liefern heute nicht die Qualität, die der Kunde von uns erwartet", erklärt der T-Com-Chef. Es gebe hohe Wartezeiten beim telefonischen Service, außerdem Warteschlangen in den T-Punkten. Mehr noch: Die Termine, die mit den Kunden abgesprochen seien etwa zur Installation von DSL-Anschlüssen "können wir vielfach nicht einhalten".
Höttges will erreichen, dass Kunden schon beim ersten Anruf über die Servicehotline adäquat versorgt werden sodass sie durch weitere Anrufe nicht die Leitung blockieren. Zudem fordert der T-Com-Chef, wie zuvor bereits Obermann, flexiblere Zeiten innerhalb des Telekom-Konzerns: "Wir müssen uns am Kunden ausrichten und nicht daran, wann wir arbeiten wollen." Künftig solle die Telekom an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr erreichbar sein.
Bezüglich der geplanten Ausgliederung von Callcentern erklärte Höttges: "Outsourcing ist ein Weg, den wir brauchen er ist aber kein Muss." Die Leistungen der Callcenter-Mitarbeiter werde ständig mir denen anderer Dienstleister verglichen hinsichtlich Erreichbarkeit oder rascher Problemlösung. Gegenüber manager-magazin.de sagte Höttges: Wenn die Callcenter in der Lage seien, das Niveau der Konkurrenten zu erreichen, "dann gibt es keinen Grund für Outsourcing". Diese Tatsache wolle er "gnadenlos transparent machen".
Höttges plant gezielte Rückgewinnungsmaßnahmen für abtrünnige Telekom-Kunden "proaktive Kampagnen" und "Loyalitätsprogramme", wie er es nennt. Beispielsweise sollen Verbraucher, die immer weniger über die Telekom telefonieren oder bereits gekündigt haben, gezielt angesprochen und mit Treueangeboten wieder ans Unternehmen gebunden werden. Momentan werde auch ein Vorteilsangebot für Geschäftskunden vorbereitet.
Auch weitere Preissenkungen will die Telekom nicht ausschließen. Zwar betont T-Com-Chef Höttges: "Wir werden nicht der billigste Anbieter in Deutschland sein wir differenzieren uns über Service." Doch insbesondere im DSL-Bereich müsse ein dauerhaft wettbewerbsfähiges Preisniveau erreicht werden. "Wenn der Markt in Bewegung bleibt", so Höttges, "dann werden wir uns entsprechend anpassen".
Zum Schluss eilen die Telekom-Vorstände zielstrebig aus dem Saal. Ihre Zeit ist knapp. CEO Obermann läuft diesmal an den Gummibärchen-Schalen vorbei. Das meiste war sowieso schon aufgegessen.