EADS Airbus vor Schicksalsjahr
Paris Für Airbus geht es 2007 "ums Eingemachte": Wo wird Airbus künftig was fertigen? Wird das deutsch-französische Gleichgewicht beim weiteren Rückzug von DaimlerChrysler gesichert? Kann die neue Führung Strukturreform auch gegen mächtigen politischen Druck durchsetzen? Und kann Airbus dabei Anschluss an den Rivalen Boeing halten, der 2006 bei den Aufträgen wieder an den Europäern vorbeigezogen ist?
Mit der Übergabe der ersten Maschine an Singapore Airlines im Herbst soll die A380 im Herbst 2007 endlich den Liniendienst aufnehmen - ein Jahr später als noch im Sommer geplant. Der Super-Airbus für 555 Passagiere steht mit seiner Teilfinanzierung über Staatskredite, den Doppelstrukturen in der Fertigung in Hamburg und Toulouse, Personalquerelen und "Parallelhierarchie" in Hamburg aber schon für die Vergangenheit des europäischen Flugzeugbauers. Der "Kabelsalat" beim A380 hat allen gezeigt, wie unzureichend Hamburg und Toulouse vom Werkzeug bis zum Informationsfluss integriert sind.
Die Zukunft heißt Power8, A350 und A320-Neu, und sie beginnt jetzt. In den kommenden Wochen muss Airbus die große Reform der Fertigungsstrukturen in Angriff nehmen, die im Effizienzprogramm Power8 angerissen wird. Gleichzeitig müssen für die Entwicklung des Langstreckenjets A350 die Verträge mit Zulieferern und Risikopartnern von China bis zu den USA abgestimmt werden. Beides gehört untrennbar zusammen. Und beides entscheidet über langfristige Arbeitsplätze von Buxtehude und Varel bis Toulouse und Meaulte. Denn die A350 für 270 bis 350 Passagiere soll zur Hälfte im "Dollarraum" gefertigt werden. Das soll Kosten sparen und vor Währungsschwankungen schützen.
Dazu kommen 2007 zentrale Vorentscheidungen für den Nachfolger der A320, die dafür gesorgt hat, dass 2006 trotz aller Krisen das zweitbeste Jahr der Airbus-Geschichte wurde. Fast 600 der 694 Verkäufe entfielen auf die A320-Familie und sorgten dafür, dass Boeing mit 904 Verkäufen nicht unerreichbar entflog. Doch für 2013 peilt Boeing eine neue 737 an - ein Frontalangriff auf die A320. Auch wenn man bei Airbus noch nicht gerne darüber spricht: Die Europäer müssen sich schnell vor einem Wegbrechen ihres Hauptmarktes wappnen. Erste Ingenieurteams arbeiten im Stillen schon an der A320-Neu.
Belastungstest für das Management
Belastungstest für das Management
Mit der Strukturreform will Airbus nachholen, was Boeing längst hinter sich hat. In den vergangenen Jahren hat der Erzrivale aus den USA Titanenarbeit geleistet, sich von Werken getrennt und die Belegschaft auf 54.000 halbiert. Jetzt brauchen die Amerikaner für den Bau von Verkehrsjets weniger Leute und nur halb so viel Werke wie Airbus.
Entwicklungs- und Fertigungsarbeiten wurden nach Italien zu Finmeccanica nach Japan ausgelagert. Genauso will Airbus jetzt mehr Partner aus Russland, Süd- und Ostasien und Amerika einbinden. Das bringt Herausforderungen für die Werke von Nantes bis Nordenham und wird überall Politik und Gewerkschaften auf den Plan rufen.
2007 wird damit ein harter Belastungstest für das neue Management, das weniger deutsch und mehr französisch geworden ist. 2006 hatte die A380-Krise zum Sturz des deutschen Airbus-Chefs Gustav Humbert und seines französischen Vorgesetzten im Mutterkonzern EADS, Noel Forgeard, geführt. Nach einem 100-Tage-Intermezzo mit Christian Streiff ist seit Oktober der Franzose Louis Gallois gleichzeitig Chef von Airbus und Co-Chef bei EADS. Er bekam für Airbus einen Geschäftsführer zur Seite: den Franzosen Fabrice Bregier.
Seit der Airbus-Gründung hängen strategische Entscheidungen und Arbeitsplätze an politischen und nationalen Überlegungen. 2007 will der deutsche Großaktionär DaimlerChrysler seinen EADS-Anteil weiter abbauen. Ausgerechnet jetzt, wo die Franzosen wegen der A380-Probleme in Hamburg Oberwasser haben. Die Bundesregierung bemüht sich daher, die Daimler-Anteile in deutscher (Banken-) Hand zu halten oder zumindest den französischen Einfluss auszugleichen. Auch hier wird das Jahr 2007 eine Entscheidung bringen.
Hans-Hermann Nikolei, dpa