Megaspenden "Wo ist der deutsche Bill Gates?"
mm.de: Frau Ministerin, die Gates-Stiftung schüttet pro Jahr rund 1,5 Milliarden Dollar aus, der Großteil des Geldes fließt in Entwicklungsländer. Wie verändert ein solch großer privater Geldgeber die Entwicklungszusammenarbeit?
Wieczorek-Zeul: Die Dimensionen der Gates-Stiftung sind in der Tat bemerkenswert. Ihre Ausschüttungen übersteigen das Entwicklungshilfebudget mancher Staaten. Aber ich glaube, dass sie die Mechanismen der Entwicklungszusammenarbeit nicht grundsätzlich verändern wird.
Schon heute ist es absolut üblich, dass öffentliche und private Geldgeber Hand in Hand arbeiten, solche Partnerschaften sind erprobt und bewährt. Ich persönlich habe zum Beispiel hervorragende Erfahrungen mit der Stiftung des Aga Khan gemacht.
mm.de: Aber sind die Dimensionen überhaupt vergleichbar? Das Aga-Khan-Development Network hat ein Budget von rund 350 Millionen Euro. Die Gates Foundation vergibt bereits heute das Vier- bis Fünffache dieser Summe. Wenn ihr wie geplant auch noch das Vermögen von Warren Buffett zufließt, werden es über drei Milliarden Dollar pro Jahr sein.
Wieczorek-Zeul: Selbst drei Milliarden Dollar machen nur einen recht kleinen Anteil der Gesamtsumme aus, die weltweit in die Entwicklungszusammenarbeit fließt.
Weltweit betragen die Mittel für die offizielle Entwicklungszusammenarbeit rund 100 Milliarden Dollar. Und wenn wir die Millenniumsziele erreichen wollen ...
"Jeder Euro ist willkommen"
mm.de: ... also die Selbstverpflichtung der Uno-Mitglieder, die Armut in den Entwicklungsländern bis 2015 drastisch zu reduzieren ...
Wieczorek-Zeul: ... dann ist jeder zusätzliche Euro willkommen. Wir fragen uns immer, wer ist eigentlich der deutsche Bill Gates und wo ist er? Bislang hat sich keine einzige deutsche Privatstiftung finanziell für die Umsetzung der Millenniumsziele engagiert.
mm.de: Vielleicht weil wir uns in Deutschland sagen: Entwicklungshilfe ist eine öffentliche Aufgabe, das Schicksal der sogenannten Dritten Welt sollte nicht am Wohlwollen reicher Mäzene hängen?
Wieczorek-Zeul: Natürlich darf privates Engagement nicht als Entschuldigung für den Staat dienen, sein entwicklungspolitisches Engagement zu reduzieren. Aber das geschieht meiner Einschätzung nach auch nicht. Noch einmal: Wollen wir die Millenniumsziele erreichen, wird jeder Euro gebraucht.
mm.de: Inwieweit können öffentliche Geldgeber etwas von den Managementmethoden der Gates-Stiftung lernen?
Wieczorek-Zeul: Wir lernen alle immer mehr darüber, wie sich Entwicklungszusammenarbeit am besten gestalten lässt. Nach dem was ich beobachte, arbeitet die Gates Foundation sehr professionell. In realistischer Einschätzung verzichtet sie darauf, Projekte selbst durchzuführen und nutzt stattdessen zum Beispiel die Strukturen des Globalen Fonds für den Kampf gegen HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) und der örtlichen Entwicklungszusammenarbeit. Es ist aber nicht so, dass private Strukturen automatisch besser sind als staatliche. Der Trend in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit aller Geber geht eindeutig zu mehr Effizienzdenken und professionellerem Management.
"International ein Sonderfall"
mm.de: Müssen private Stiftungen bei ihren Entwicklungshilfeprojekten weniger außenpolitische Rücksichten nehmen als staatliche Strukturen?
Wieczorek-Zeul: Außenpolitische Rücksichten? Da kennen Sie mich aber schlecht!
mm.de: Dann reden wir eben nicht von Ihrem Ministerium, sondern zum Beispiel von den USA. Dort liegt die Zuständigkeit für die Entwicklungshilfe seit einigen Monaten bei einem Staatssekretär, der direkt Außenministerin Condoleezza Rice unterstellt ist. Und Frau Rice sagt selbst, dass sich die Sicherheitsinteressen und die demokratischen Ideale der USA nicht von der entwicklungspolitischen Agenda trennen ließen.
Wieczorek-Zeul: Die starke organisatorische Anbindung von USAID ans Außenministerium in den USA ist international gesehen sicher eher ein Sonderfall. Übrigens: Aus dieser Einschätzung hat die amerikanische Regierung den unabhängigen Millennium Challenge Account eingerichtet, um langfristige Ziele ohne Rücksicht auf aktuelle Anlässe zu verwirklichen.
mm.de: Haben Sie eigentlich Bill Gates schon einmal persönlich getroffen?
Wieczorek-Zeul: Bis jetzt noch nicht. Immer wenn ich auf eine Konferenz kam, war er gerade abgereist - und umgekehrt. Ich würde mich aber freuen, wenn es demnächst zu einer Begegnung kommt. Was man hört, will sich Gates ja in Zukunft noch intensiver als bisher seiner Stiftung widmen.