Corporate Governance "Von Beruf Aufsichtsrat"
mm.de: Corporate Governance, Herr Hönsch, ist das einfach nur ein hoffnungslos überfrachteter Werbegag oder unternehmerische Realität?
Hönsch: Corporate Governance befasst sich mit der Beilegung etwaiger Interessenkonflikte von Management und Anteilseignern. Die Ausgangslage ist damit nicht neu. Die Intensität, mit der die Diskussion seit einiger Zeit geführt wird, aber schon. Immerhin wird inzwischen sogar der Vollzeitberuf des Aufsichtsrats diskutiert. Ein Werbegag ist die Debatte damit nicht. Sonst wären einige Regelungen auch nicht so umstritten.
mm.de: Woran merkt man denn das segensreiche Wirken - an höheren Quartalszahlen der Unternehmen?
Hönsch: Sagen wir es einmal so: Es gibt derzeit keinen wissenschaftlichen Beweis, dass die Praktizierung guter Corporate Governance unmittelbar zur Steigerung des Unternehmeswerts führt. Zumindest macht sie die Führungstruktur aber für Management und Aufsichtsrat nach innen sowie nach außen für die Anteilseigner transparent.
mm.de: Und Sie geben den Unternehmen Hilfestellung bei der Umsetzung?
Hönsch: Das Corporate-Governance-System von der Stange bieten wir nicht an. So etwas gibt es auch gar nicht. Wir informieren die Unternehmen regelmäßig über die Entwicklung und helfen bei Bedarf gezielt, die Corporate Governance unternehmensindividuell zu verbessern.
mm.de: Was kostet es eigentlich, solche Systeme in einem Unternehmen umzusetzen?
Hönsch: Die Unternehmen verbessern ihre Führungstruktur nach und nach. Eine genaue Gesamtkostenrechnung kenne ich daher nicht.
mm.de: Wie viel Prozent der deutschen Unternehmen machen das schon?
Hönsch: Erfahrungsgemäß, die meisten: Sicherlich gibt es auch da die Branchenprimi und jene, die hinterherhinken. Im internationalen Vergleich haben wir zumindest gewaltig aufgeholt. Auch wenn das im Ausland noch nicht immer so angekommen ist. Da fehlt etwa den Amerikaner manchmal noch die Kenntnis, weil sie nur mit dem eigenen System vertraut sind, das Aufsicht und Exekutive in einem Organ zusammenfasst. Auch deren System ist jedoch nicht problemfrei.
Die Rolle der Großinvestoren
mm.de: Welche Rolle spielen Großinvestoren dabei?
Hönsch: Eine geringere, als viele annehmen. Es ist nicht so, dass zum Beispiel Private-Equity-Fonds beim Anstoß von Regulierung eine dominante Rolle spielen.
mm.de: Aber fordern die nicht oft eine bessere Corporate Governance ein?
Hönsch: Das kommt vor. Es gibt aber auch Investoren, die bewusst auf jene Unternehmen mit einer schlechteren Corporate Governance setzen, weil dann die Stellschraube klar ist, mit der man die Gewinne schnell steigern kann. Zumindest aus Sicht dieser Investoren beeinflusst gute Corporate Governance also den Unternehmenswert.
mm.de: Merkt der normale Arbeitnehmer auch etwas von guter Corporate Governance?
Hönsch: Das hängt davon ab, wie weit sie den Begriff Corporate Governance fassen. Wenn Sie sogar die vom Topmanagement vorgegebene Unternehmenskultur zur Corporate Governance zählen, dann wirkt die sich natürlich auf alle Arbeitnehmer aus. Bei einem engeren Verständnis bekommen die - nicht in den Aufsichtsrat gewählten - Arbeitnehmer von der Corporate Governance erst etwas mit, wenn etwas überhaupt nicht läuft. Jedenfalls können sie sich aufgrund der gestiegenen Transparenz über die unternehmenseigene Corporate Governance informieren.
mm.de: Welche Rolle spielt die personelle Kontinuität in einem Unternehmen eigentlich für Corporate Governance?
Hönsch: Wenn Sie die ganz normalen Arbeitnehmer betrachten, gar keine. Denn Corporate Governance bezieht sich ja gerade auf die Führungsstruktur des Unternehmens. Und auch, wenn die Unternehmensspitze häufig ausgetauscht wird, ist das nicht unbedingt ein Zeichen schlechter Corporate Governance. Vielmehr sind die Kündigungsgründe entscheidend.