Bankenverband "Reformplacebos"
Frankfurt am Main - Niemand laufe durch Frankfurt mit der großen Sorge, dass seine Bank von einem Konkurrenten übernommen werde, stellte Klaus-Peter Müller klar. Weder kollektiv noch individuell würden sich die Mitgliedsinstitute des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), dessen Präsident Müller ist, übernahmebedroht fühlen. Die Aktien der Commerzbank, dessen Vorstandssprecher der Banker ist, sind breit gestreut, und auch die Deutsche Bank hat einen hohen Streubesitz.
Müller sieht die Bedrohung für die privaten Banken vielmehr von einer anderen Seite kommen. Und dabei ist der BdB-Präsident bei einem Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Verbandspolitik der vergangenen Jahre zieht: die Sparkassen und Landesbanken. Sie stehen nach Ansicht des Verbandes einer gedeihlicheren Entwicklung von Deutsche Bank und Co. im Wege. "Wir sind wegen des deutschen Bankensystems der drei Säulen nicht gut gerüstet für Europa", kritisiert Müller.
Das deutsche Bankensystem basiert auf den drei Säulen private Banken, Sparkassen und Landesbanken sowie Volks- und Raiffeisenbanken. Eine Konsolidierung in Form von Zusammenschlüssen oder Übernahmen über die Grenzen der drei Bankengruppen hinweg hat es bislang noch nicht in einem signifikanten Ausmaß gegeben, was als wichtigster Grund für die im europäischen Wettbewerb niedrige Rendite und Kosteneffizienz deutscher Banken gilt. In eben dieser Zersplitterung des deutschen Bankenmarktes sieht der Commerzbank-Chef das wichtigste Hindernis für eine ausreichend hohe Bewertung an der Börse von Deutscher Bank und Commerzbank.
So fordert Müller abermals eindringlich die Modernisierung der Marktstrukturen und damit der Senkung des Staatsanteils am deutschen Bankenmarkt. Rhetorisch fragt der Commerzbank-Chef, wie lange die Kommunen als Eigentümer der Sparkassen es noch vertreten könnten, Kindergärten und Bibliotheken zu schließen und gleichzeitig hinzunehmen, dass ihr in der Sparkasse gebundenes Eigenkapital nicht einmal den Sparbuchzins einbringe. "Ich bin fest überzeugt, dass die öffentliche Rechtsform nicht geeignet ist, um die Sparkassen in eine gute Zukunft zu führen", stellt Müller fest. Und als Beweis fügt er die Äußerungen des Präsidenten der Südtiroler Sparkasse, Norbert Plattner, an. Der hatte unlängst in Frankfurt Kritik an der eigenen Branche geübt. Die frühere italienische Kombination aus Tradition, öffentliche Trägerschaft und Gemeinnützigkeit habe bei vielen Sparkassen zu "Ineffizienz, politischer Einflussnahme und bescheidenen Gewinnen" geführt. Die deutschen Sparkassen müssten über die Rechtsform der AG nachdenken.
Weniger Staat, dafür mehr Markt und damit mehr Freiheit wagen - das ist auch der gemeinsame Nenner der Zwischenbilanz der Berliner Regierungspolitik, die Müller aufstellt. Hier die Rente mit 67, wettert er, dort aber eine Gesundheitsreform, die allenfalls ein "Reformplacebo" sei, hier das Bekenntnis zum Finanzmarkt, fährt er fort, und dort aber die quälende Debatte über die Reits (börsennotierte Immobilien-Investmenttrusts) - Müller sind die Fortschritte bei den Reformen der Großen Koalition zu bescheiden und zu langsam.
Deutschland sei in der Reformdebatte schon einmal weiter gewesen, konstatiert er und das engagierte CDU-Mitglied verweist auf die Agenda 2010 der Regierung unter dem SPD-Kanzler Schröder und die Ergebnisse des Jobgipfels. Sie hätten Fortschritte gebracht und ihren Teil zum Aufschwung und der leichten Entspannung am Arbeitsmarkt beigetragen. Zusammen mit den Leipziger Parteibeschlüssen der CDU hätte dies für die Große Koalition der Auftakt zu einem umfassenden Reformprozess werden können, kritisiert Müller. Aber Deutschland brauche grundlegende Strukturreformen. Dazu zählt er den Bürokratieabbau und eine bessere Regulierung, eine Strukturreform der sozialen Sicherungssysteme und den Durchbruch bei der Steuerpolitik. An Strukturreformen führe nun mal wegen des Standortwettbewerbs kein Weg vorbei, meint Müller.