Unternehmensteuer Dee Dee Ramone und die Steuerreform
Hamburg - Wenn Sie die Jahre nicht gerade mit dem Versuch einer neuen Interpretation der Heisenbergschen Unschärferelation verbracht haben, wird es Ihnen kaum entgangen sein, dass ab Mitte der 70er Jahre die Rockband "Ramones" knappe aber wichtige Beiträge zum Kulturhaushalt unserer Zivilisation ablieferte.
Ihre Songs waren kurz, kaum ein Stück brachte zwei Minuten auf der Uhr, Instrumentensoli waren verboten. Die Lautstärke ihrer Live-Auftritte war legendär. Es fing damit an, dass "The Good, the Bad an the Ugly" von Ennio Morricone vom Tonband lief und dann brach der Lärm los.
Zum Song "Pinhead" schwenkte Joey Ramone ein Schild mit dem Schlachtruf "Gabba Gabba Hey!"
The Good, the Bad and the Ugly
Ihren ersten Beitrag zur Filmmusik lieferten die Ramones 1979 zum Film "Rock 'N' Roll High School" ab, bei dem die Schule am Ende des Films während eines Konzerts der Band abgefackelt wurde, später noch Filmmusik für "Friedhof der Kuscheltiere".
In 2005 dann retrospektiv - ein Ramones-Musical in Berlin. Martin Semmelrogge sollte die Hauptrolle spielen, was aber nicht klappte, weil er ins Gefängnis musste.
Warum steht das alles in einer Kolumne zur anstehenden Unternehmenssteuerreform? Die Ramones-Geschichte mit allem Wahnsinn und Drumherum ist eine prima Einstimmung für die Debatte um die angekündigte Unternehmenssteuerreform 2008/2009, die bald starten und uns die kommenden Monate begleiten wird ein warming-up für den bevorstehenden Irrsinn.
"Theres no stopping the cretins from hopping" ist die Anfangszeile aus dem Ramones-Stück "Cretin Hop" und für einen Hardcore-Steuerpolitik-Kolumnisten bei Manager Magazin-Online war das einfach mal als Zeile fällig. Da ich hier noch keine Reform-Matadore nenne, ist auch das Risiko von Beleidigungsklagen noch eher gering.
Säue, heilige Kühe und Mäuse
Säue, heilige Kühe und Mäuse
Seit geraumer Zeit geht es mit diversen Statements und Informationen zum Unternehmenssteuerprojekt 2008/2009 in der Presse hin und her. In Stein gemeißelt scheint kaum etwas, aber nach diversen Vertagungen sollen Anfang November die "Eckpunkte" auf den Tisch. Zeit für ein bisschen Stretching und ein paar Spielzüge zur Übung.
In den vergangenen Monaten fiel es schwer, hier prägnante Beiträge abzuliefern. Jeden Tag wurde eine andere Sau durchs Dorf getrieben, meist von heiligen Kühen gejagt. Früher konnte man in solch einer Situation wenigstens noch am Bleistift kauen. Heute hat man nur noch die Computer-Maus. Wer eine Computer-Maus erfindet, auf der man kauen kann, könnte schnell viel Geld machen. Er sollte sich allerdings beeilen. Das Kauen auf Computer-Mäusen würde sicher bald verboten. Zuerst in Behörden, dann in allen Büros, dann in Gaststätten und bald überall.
Von der Bitte, die Steuern nicht zu stark zu senken
Ein Bericht aus dem SPIEGEL gibt eine Ahnung, welcher Segnungen Unternehmen teilhaftig werden sollen: Die Betroffenen bitten inzwischen darum, die Steuer auf ihre Gewinne nicht so sehr abzusenken!!! Ein Highlight des Reformvorhabens ist, dass der Steuersatz auf Gewinne, die im Unternehmen verbleiben - also das Geld, das wieder investiert wird - von derzeit ca. 40 auf zukünftig ca. 30 Prozent verringert werden soll. Würde man nur das machen, gäbe es natürlich weniger Steuereinnahmen; für die Einnahmeausfälle sind aber nur 5 Milliarden Euro kalkuliert, was nicht langt.
Damit trotzdem die 30-Prozent-Marke erreicht werden kann, soll es zu einer Besteuerung von allen möglichen neuen Dingen vornehmlich Steuern auf Ausgaben (!!!) wie gezahlte Zinsen, Mieten, Leasingraten und so kommen. Das damit drohende Spektakel scheint offenbar so grausig zu sein, dass laut SPIEGEL Verbände und Sachverständige nun um eine reduzierte Steuersenkung betteln, damit die Unternehmen vom Alptraum der angekündigten "Gegenfinanzierungsmaßnahmen" verschont bleiben.
Der 5-Milliarden-Jackpot
Der 5-Milliarden-Jackpot
Nun stehen die 30 Prozent aber als Kernpunkt im Lastenheft unserer Reformer und Herr Steinbrück möchte nicht davon abrücken. Einfacher Grund: Der Vergleichssatz im Durchschnitt der EU-Staaten liegt 2007 bei ca. 26 Prozent mit weiter fallender Tendenz. Da tut sich unser Standort mit aktuellen 40 Prozent bei Investitionen natürlich etwas schwer.
Einfacher wäre es, die 5 Milliarden Euro zu nehmen und unter den deutschen Unternehmen 100 Preise von je 50 Millionen Euro zu verlosen. Der 39 Millionen Lotto-Jackpott aus diesem Herbst hat gezeigt, dass bereits mathematisch deutlich geringere Gewinnchancen eine enorme Investitionsbereitschaft auslösen, wenn nur die Zahl der Nullen stimmt.
Warten wirs mal ab, vielleicht setzt sich diese simple Idee am Ende ja noch durch. Der entscheidende Vorteil gegenüber der angedrohten Reform wäre, dass unser Steuerrecht für Unternehmen nicht noch chaotischer würde als es ohnehin schon ist. Eine weitere Verkomplizierung ist nämlich bei allem, was da jetzt schon bekannt geworden ist, offenbar ein weiteres wichtiges Reformziel.
Bevor die vertiefte Analyse der Unternehmenssteuerreform in dieser Kolumne mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, sachlichen Argumenten und vorsichtigem Abwägen bei ganzheitlichem Ansatz in den nächsten Wochen beginnen wird, noch ein aktuelles Steuerschmankerl: Die 44.000 Euro Black-Box.
44.000 Euro cash für jeden Abgeordneten
Die 44.000 Euro Black-Box
Es heißt, der Bundesfinanzhof halte die steuerfreie Ausgabenpauschale der Bundestagsabgeordneten für verfassungswidrig. Unsere Parlamentarier kriegen jedes Jahr steuerfrei 44.000 Euro cash, damit sie Büros, Hilfskräfte und allerhand andere Dinge, die sie für ihre Abgeordnetenjobs brauchen, bezahlen können. Dass sie dafür Geld kriegen und solche Kosten, die ja für ihren Job notwendig sind, von ihren steuerpflichtigen Diäten und anderen Einkünften abziehen müssen, bevor dann die Einkommenssteuer zuschlägt, wird von niemandem in Frage gestellt.
Allerdings fließen da einfach mal 44.000 Euro pro Nase und unsere Volksvertreter müssen für ihre Ausgaben keinerlei Nachweise erbringen, wie es von jedem anderen Selbständigen, Unternehmer, Vermieter und Arbeitnehmer verlangt wird. Und by the way - wenn MdBs nur 20.000 Euro Kosten haben, bekommen sie 24.000 Euro steuerfrei fürs eigene Portemonnaie; solls geben.
Brutto für netto ohne Zirkus mit dem Finanzamt
Den Volksvertretern bleibt der ganze Zettelkram erspart, keine lästigen Diskussionen darüber, ob eine Ausgabe wirklich durch den Job veranlasst ist, keine Höchstabzugsgrenzen für Geschenke und andere Kosten - schlicht und ergreifend: 44.000 Euro brutto für netto ohne Zirkus mit dem Finanzamt. Paradiesisch - aber der Bundesfinanzhof sieht hier wohl eine Privilegierung, die gegen das Grundgesetz verstößt, und deshalb könnte das Ganze in Kürze kräftig aufgemischt werden.
Vielleicht eine gute Gelegenheit, noch ein anderes Steuerproblem anzupacken: Bestechungsgelder, die man kriegt, sind zu versteuern; gezahlte Bestechungsgelder sind dagegen nicht steuerlich abzugsfähig. Ohne einen 44.000-Euro-Puffer als black-box mag der eine oder andere Parlamentarier seine Haltung zu dieser Dissonanz in unserem Steuersystem vielleicht in einem etwas anderen Licht betrachten.
Gabba, Gabba, Hey!
Der erste Politikerprotest dagegen, dass der Bundesfinanzhof wahrscheinlich daran geht, mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichtes diese beleg- und steuerfreie Ausgabenpauschale abzuschaffen, kam ausgerechnet vom stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Joachim Poß. Ein SPD-Linker, der nie abseits stand, wenn es darum ging, Steuerverschärfungen für Unternehmen und Selbständige zu fordern.
Mit auf sein Konto geht unsere "Mindestgewinnbesteuerung", eine Regelung, nach der Unternehmen Gewinnsteuern zahlen müssen, obwohl sie wegen Verlusten aus Vorjahren noch längst keine schwarzen Zahlen schreiben. Dass gerade Herr Poß irgendwelche Grundwerte der Demokratie oder andere Heiligtümer bedroht sieht, wenn Bundestagsabgeordnete für die Steuer ihre Kosten nachweisen müssen, wie jeder andere auch, macht besonders neugierig auf seine Statements zur angekündigten Unternehmenssteuerreform.