Bahn-Börsengang Streit um Schienennetz
Berlin - "Der vollständig integrierte Konzern ist mit der heutigen Sitzung vom Tisch", sagte der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer. Sein SPD-Kollege Uwe Beckmeyer betonte ebenfalls, das Eigentum am 34.000-Kilometer Schienennetz werde beim Bund bleiben.
Dagegen erklärte der parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Achim Großmann, es sei keine Entscheidung gefallen. Auch das von Bahnchef Hartmut Mehdorn verfochtene Modell einer Privatisierung mit Netz werde noch erörtert und bis Ende September vertieft geprüft.
Die Koalition betont immer wieder, dass sie letztlich die Entscheidung über den Börsengang trifft. Bundestag und Bundesrat müssen ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Teilnehmer des Treffens sprachen von einer turbulenten Sitzung, bei der Großmann in letzter Minute eine Festlegung auf reine Trennungsmodelle (Eigentumsmodelle) habe verhindern wollen.
So habe er das Mehdorn-Modell einer Privatisierung mit Netz mit einer Rückholoption des Netzes für den Bund (Call Option) wieder ins Gespräch gebracht. Unionsexperte Fischer betonte aber, es gehe nun nur noch um das Pro und Contra bei den Eigentumsmodellen.
Bahn soll Schienennetz pachten - Nießbrauch möglich
In jedem Fall werde die Bahn aber weiter eng mit dem Netz verbunden bleiben: So solle das Unternehmen das Netz pachten, einen Bewirtschaftungsvertrag erhalten oder sogar einen weitergehenden, so genannten Nießbrauch, erhalten, sagten Teilnehmer übereinstimmend.
Diese Nießbrauch-Variante nannte auch Großmann. Verkehrspolitiker, aber auch Haushaltsexperten der Koalition, hatten wiederholt betont, wenn das Netz von der Bahn getrennt werde, könnten Wettbewerber nicht so leicht diskriminiert werden. Dies führe wiederum zu niedrigeren Preisen und mehr Verkehr auf der Schiene.
Diese Einschätzung hatten bei Anhörungen auch Experten geteilt. Der Bund hatte bis zuletzt in verschiedenen Studien die Experten von SPD und Union von den Vorteilen eines Börsengangs in bestehender Form des Unternehmens zu überzeugen versucht. So wurde das Wettbewerbsargument in einer Studie des Verkehrsministeriums verworfen. Die Unterschiede zwischen den Modellen seien "nicht signifikant", hieß es da. Mit Netz sei eine Privatisierung schon 2008 möglich, sei leichter umzusetzen und werde dem Bund mehr Geld in die Kasse bringen.
Nießbrauch als Kompromisslösung
Kurz vor der Sitzung am Dienstag wurde ein Papier der US-Investmentbank Morgan Stanley und der Rechtsanwaltskanzlei Waldeck verbreitet, in dem auch die Trennungs-Variante mit dem weitgehenden Nießbrauch-Recht für die Bahn schlechter abschneidet als dass Mehdorn-Modell.
Auch beim Nießbrauch werde sich die Privatisierung um 18 Monate bis zwei Jahre verzögern, heißt es in dem Papier, das Reuters vorliegt. Die Nießbrauch-Variante bei der Trennung war vom Bund ins Spiel gebracht worden. In Regierungskreisen hieß es, dieses Modell könne möglicherweise den Parlamentariern - die eine striktere Trennung wollen - als Kompromiss angeboten werden.
manager-magazin.de mit dpa/rtr