Bundesagentur Wer nach den Milliarden greift
Berlin Ein Überschuss kommt dadurch zustande, dass die Summe der Einzahlungen (das Geld der Beitragszahler) die Summe der Ausgaben (der Bundesagentur für Arbeit) überschreitet: Diese simple Rechnung scheint auch dann keine Rolle zu spielen, wenn der Überschuss der BA auf einen Rekordwert von voraussichtlich 9,6 Milliarden Euro zusteuert.
Zunächst hatte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) das Geld für den Bundeshaushalt reklamiert. Angesichts einer Staatsschuld in Höhe von 1500 Milliarden Euro, für die rund 40 Milliarden Euro Zinsen pro Jahr fällig sind, ist dieser Griff nach dem Geld der Beitragszahler sogar nachzuvollziehen.
Steinbrück zieht zurück, Krankenkassen preschen vor
Unterdessen ruderte Steinbrück jedoch wieder zurück: Die Bundesagentur solle "einen Puffer bilden", um in schlechten Zeiten nicht wieder den Bund anpumpen zu müssen. Steinbrück weiß: Der Rekordüberschuss der BA ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass die Versicherten in diesem Jahr einmalig 13 Monatsbeträge auf das Konto der BA überweisen müssen. Der Minister sieht daher auch keinen Spielraum, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung im kommenden Jahr um mehr als die geplanten zwei Prozentpunkte (von 6,5 auf 4,5 Prozent) zu senken.
Der Bundesfinanzminister hatte kaum die Hand zurückgezogen, da streckten sie die Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen wieder aus. Der Milliardenüberschuss aus der Arbeitslosenversicherung müsse an die gesetzlichen Krankenkassen ausgezahlt werden, hieß es: Schließlich sei die Bundesagentur über viele Jahre hinweg auch aus dem Topf der GKV subventioniert worden. Die Kassen stehen unter besonderem Druck, weil sie bis zur Einführung des von der Koalition geplanten Gesundheitsfonds ihre Schulden abbauen müssen. In diesem Jahr sollen sie letztmals einen Zuschuss von 2,1 Milliarden Euro Steuergeld erhalten.
Koch will Geld für Lehrstellenprogramm
Koch will Geld für "Befreiungsschlag" auf Lehrstellenmarkt
Selbst wenn der Vorstoß der klammen Krankenkassen abgeblockt werden sollte: An neuen Ideen, wie das Geld der Versicherten noch verwendet werden könnte, mangelt es nicht. Am Dienstag forderte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), einen Teil des Geldes zum Kampf gegen die Misere auf dem Arbeitsmarkt zu verwenden.
"Da nach wie vor nicht genügend normale Lehrstellen zur Verfügung stehen, brauchen wir einen einmaligen Befreiungsschlag, um diesen Ausbildungsstau zu beenden und den Jugendlichen eine Ausbildung und damit eine Perspektive fürs Leben zu geben." An der geplanten Senkung der Versicherungsbeiträge auf 4,5 Prozent in 2007 hält er fest, doch darüber hinaus mag auch er nicht gehen: Koch sagte, rund 600 Millionen Euro könnten für das Ausbildungsprogramm eingesetzt werden.
"Wir schieben in Deutschland eine riesige Welle von Lehrstellen suchenden Jugendlichen vor uns her. Inzwischen sind es Zehntausende, die dringend auf eine Ausbildung warten, Warteschleifen drehen, von einer schulischen Maßnahme zur nächsten geschoben werden und herumjobben", betonte er. Der DGB, die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände und die hessische Landesregierung seien sich einig, dass bundesweit ein Programm aufgelegt werden müsse, mit dem rund 50.000 Jugendliche ohne Lehrstelle eine von der Bundesagentur für Arbeit finanzierte Ausbildung erhalten sollten.
Holter: Geld für Beschäftigungsprogramme
Dagegen will Mecklenburg-Vorpommerns Arbeitsminister Helmut Holter (Linkspartei) den Milliardenüberschuss den Arbeitslosen zugute kommen lassen. Holter nannte es eine Ungeheuerlichkeit, die Bundesmittel für die Arbeitsvermittlung von "Hartz IV"-Empfängern weiterhin zu sperren und in der Bundesagentur Milliarden anzuhäufen. Immer mehr Jobcenter seien bereits aus Geldmangel nicht mehr in der Lage eine ordentliche Arbeitsvermittlung zu organisieren. Holter plädierte dafür, mit dem Geld öffentliche Beschäftigungsprogramme zu einer Entlohnung zu finanzieren, von der die Betroffenen auch leben könnten.
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