EADS-Chef "Wir haben Boeing deutlich unterschätzt"
Stuttgart - "Wir haben Boeing und sein Langstreckenflugzeug 787 deutlich unterschätzt", sagte der Co-Chef der Airbus-Mutter EADS Tom Enders jetzt in Stuttgart. Airbus wolle mit seinem A350 ein leistungsfähigeres Flugzeug bauen als das "Dreamliner" genannte Boeing-Modell 787. Einen "Schnellschuss" werde es bei der Entwicklung aber nicht geben. "Der erneuerte A350 muss der letzte Wurf sein", sagte der EADS-Co-Chef. Airbus lasse sich nicht unter Zeitdruck setzen - auch nicht von Terminen wie der in der kommenden Woche beginnenden Luftfahrtschau im britischen Farnborough.
Der wegen erneuter Verzögerungen bei der Entwicklung des Großflugzeugs Airbus 380 entthronte EADS-Co-Chef Noel Forgeard hatte noch für die Messe Entscheidungen zum A350 angekündigt. Wegen tief greifender Probleme mit der Elektronik des Superjumbo A380 hatten Forgeard und der deutsche Airbus-Chef Gustav Humbert das traditionell von einer deutsch-französischen Doppelspitze geführte Unternehmen kürzlich verlassen.
Kein Sanierungsfall
Den Worten des Mitte 2005 zum EADS-Co-Chef aufgestiegenen Enders zufolge hat Airbus seit Jahren Probleme, die bei der Entwicklung des dreistöckigen, größten Passagierflugzeugs der Welt offenbar wurden. "Wir müssen die Technologie-Pipeline auffüllen", sagte er und nannte als Beispiele neue Materialien oder die Antriebstechnik. Im Konzern habe Airbus Priorität, die Tochter liefere 65 Prozent des Umsatzes. "Die Probleme bei Airbus heißen nicht, dass wir ein Sanierungsfall wären", sagte Enders.
Airbus werde in diesem Jahr "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" wie geplant mehr als 400 Flugzeuge ausliefern. Verkaufschef John Leahy hatte vergangene Woche 430 Auslieferungen in Aussicht gestellt, Boeing plant bislang mit 395 Flugzeugen. Beim Auftragseingang habe Boeing im ersten Halbjahr zwar die Nase vorn gehabt, sagte Enders. Airbus könne im weiteren Jahresverlauf aber noch aufholen.
Stornierungen des 73 Meter langen Großflugzeugs A380 habe es wegen der Lieferverzögerungen bislang nicht gegeben, bekräftigte Enders. Er könne noch nicht ausschließen, dass es zu weiteren Verzögerungen der Auslieferung kommen könnte. Er wolle erst die interne Prüfung abwarten, "bevor ich meine Hand dafür ins Feuer lege, dass das nicht noch mal beim A380 oder anderen Projekten passiert."
Verspätete Lieferungen seien "kein Kavaliersdelikt" in der Branche, mahnte Enders. "Wir müssen zurück zur Pünktlichkeit." Der Vertrieb werde künftig enger mit den Ingenieuren verdrahtet. "Generell gilt, dass nicht eine frühe Auslieferung am Markt zählt, sondern ein überlegenes Produkt", gab Enders die Richtung für den neuen Airbus-Chef Christian Streiff vor.
"Preußische Tugenden"
Mit seinem neuen Co-Chef Louis Gallois äußerte sich Enders zufrieden. Zwar sie die Doppelspitze nicht die ideale Lösung, mit dem ehemaligen französischen Bahn-Manager könne er aber "hervorragend zusammenarbeiten". Gallois habe "preußische Tugenden".
EADS gehört zu knapp 30 Prozent dem französischen Staat und dem Mischkonzern Lagadere. Gut 22 Prozent hält DaimlerChrysler, weitere 5 Prozent sind im Besitz der spanischen Staatsholding Sepi. Mit einer Aufstockung des Anteils des spanischen Staats rechne er entgegen Medienberichten nicht, sagte Enders. Generell halte er staatliche Beteiligungen für einen "Anachronismus". EADS will die 80-prozentige Flugzeugtochter Airbus enger in den Konzern einbinden. Der britische Rüstungskonzern BAE Systems zögert aber mit dem Verkauf seines 20-Prozent-Anteils, da ihm der durch einen Schlichter festgelegte Preis zu niedrig ist.
reuters