Gesundheitsreform Gemeinsamer Nenner: Der Bürger zahlt mehr
Gesundheitsfonds: Kern der Krankenversicherung soll ein Finanzpool werden, aus dem die einzelnen Kassen eine bestimmte Summe für jeden Versicherten erhalten - plus einen Ausgleich je nach Alter und Krankenstand der Mitglieder. In den Fonds fließen die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Steuermittel. Die private Krankenversicherung wird entgegen den Forderungen der SPD an dem Fonds nicht beteiligt.
Zusatzbeitrag: Kassen, die mit dem Geld nicht auskommen, dürfen einen zusätzlichen Beitrag erheben. Die Kassen können wählen ob sie einen Festbetrag ("kleine Kopfpauschale" der Union) erheben wollen oder einen prozentualen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag, wie ihn die SPD wollte. Eine Entscheidung über weitere Beitragserhöhungen wird somit den Kassen überlassen. Bei guter Finanzlage können jedoch auch Abschläge ausgezahlt werden - eine eher theoretische Option.
Steuerfinanzierung: Bestimmte Leistungen der Krankenkassen wie etwa die Mitversicherung von Kindern sollen zunehmend über Steuergelder finanziert werden. 2008 sollen dafür zunächst 1,5 Milliarden aufgebracht werden. 2009 soll der Steuerzuschuss auf drei Milliarden Euro steigen. In den Jahren danach soll sich der Anteil weiter erhöhen. Steuern sollen dafür allerdings nicht erhöht werden. Wo die Mittel herkommen sollen, ließen die Koalitionsspitzen offen.
Kinder-Mitversicherung: Für die volle Finanzierung der Kinderversicherung werden rund 16 Milliarden Euro benötigt. Die SPD wollte weit mehr Leistungen aus höheren Steuern bezahlen. Auch aus der Union war zunächst Zustimmung für höhere Steuern gekommen, unmittelbar vor der entscheidenden Runde wendete sich die Unionsspitze aber davon ab. Zu erwarten ist, dass das Thema Gesundheitssteuern in der nächsten Wahlperiode neu auf die Tagesordnung kommt.
Kritiker der Steuerfinanzierung verweisen darauf, dass bereits mit der Gesundheitsreform 2003 eine Teilfinanzierung aus Steuern eingeleitet wurde. Die große Koalition beschloss jedoch, das Geld lieber zur Sanierung des angespannten Haushalts zu verwenden. In diesem Jahr erhalten die Kassen aus der Erhöhung der Tabaksteuer vom Bund noch 4,2 Milliarden Euro, 2007 nur noch 1,5 Milliarden Euro. 2008 fällt dieser Zuschuss weg.
Steigende Beiträge, Öffnung der privaten Kassen
Beiträge: Um das drohende Defizit der Krankenkassen im nächsten Jahr in Höhe von sieben Milliarden Euro zu decken, nimmt die Koalition steigende Beiträge in Kauf. Im Schnitt werden sie um 0,5 Prozentpunkte steigen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen also jeweils 0,25 Prozent mehr zahlen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte schon bei der Gesundheitsreform 2003, die für die Versicherten höhere Belastungen bedeutete, Beitragssenkungen in großem Stil versprochen. Diese blieben aus. Stattdessen werden die Beiträge ab 2007 nochmals erhöht.
Einsparungen: Strukturveränderungen sollen mehr Transparenz und Effizienz in das Gesundheitssystem bringen. Dazu hat eine Arbeitsgruppe ein 56-seitiges Eckpunktepapier erstellt. Die Einspareffekte liegen zwischen zwei und 3,5 Milliarden Euro. Nicht durchsetzen konnte sich die Union mit ihrem Plan, private Unfälle nicht mehr von den Krankenkassen zu finanzieren. Die SPD scheiterte mit einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze.
Private Krankenversicherung: Die privaten Kassen müssen einen Basistarif auf Grundlage der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung anbieten, in den ehemalige PKV-Versicherte zurückkehren können. Diesen Grundtarif, für den keine Gesundheitsprüfung nötig ist, sollen auch alle freiwillig gesetzlich Versicherten in Anspruch nehmen dürfen. Ein Privatversicherer kann zudem künftig bei einem Wechsel der Versicherung angesammelte Altersrückstellungen mitnehmen.
Höchstpreise für Medikamente
Krankenkassen: Die Kassen kommen künftig nicht mehr für Komplikationen in Folge von Schönheitsoperationen, Piercings und Tätowierungen auf. Sie bekommen mehr Möglichkeiten, mit Ärzten über Leistungen und Preise zu verhandeln.
Zudem müssen die Kassen bestimmte Hausarzttarife anbieten. Die bisher nebeneinander agierenden sieben Spitzenverbände sollen sich zur Erfüllung bestimmter Aufgaben auf Bundesebene zu einem einzigen Dachverband zusammenschließen. Jede Kasse soll mit einer anderen fusionieren können.
Ärzte: Die Mediziner erhalten ein neues einfacheres Vergütungssystem mit Pauschalpreisen. Damit sollen sie im Voraus ersehen können, was sie genau für eine Leistung erhalten. Dies ist beim heutigen Punktwertesystem nicht der Fall. Die bisherige Budgetierung wird abgeschafft.
Medikamente: Um die steigenden Ausgaben für Arzneimittel einzudämmen, werden Höchstpreise eingeführt. Durch Preisverhandlungen zwischen Kassen und Apothekern sollen 2007 mindestens 500 Millionen Euro gespart werden. Wird dieses Ziel verfehlt, müssen die Apotheker den Kassen einen Sonderrabatt gewähren.
Zudem können die Apotheker direkt mit den Pharmafirmen Preise unter dem Höchstwert aushandeln. Ärzte müssen vor der Verordnung sehr teurer und spezieller Arznei- und Hilfsmittel eine zweite Meinung eines ausgewiesenen Facharztes einholen. Neue Medikamente werden stärker auf Kosten und Nutzen geprüft.
Krankenhäuser: Die Kliniken sollen stärker als bisher hoch spezialisierte Leistungen ambulant erbringen. Dafür sollen Krankenhäuser und Kassen mehr Geld bereitstellen. Auch sollen die Klinikbudgets gesenkt werden.
manager-magazin.de mit Material von reuters