Trauer um Paul Spiegel Deutschland hält inne
Düsseldorf - Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, ist tot. Er starb am frühen Sonntagmorgen. Spiegel wurde 68 Jahre alt. Er hatte das Amt des Präsidenten des Zentralrats nach dem Tod von Ignatz Bubis übernommen, der im August 1999 gestorben war. Spiegel war im Januar 2000 an die Spitze der Dachorganisation der jüdischen Gemeinden in Deutschland gewählt worden.
Der Generalsekretär des Zentralrates, Stephan Kramer, bezeichnete den Tod von Paul Spiegel als einen "schwerwiegenden und kaum zu beschreibenden Verlust" für Juden und Nicht-Juden in Deutschland. "Wir verlieren einen bedeutenden Juden und Europäer. Paul Spiegel war ein großer Brückenbauer", sagte Kramer. Er habe Vertrauen genossen, "weit über alle Konfessionsgrenzen hinaus und in allen gesellschaftlichen Gruppen".
Mit Trauer und "tiefer Erschütterung" hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf den Tod von Paul Spiegel reagiert. "Der verstorbene Präsident des Zentralrats der Juden war eine beeindruckende Persönlichkeit", sagte sie am Sonntag in Berlin. Spiegel habe sich "mit großer Leidenschaft und all seiner Kraft für eine gute Zukunft der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland eingesetzt". "Paul Spiegel war ein Mann des Dialogs zwischen den Religionen und ein Brückenbauer zur jüdischen Welt und zum Staat Israel", ergänzte Altkanzler Gerhard Schröder (SPD).
Dennoch lebte er in Deutschland nicht sorgenfrei: In einer Seitenstraße seines Hauses in Düsseldorf stand stets ein Mannschaftswagen der Polizei zu seinem Schutz und dem seiner Familie. Besonders betroffen war er von einem Brandanschlag auf die Synagoge seiner Gemeinde in Düsseldorf im Oktober 2000. Einen Monat später forderte er auf einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin aus Anlass des Jahrestages der Pogromnacht 1938 "deutliche Signale, dass die nichtjüdische Bevölkerung in ihrer Mehrheit uns und unsere jüdischen Gemeinden in diesem Land haben wollen".
"Er war stets auf Ausgleich und Kooperation bedacht, aber zugleich immer wachsam gegenüber Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit", sagte der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) heute.
Spiegel konnte sich im Januar 2003 über den Abschluss des ersten Staatsvertrages zwischen Zentralrat und Bundesregierung freuen. Ein weiterer Höhepunkt seiner Amtszeit war der erste Besuch eines israelischen Staatspräsidenten zu einer Synagogen-Eröffnung in der Bundesrepublik Deutschland.
Paul Spiegel wurde am 31. Dezember 1937 in Warendorf im Münsterland geboren und floh mit seiner Familie 1939 vor dem Naziterror nach Belgien. Sein Vater überlebte die Konzentrationslager Buchenwald, Auschwitz und Dachau. Seine ältere Schwester Rosa wurde von den Nazis und ihren Helfern in das Konzentrationslager Bergen-Belsen verschleppt, wo sich ihre Spur verlor. Er selbst wurde bis zum Kriegsende von einem Bauern in der Nähe von Namur versteckt.
Nach dem Abitur arbeitete Spiegel zunächst als Journalist und engagierte sich früh in der jüdischen Gemeinde Düsseldorf und im Zentralrat der Juden, der höchsten politischen und religiösen Vertretung der in Deutschland lebenden Juden. Der Zentralrats-Präsident führte zudem seit 1986 eine internationale Künstler-Agentur in Düsseldorf und vermarktete einige der erfolgreichsten Stars des Fernsehens und der Bühne.
Er soll nach Kramers Angaben in den kommenden Tagen beerdigt werden. Gegen Ende der Woche sei außerdem eine Trauerfeier in Düsseldorf geplant. Die Aufgaben Spiegels werden von seinen Stellvertretern Charlotte Knobloch und Salomon Korn übernommen, die dies bereits während seiner Krankheit getan hatten.
Spiegel hatte Anfang Februar einen Herzinfarkt erlitten und sich zudem eine Lungenentzündung zugezogen. Die Ärzte hatten ihn darauf in ein künstliches Koma versetzt. Mitte April hatte es zunächst geheißen, Spiegel sei wieder auf dem Weg der Besserung. Kramer sagte, sein Tod sei überraschend gekommen.
Paul Spiegel war verheiratet und hatte zwei Töchter.
ap, afp, dpa