Die Erträge stagnieren, die Umsätze sinken und die Konkurrenz greift an. Aldi-Experte Thomas Roeb sagt im Interview mit manager-magazin.de, wo Deutschlands größter Discounter besser werden muss und warum die ehrgeizigen Expansionspläne keine Selbstläufer sind.
Herr Roeb, Aldi Nord hat kürzlich angekündigt, Läden in Polen zu eröffnen. Bei Aldi Süd steht Griechenland auf dem Plan, mittelfristig sogar die Türkei und Russland. Rollen die deutschen Discountkönige jetzt auch Europa auf?
Roeb: Vorsicht, man darf Aldis Rolle im Ausland nicht mit der im Inland gleichsetzen. Auf den meisten neu erschlossenen Märkten lief es bislang für beide Aldis nicht optimal, weder in Großbritannien noch in Frankreich oder Spanien.
mm.de: Wo liegt das Problem?
Roeb: Sowohl Aldi Nord als auch Aldi Süd fehlte in der Vergangenheit eine spezifische Strategie für die Auslandsexpansion. Das Management übertrug weitgehend sein deutsches Erfolgsmodell auf die Auslandsmärkte. Das allein reicht aber nicht.
mm.de: Mögen Engländer oder Schotten keine billigen Lebensmittel?
Roeb: Doch, aber vor allem mögen sie gute Lebensmittel. Die bieten ihnen die großen britischen Supermarktketten wie Tesco und Asda auf jeden Fall, während viele Menschen Aldi nicht glaubten, da mithalten zu können. Deshalb hatten es die etablierten Wettbewerber bislang ziemlich einfach, den Aldi-Angriff mit eigenen Billigmarken zu kontern.
Roeb: Zum einen hätte man die Standortpolitik strategisch besser anlegen können. Die Standorte liegen nämlich oft in sozial schwachen Gegenden. Das bringt zwar im Einzelfall gute Umsätze, schreckt aber viele Käufer aus der Mittelklasse ab und verleiht Aldi das Image des Unterklasseladens - viel stärker als etwa in Deutschland. Zum anderen hätte Aldi sein Sortiment besser auf die Landesbedürfnisse abstimmen müssen. Beide Fehler scheinen jetzt allerdings korrigiert zu werden.
"Abstand zum Wettbewerb erodiert"
mm.de: Mit einem höherwertigen Sortiment versucht sich Aldi auch in der Schweiz. Ist das der Weg für die Zukunft?
Roeb: Das ist von Land zu Land unterschiedlich. Für die Schweiz ist dieser Weg sicher richtig. Da ist die Frage eher, wie weit er führt, denn es stellt sich die Frage, was Aldi in die Schweiz zieht, einen sehr komplizierten, dreisprachigen Markt, der noch dazu klein ist. Da gibt es sinnvollere Ziele.
mm.de: In der Aldi-Spitze heißt es, Aldi komme als Preisführer niemals zu spät auf einen Markt ...
Roeb: Das stimmte, wenn Aldi wirklich objektiv Preisführer wäre. Sie können es aber gegen etablierte Wettbewerber nicht sein, wenn sie nicht einen Preiskrieg lostreten und jahrelang hohe Anlaufverluste akzeptieren wollen - und das wollen sie nicht.
Entsprechend ist das, was jetzt passiert, vielleicht schon zu wenig und zu spät. Aldis größter Konkurrent Lidl ist im Ausland viel weiter, kann viel größere Synergien aus seinem Auslandsgeschäft schöpfen.
mm.de: Noch hat Aldi einen Effizienz- und Kostenvorsprung vor Lidl.
Roeb: In Deutschland zumindest Aldi Süd. Da müht sich Lidl schon seit 30 Jahren vergeblich um die dafür nötige Kundenakzeptanz. Aber im Ausland ist die Situation eher umgekehrt, und das Ausland ist der größere Markt. Lidl hat damit mehr Wachstumspotenzial.
mm.de: Ihre Zukunftsprognose für Aldi?
Roeb: Die Situation ist gefährlich. In den nächsten fünf Jahren wird Aldi zwar kaum Verlust schreiben, weder im Norden noch im Süden. Aber gerade Handelsunternehmen sind nur so stark wie der Abstand zum Wettbewerb - und der erodiert.