Mit rund 25 Milliarden Euro will die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren das Wirtschaftswachstum ankurbeln und dennoch spätestens 2007 die Neuverschuldung unter 3 Prozent drücken. Das sollte gelingen, sagen Wirtschaftsexperten.
Hamburg - Lange hat es gedauert, aber endlich scheinen die Sparmaßnahmen der Politik zu fruchten. Zum zweiten Mal in Folge ist der Anteil des Haushaltsdefizits am Bruttoinlandsprodukt wieder gesunken. Nach vorläufigen Angaben des statistischen Bundesamtes erreichte die Defizitquote im vergangenen Jahr mit 3,5 Prozent den niedrigsten Stand seit 2001.
Erfreut beeilte sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hinzuzufügen, die Neuverschuldung könne sogar noch geringer ausfallen, wenn sich die Steuereinnahmen zum Jahresende 2005 günstig entwickelt haben. "Dann können es 3,4 Prozent sein", sagt Steinbrück.
Angesichts früherer Prognosen hat der Finanzminister auch allen Grund zur Freude. Während die Bundesregierung optimistisch einen Wert von 3,7 Prozent für erreichbar hielt, beurteilte die EU-Kommission die Haushaltslage mit 3,9 Prozent deutlich schlechter. Letztendlich irrten sich beide.
Besser ist noch nicht gut
Aber auch mit einer Defizitquote von 3,5 Prozent verstößt Deutschland zum vierten Mal in Folge gegen eines der Maastricht-Kriterien der Europäischen Union. Um Stabilität und Wachstum in der Eurozone zu garantieren, darf die Nettoneuverschuldung der Mitgliedsländer pro Jahr nicht mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.
Dieses Ziel will die große Koalition spätestens im Jahr 2007 wieder erreichen. Und die Aussichten dafür sind gut. "Unter den jetzigen Voraussetzungen wird Deutschland im kommenden Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach das Stabilitätskriterium einhalten", sagt Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) gegenüber manager-magazin.de.
Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht sogar davon aus, dass Deutschland die Defizitgrenze 2007 deutlich unterschreiten wird. "Wir rechnen für das kommende Jahr mit einer Neuverschuldung von etwa 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts", sagt Vesper gegenüber manager-magazin.de.
Daran ändert wohl auch das 25 Milliarden Euro schwere Investitionspaket nichts, das gerade vom Kabinett auf der Klausurtagung in Genshagen verabschiedet wurde. Denn die Ausgaben, mit denen vor allem der Mittelstand, die Familien und die Forschung gefördert werden sollen, verteilen sich auf die nächsten vier Jahre. "Allein durch die Mehrwertsteuererhöhung werden jedoch pro Jahr rund 24 Milliarden Euro an Mehreinnahmen erzielt", erklärt RWI-Experte Döhrn.
Deutschland kann sich Investitionen leisten
Deutschland kann sich Investitionen leisten
Die zusätzlichen Erlöse unter anderem durch die Mehrwertsteuererhöhung, die Abschaffung der Eigenheimzulage und der Steuersparfonds sowie der Kürzung der Pendlerpauschale und des Sparerfreibetrags gleichen die Investitionen problemlos aus. "Das gesamte Paket an Mehreinnahmen und Ausgabenkürzung wird 2007 etwa 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen", glaubt Döhrn. Damit könne die Defizitgrenze im nächsten Jahr sicherlich eingehalten werden.
Die Regierung kann sich das Investitionsprogramm somit trotz leerer Staatskassen leisten: Der Steuerzahler gleicht die höheren Belastungen ja aus. Damit wird die Haushaltskonsolidierung zu einem hohen ökonomischen Preis erkauft.
Das gerade wieder aufkeimende Wirtschaftswachstum wird 2007 einen gehörigen Dämpfer erhalten. "Ohne die restriktiven Maßnahmen würde das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr voraussichtlich um 0,7 Prozentpunkte mehr wachsen, 2007 sogar um 1,2 Prozentpunkte", kritisiert DIW-Volkswirt Vesper.
Dämpfer für die Konjunktur
Im vergangenen Jahr konnte sich die Wirtschaft nur dank des starken Exports mit 1,1 Prozent (kalenderbereinigt) auf dem gleichen Niveau wie 2004 halten. Die privaten Konsumausgaben stagnierten dagegen.
Vielen Ökonomen geht der Konsolidierungskurs der Bundesregierung daher auch zu schnell. "Bei der Erreichung des Defizitziels muss die konjunkturelle Lage im Blick behalten werden", sagt Vesper. In dem jetzigen Tempo würde die Wirtschaft zu stark stranguliert.
Darüber hinaus sind auch die Instrumente zur Konsolidierung des Haushalts umstritten. Eine Kürzung der Ausgaben wäre nach Meinung der Experten gesünder. "Eine Steuererhöhung ist nicht das richtige Mittel, um die Staatsverschuldung zu verringern", sagt Michael Bräuninger vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut. Die Bundesregierung sollte lieber auf der Ausgabenseite kürzen, anstelle - wie jetzt mit dem Investitionsprogramm - neue Steuervergünstigungen zu schaffen.
RWI-Ökonom Döhrn pflichtet seinem Kollegen bei. "Zur Finanzierung des Wachstumspakets sollten die Haushaltsmittel umgeschichtet und nicht neue Schulden aufgenommen werden. Eine Einnahmenerhöhung kann nie so gut sein wie eine Ausgabenkürzung."