Luftfahrtbranche Hochzeiten am Himmel
Frankfurt am Main - Dutzende Flugzeuge werden bestellt, die Unternehmen versuchen ihre Kosten durch Kooperationen zu drücken und die Effizienz soll durch einen Verbund der Dienste am Boden und in der Luft steigen. Verbraucher können sich freuen - sofern die hohen Ölpreise der Branche nicht einen dicken Strich durch die Rechnung machen.
Den größten Coup in der deutschen Luftfahrtindustrie schaffte 2005 die Deutsche Lufthansa, deren Aktie am Mittwoch den höchsten Stand seit 18 Monaten erreichte. Die Großaktionäre der Swiss stimmten einer Übernahme durch die größte deutsche Fluggesellschaft zu. Seither hat die Kranich-Linie erstmals ein großes Standbein im Ausland.
Strategisch wichtig für die Lufthansa ist auch die Übernahme der Kontrolle über Eurowings. Damit hat das Unternehmen den direkten Zugriff auf den Billigflieger Germanwings, einer Tochter des Dortmunder Regionalfliegers. In Zukunft schließt Lufthansa weitere Übernahmen nicht aus: "Wir sind gut beraten, bereit zu sein, falls sich Möglichkeiten ergeben", sagt Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber.
Air Berlin kooperiert mit Germania und DBA
Die Überraschung des Jahres war aber dem Chef der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin, Joachim Hunold, vergönnt. Die Charter-Gesellschaft Germania soll über einen Managementvertrag an Air Berlin angebunden werden - so hat es der im November gestorbene Germania-Inhaber Hinrich Bischoff in seinem Testament verfügt.
44 zum Teil an Dritte verleaste Flugzeuge hat Germania, Air Berlin hat derzeit 51 Jets im Einsatz und steuert auch die Niki-Flotte in Österreich. Eine weitere Kooperation vereinbarte Hunold mit der DBA, die vor allem auf innerdeutschen Strecken tätig ist. Hier sollen im Vertrieb über das Internet jeweils auch die Flüge des Partners angeboten werden.
Auch Flüge der beiden bisherigen Konkurrenten unter einer gemeinsamen Flugnummer werden nicht mehr ausgeschlossen. "Air Berlin bekommt damit eine gewisse Stärke", resümiert Unternehmenssprecher Peter Hauptvogel. "Der Trend geht zu mehr Kooperationen bis hin zu Zusammenschlüssen", sagt auch Martin Gaebges, Generalsekretär des Vereins der in Deutschland tätigen Fluggesellschaften (Barig).
Am Boden noch viel zu tun
Lufthansa: Am Boden ist noch viel zu tun
Doch nicht nur Fluggesellschaften schließen sich zusammen, um in größeren Einheiten dem internationalen Wettbewerb zu bestehen. Die bessere Vernetzung der Dienste am Boden und in der Luft sieht vor allem die Lufthansa als Chance.
So kaufte der Dax-Konzern nach der Beteiligung am Bau des neuen Münchner Flughafenterminals in diesem Jahr fünf Prozent der Anteile am Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport.
Auch bei der Privatisierung der noch bundeseigenen Flugsicherung wollen Lufthansa und andere Airlines im Verbund für eine Übernahme bieten - und damit den heimischen Standort im globalen Wettbewerb stärken.
Zeitgleich zu den neuen Kooperationen setzen viele Fluggesellschaften auf einen kräftigen Ausbau ihres Angebots.
Die Lufthansa bereitet sich nicht nur mit Hochdruck auf den Ende 2007 erwarteten Großraumflieger Airbus A380 vor, sondern testet in Hamburg dezentrales Wachstum mit einem breiteren Angebot und niedrigen Ticket-Preisen - auf die einfache Strecke umgerechnet zum Teil weniger als 50 Euro pro Flug.
Die Lufthansa-Tochter Germanwings sucht ebenfalls Expansionsmöglichkeiten und hat 18 neue Flugzeuge vom Typ A319 zum Ausbau und zur Modernisierung der Flotte bestellt. Für kommendes Jahr rechnet Germanwings mit einem Passagierplus von rund 35 Prozent.
Billigflieger vergrößern Flotte
Ryanair und Easyjet vergrößern Flotte
Auch die beiden größten europäischen Billigflieger Ryanair und Easyjet gehen in Deutschland auf Wachstumkurs. Ryanair kündigte an, auf seinem Stützpunkt Hahn in Rheinland-Pfalz die Flotte bis 2012 auf 18 Flugzeuge zu verdreifachen.
Easyjet will in Berlin-Schönefeld und in Dortmund jeweils eine zusätzliche Maschine stationieren - und erwägt die Aufnahme von innerdeutschen Flügen.
"Da werden Kapazitäten in den Markt gebracht, die auf die Preise drücken", sagt Gaebges. Er rechnet für 2006 mit einem Passagierplus von fünf Prozent - und einem noch größeren Plus bei der angebotenen Kapazität.
Mehr Passagiere selbst bei hohen Ölpreisen
Die große Unbekannte in den Planungen der Airlines bleiben die hohen Ölpreise. Für 2005 hatten sich viele Gesellschaften an den Finanzmärkten gegen die Steigerung auf zeitweise rund 70 Dollar abgesichert.
Damit schlagen sich Preiserhöhungen erst verzögert bei den Gesellschaften nieder - aber Absicherungen dürften kommendes Jahr bei ähnlich hohen Ölpreisen weniger preisdämpfend wirken.
Auf der anderen Seite könnte 2005 aber auch gezeigt haben: Selbst bei extrem hohen Ölpreisen steigen die Passagierzahlen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes allein von Januar bis Oktober um 6,9 Prozent auf 72 Millionen abfliegende Fluggäste. Und trotz des harten Konkurrenzkampfes und der hohen Kerosinpreise blieb die von vielen erwartete große Pleitewelle aus.
Von Rochus Görgen, dpa