Management Buy-out EDS verkauft A.T. Kearney
Düsseldorf - Nach wochenlangen, zähen Verhandlungen haben sich Michael Jordan, Chef des angeschlagenen texanischen IT-Konzerns Electronic Data Systems (EDS) und Heinz-Ludwig "Henner" Klein, Nummer eins der traditionsreichen Beratungsfirma A.T. Kearney, endlich geeinigt.
EDS wird 100 Prozent der Stimmrechte seiner Beratungstochter an die Führungsriege von A.T. Kearney verkaufen. So jedenfalls der Tenor einer Pressemitteilung, die A.T. Kearney am Mittwoch verbreitet hat. Über die Details der Vereinbarung, insbesondere über die Kaufsumme, schweigen sich die Parteien aus.
Die etwa 200 künftigen Partner müssen bis Ende November ihr Einverständnis mit dem Verhandlungsergebnis durch ihre Unterschrift besiegeln. Unbestätigten Informationen aus firmennahen Kreisen zufolge wird sich jeder Partner mit einer Summe von etwa 250.000 US-Dollar, davon 50.000 Dollar in bar, an A.T. Kearney beteiligen müssen. Auch die Principals, die in der Firmenhierarchie unter den Partnern angesiedelt sein werden, sollen Anteile erwerben können.
Zwei Bereiche bleiben bei dem Deal außen vor: Executive Search, also die Headhunter, und die so genannte Maintenance, Repair und Operations Management Group, kurz MRO. EDS verfolge insofern separate Lösungen, heißt es hierzu in der Mitteilung. In Kreisen von Headhuntern hält sich seit einigen Wochen das Gerücht, dass eine große, börsennotierte US-Personalberatungsfirma Interesse an der Executive Search Division von A.T. Kearney zeige.
Unklar ist weiter, ob sich Klein auch künftig an der Spitze von A.T. Kearney halten kann. In den vergangenen Wochen hatte es erhebliche Kritik am behutsamen Führungsstil des Firmenchefs gegeben. Jetzt aber scheint sich laut www.consultingstar.com das Blatt zu wenden: "Allein die Tatsache, dass Klein den Deal zustande gebracht hat, lassen seine Chancen wieder steigen", zitiert das Branchenportal aus dem Firmenumfeld.
Erste Verhandlungen zwischen EDS und A.T. Kearney über ein Management Buy-out waren im Juni dieses Jahres zunächst gescheitert. Stattdessen versuchte EDS-Vormann Jordan mit Kearneys US-Wettbewerber Monitor Group ins Geschäft zu kommen, der angeblich 400 Millionen Dollar für A.T. Kearney geboten haben soll. Doch Jordans Rechnung ging nicht auf und er verhandelte wieder exklusiv mit den Kearney-Partnern über einen Rückkauf.
Das gescheiterte Geschäftsmodell
Das gescheiterte Geschäftsmodell
Mit der Trennung von A.T. Kearney und EDS scheitert nicht nur eine Firmenfusion, sondern ein ganzes Geschäftsmodell. "Beratung aus einer Hand" hieß der vermeintliche Königsweg. Konzerne sollten nicht mehr dutzende verschiedener Dienstleister beschäftigen müssen, je nachdem, ob Finanz-, Kommunikations- oder EDV-Probleme zu lösen waren - sondern die externe Expertise bei einigen wenigen Unternehmen einkaufen.
Doch die erhofften Synergien zwischen den Beratungssparten blieben aus. Nicht nur bei Kearney und EDS, sondern auch bei einer Reihe vergleichbarer Zusammenschlüsse.
Für viele Kearney-Partner begann die Fusion wie der Ausflug ins Paradies. Die Partner, die 1995 zu den Verkäufern gehört hatten, waren zwar faktisch nicht mehr Miteigentümer des Unternehmens, konnten in den ersten fünf Jahren aber dank trickreich ausgehandelter Übergangsfristen frei agieren.
Zusätzlich kassierten sie Jahr für Jahr eine weitere Tranche des üppigen Kaufpreises - der Auszahlungsplan war auf zehn Jahre angelegt. Der Kearney-Umsatz stieg rasch bis auf 1,3 Milliarden Dollar im Jahr 2000, auch weil die Firma einige hundert IT-Berater von EDS übernahm. Gleichzeitig verwischte jedoch das bisherige Erscheinungsbild des Beratungsunternehmens: Zur angestammten Strategieberatung kamen immer häufiger schlechter dotierte Aufträge für die Lösung operativer Managementaufgaben und schlichter Computerprobleme.
Als Richard Brown 1999 neuer EDS-Chef wurde, musste er verwundert feststellen, dass sieben seiner Angestellten bei Kearney mehr verdienten als er selbst. Daran konnte der ruppige Texaner erst etwas ändern, als die ausgehandelte Fünf-Jahres-Schutzfrist abgelaufen war. Kaum war es so weit, ersetzte er den damaligen Kearney-Chef Fred Steingraber durch den Deutschen Dietmar Ostermann.
Der Enddreißiger, glaubte Brown, würde sich stets daran erinnern, wem er seinen Aufstieg zu verdanken hatte. Tatsächlich übernahm Ostermann bereitwillig die Rolle des Erfüllungsgehilfen, selbst als Brown 2003 den in der Beratungsbranche hoch geschätzten Steingraber wegen angeblicher Spesenvergehen vor Gericht zerrte.
Mit Ostermanns Hilfe degradierte Brown die Kearney-Berater zur verlängerten Vertriebsabteilung von EDS. Kearney- und EDS-Berater bildeten gemeinsame "Client Groups", um wichtigen Großkunden die gesamte Produktpalette des Computerkonzerns aus einer Hand anzubieten. Ein Fünftel des Kearney-Umsatzes stammte 2001 bereits aus der Zusammenarbeit mit EDS. Ostermann wollte den Anteil auf 50 Prozent hochfahren.
Subtile Demütigungen gab's gratis
Subtile Demütigungen gab's gratis
Die Stimmung unter den Kearney-Partnern sank rapide. Die Strategieberater wollten nicht ihren Ruf beim Kunden ruinieren, indem sie ihm EDS-Produkte anpriesen. Auch mit der üppigen Entlohnung war es vorbei. In den Jahren 2000 bis 2002 erhielten die Kearney-Leute keine nennenswerten Prämien.
Subtile Demütigungen gab es gratis: Die Kearney-Zentrale wurde von Chicago an den EDS-Sitz Dallas verlegt, interne Fortbildungen wurden per Weisung aus Dallas kurzfristig gestrichen - selbst wenn die Hotels schon gebucht waren. Auf jeder Kearney-Visitenkarte prangte nun deutlich sichtbar das EDS-Logo.
Kein Wunder, dass die Mitarbeiter in Scharen das Weite suchten. Insider schätzen, dass seit der Jahrtausendwende 80 Prozent der deutschen Kearney-Partner versucht haben, bei anderen Beratungsfirmen unterzukommen - und wie bei jedem Abwanderungsprozess gingen die Besten zuerst. Von den gut 100 Partnern, die ihr Unternehmen 1995 an EDS verkauft hatten, arbeiten heute nur noch rund 20 im Unternehmen.
Die internen Umbrüche fielen zusammen mit dem weltweiten Abschwung des Beratungsmarktes. Wenn überhaupt, dann waren Sanierer und Kostensenker gefragt. Das Letzte, was Unternehmen wollten, waren Berater, die ihnen teure E-Business-Lösungen aus dem EDS-Portfolio aufschwatzten.
Hinzu kommt, dass Kearney im Entlohnungswettstreit um Spitzenkräfte nicht mehr mithalten kann. Konzernunabhängige Partnergesellschaften wie Boston Consulting, Bain oder McKinsey schütten den gesamten Gewinn an die Partner aus. Bei Kearney hingegen erhielt zunächst der EDS-Konzern seinen Anteil; nur falls dann noch etwas übrig bleibt, wurden die Partner versorgt.
Verlassen von vielen Leistungsträgern, erdrückt von der EDS-Konzernhierarchie: Kearney schien einem unausweichlichen Niedergang entgegenzusehen. Da passt es ins triste Bild, dass der frühere Deutschland- und Europa-Chef Michael Träm die Öffentlichkeit und seine Kollegen jahrelang mit einem falschen Doktortitel narrte. Als manager magazin den Fall aufdeckte (siehe mm 1/2005), musste Träm zurücktreten.
Dass die Berater jetzt eine letzte Chance haben, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und zu wenden, verdanken sie der Krise von EDS selbst. Richard Brown musste 2003 abdanken, auf ihn folgte Michael Jordan. Der ehemalige McKinsey-Berater erkannte schnell: Kearney muss weg.
Doch wie soll es nach dem MBO bei Kearney weitergehen?
Klein, Nachfolger des 2003 abgesetzten Ostermann, hat die Abnabelung von EDS zwar beharrlich betrieben. Viele Kearney-Consultants vermissten jedoch die für einen Topberater unabdingbare Durchsetzungskraft. Sie legten es als Durchsetzungsschwäche aus, dass sein - inzwischen ausgeschiedener - Vorgänger Ostermann das Unternehmen zunächst nicht verlassen musste, sondern als Vice President im New Yorker Büro weiterpraktizieren durfte. Und dass Klein zu lange brauchte, um Träms Doktorspiele zu beenden.
Quälende drei Monate ließen sich die Kearney-Partner Zeit mit der Träm-Nachfolge. Sie wählten schließlich zwei bodenständige Operativkräfte: Zentraleuropa-Chef Neumann gilt als Technokrat. Der neue Europa-Chef Werner Kreuz hat als einer von wenigen schon vor Jahren gegen das Ostermann-Regime aufgemuckt.
Kearneys Hauptproblem im Markt
Kearneys Hauptproblem im Markt
Um den Abwärtstrend im deutschsprachigen Raum zu stoppen (dort erzielt Kearney ein Viertel des Gesamtumsatzes), trafen sich die zentraleuropäischen Partner Anfang Februar im beschaulichen Städtchen Bensberg im Bergischen Land. Hunderte von Vorschlägen wurden gesammelt, darunter viele Platitüden ("Die Erwartungen unserer Klienten sollen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen werden") und Selbstverständlichkeiten ("Offene und häufigere Kommunikation").
Wenige Ideen haben sich bislang dem Stadium des Konkreten angenähert: Kearney plant einen kräftigen Ausbau des Geschäfts in Osteuropa und Fernost. Inhaltlich will sich das Unternehmen stärker als bisher um Beratungsthemen wie Wachstums- und Innovationsmanagement kümmern. Die Schwächen in den Branchen Gesundheit und Pharma sowie Finanzdienstleistung sollen durch das Anheuern branchenerfahrener Seniorberater behoben werden.
Kearneys Hauptproblem im Markt: Weil die Firma keine klaren Kernkompetenzen besitzt, wird sie zu Bewerbungen um neue Aufträge, den so genannten Beauty Contests, oft nicht eingeladen. Zum Klinkenputzen bei potenziellen Neukunden fehlte den demotivierten Partnern bislang häufig der nötige Elan.
Die Folge: Kearney schöpft seine Zielgruppe nur zu knapp einem Viertel aus, wie der Bonner Hochschulprofessor und Beraterexperte Dietmar Fink herausgefunden hat. Laut Fink läuft das Unternehmen Gefahr abzustürzen, falls das Profil nicht schleunigst geschärft wird.
Zwar sei die Firma mit rund der Hälfte der 30 Dax-Konzerne im Geschäft, sagt Kearney-Manager Neumann im Mai dem manager magazin. Aber für die große Unternehmensstrategie engagieren die Klienten meist Konkurrenten. Auch bei lukrativen Spezialproblemen wie Sanierungen oder der Post-Merger-Integration liegt Kearney hinter McKinsey, Berger und Boston Consulting zurück. A.T. Kearney gilt eher als Experte für das Optimieren betriebswirtschaftlicher Prozesse. Aber gerade dieses Brot-und-Butter-Geschäft gerät unter massiven Preisdruck; die Margen schwinden.
Allzu viel Zeit darf die neue Führung mit der Neuausrichtung nicht vertrödeln. Wenn sie nach dem geplanten MBO nicht rasch mit klaren Strategien und besseren Zahlen aufwarten kann, drohen der Firma die letzten Leistungsträger abhanden zu kommen. Dann wird der von Fink befürchtete tiefe Fall unausweichlich.
In einer Hinsicht immerhin hat Kearney die Neuausrichtung bereits vor der nun bekannt gewordenen MBO-Einigung vollzogen: Von den Visitenkarten der Berater ist das ungeliebte EDS-Logo seit einigen Monaten bereits wieder verschwunden.