Der Hybridantrieb ist eines der Megathemen auf der IAA 2005. Bernd Bohr, Geschäftsführer bei Bosch für den Bereich Fahrzeugtechnik, erklärt im Gespräch mit manager-magazin.de, warum sich Sauberkeit allein aber noch nicht verkauft.
Herr Bohr, was ist Ihr persönliches Messe-Highlight der IAA 2005?
Bohr: Ganz klar das System "Night-Vision", das hier in der Mercedes S-Klasse Weltpremiere gefeiert hat. Für dieses Nachtsichtsystem liefert Bosch nicht nur die Kamera und die gesamte digitale Auswertung, sondern auch das Kombiinstrument mit einem großen Flatscreen-Display. Damit lassen sich viele Informationen in das Gesichtsfeld des Fahrers bringen.
mm.de: Der Siegeszug der Elektronik geht also weiter. Wie viel macht sie heute bereits zum Beispiel bei der Verringerung der Emissionen aus?
Bohr: Das, was wir heute an Sauberkeit und Verbrauch im Motor erreichen, hängt zur Hälfte an der Elektronik, wie zum Beispiel den Abgassensoren. Aber nur mit Elektronik geht es auch heute nicht. Der Rest ist immer noch Präzisionsmechanik. Hohe Drücke bei Dieseleinspritzung darzustellen, erfordert Passungen im Mikrometerbereich.
mm.de: Dennoch wird der Anteil der Elektronik an der Wertschöpfung beim Autobau weiter wachsen.
Bohr: Das ist richtig, neue Funktionalitäten entstehen wesentlich auf der Elektronik- sprich auf der Softwareseite. In einigen Jahren könnte dieser Bereich durchaus 30 Prozent an der Wertschöpfung im Automobil ausmachen.
mm.de: Was werden aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren die wichtigsten Innovationen im Bereich der Fahrzeugtechnik sein?
Bohr: Die drei Megathemen, die wir unter dem Slogan "sicher, sauber sparsam" zusammenfassen, werden auch weiterhin die Haupttriebfedern der Automobiltechnik sein. Den Bereich Sparsamkeit gehen wir dabei mit der Dieseltechnik, der Benzindirekteinspritzung und dem Hybridantrieb an. Mit den knapper werdenden Energieressourcen und der Diskussion über die globale Erwärmung wird sich der Trend zu sparsameren Motoren sicherlich fortsetzen, wenn nicht sogar verschärfen. Dies gilt besonders auch für Märkte wie die USA, die bisher die Verbrauchsseite weniger im Fokus hatten.
Hinzu kommt die zu erwartende weitere Absenkung der Emissionsgrenzen durch den Gesetzgeber. Auch dies ist ein weltweiter Trend, wenn Sie berücksichtigen, dass auch China und Indien bereits bei den Abgaswerten in Richtung Euro 3 gehen.
"In erster Linie Sparsamkeit"
mm.de: Wenn ich Sie also richtig verstehe, wird das Thema Sauberkeit von den Regierungen vorangetrieben und nicht von den Autokäufern?
Bohr: Dem Endkunden geht es in erster Linie um Sparsamkeit, denn das rechnet sich für ihn im tagtäglichen Gebrauch seines Autos. Er stellt eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf und investiert dann zum Beispiel etwas mehr Geld in ein Dieselfahrzeug, um diese Mehrausgabe durch einen geringeren Verbrauch überzukompensieren. Sauberkeit gewinnt sicherlich weiter an Bedeutung, verkauft sich als alleiniger Kundennutzen hingegen kaum.
mm.de: Wie kommt dann der Hybrid-Boom, der ja eben maßgeblich auf dem Öko-Image fußt, zu Stande?
Bohr: Es gibt sicherlich Menschen, die sich diesen "Feel-good-Faktor" leisten können und wollen, also einen schweren SUV fahren, aber noch ein paar tausend Dollar drauflegen, um darüber hinaus dem Aspekt Sauberkeit besondere Rechnung zu tragen.
mm.de: Welchen Marktanteil trauen Sie Hybridautos zu?
Bohr: Wir sind da weiterhin relativ konservativ und sagen in Japan 5 bis 10 Prozent, in Amerika um die 5 Prozent und in Europa niedrige einstellige Werte. Wir wissen allerdings, dass es Prognosen gibt, die deutlich höhere Werte nennen.
mm.de: Die bis wann erreicht werden?
Bohr: Das sind unsere Prognosen für 2015.
"Die meisten bremsen falsch"
mm.de: Welche Auswirkungen haben konjunkturelle Schwächen wie in den vergangenen Jahren auf Ihre Planungen?
Bohr: Unsere Planungen orientieren sich an langfristigen Marktentwicklungen. Wir diskutieren mit unseren Kunden jetzt über Anläufe von Fahrzeugen in drei bis vier Jahren, die dann wiederum mindestens vier Jahre im Markt sind. Daher haben wir ganz andere Regelzyklen. Aber natürlich merken wir auch, wie sich steigende Kraftstoffpreise oder weniger Geld im Portemonnaie ziemlich direkt im Käuferverhalten ausdrücken, also zum Beispiel mehr Diesel und weniger Komfort.
mm.de: Auch Bosch war von Reklamationen und Rückrufen wegen anfälliger oder fehlerhafter Bauteile betroffen. Haben wir teilweise die Grenze zur Technik der Technik willen überschritten? Oder anders gesagt, halten selbst die autoverrückten Deutschen mittlerweile nicht vieles für Spielkram?
Bohr: Die Hersteller trennen seit geraumer Zeit wieder eindeutig zwischen nützlich und "nice to have". Sie fokussieren sich auf Funktionen mit echtem und vermittelbarem Kundennutzen, um den Fahrer bei seiner Aufgabe zu unterstützen und das Auto übersichtlicher zu machen. Diese Vereinfachung wirkt sicherlich zum Teil auch den von ihnen angesprochenen Problemen entgegen. Generell wird das Zusammenspiel der elektronischen Systeme im Fahrzeug immer besser. Dazu trägt auch eine weitere Standardisierung zum Beispiel bei Software-Architekturen bei.
mm.de: Eine ganz andere Frage zum Schluss. Ist aus Ihrer Sicht als Lieferant von automobilem Hightech die Fahrschulausbildung zum Beispiel in Sachen Bedienung von Bordelektronik und Navigation sowie dem richtigen Umgang mit modernen Bremssystemen reformbedürftig?
Bohr: Beim Bremsen könnte man sicherlich noch einiges in der Fahrerschulung tun, denn die meisten Menschen bremsen in einer Paniksituation nach wie vor falsch, also nicht voll. Bei Bedienung und Navigation sehe ich hingegen keinen Schulungsbedarf. Die Menschen, die heute einen Führerschein machen, sind so versiert mit Computern und Computermenüs, dass sie damit ohne Schwierigkeiten zurechtkommen.