Im milliardenschweren Verkaufspoker um den Dieselmotorenhersteller MTU Friedrichshafen hat Großaktionär DaimlerChrysler offenbar den Druck auf die widerspenstigen Eigentümerfamilien erhöht. Der Konzern will mit Hilfe eines Tricks auch ohne deren eigentlich nötige Zustimmung verkaufen.
Stuttgart - DaimlerChrysler will den auf mehrere Gesellschaften unterteilten MTU-Konzern in einer Tochtergesellschaft bündeln, um das Unternehmen dann als Ganzes an einen Investor zu verkaufen. Auf diese Weise sollen der zuletzt gestoppte Verkaufsprozess wieder belebt und die Vetorechte der Familiengesellschafter umgangen werden.
Wie die Nachrichtenagentur DPA-AFX unter Berufung auf das Umfeld der Familiengesellschafter meldet, verlangt DaimlerChrysler die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 1. September. Dies geht aus einem Schreiben des Autokonzerns, der 88 Prozent an MTU hält, an die Geschäftsführer und die Familien hervor. Auf der Versammlung solle über die Ausgliederung aller MTU-Vermögenswerte in eine neue oder bereits bestehende Tochtergesellschaft abgestimmt werden.
Carlyle-Vertrag müsste wieder aufgelöst werden
Anschließend solle ein neues Bieterverfahren gestartet werden, um die so gebündelte MTU zu einem angemessenen Preis zu verkaufen. Der Verkaufserlös solle dann gemäß den Anteilen unter den Gesellschaftern aufgeteilt werden, heißt es in dem Schreiben. DaimlerChrysler will mit dem Verkauf seines Anteils mehr als eine Milliarde Euro einnehmen. Zum Vorgang wollte sich eine Konzernsprecherin am Montag nicht äußern.
Die Familien hatten kürzlich einen Exklusivvertrag über Verhandlungen mit dem Finanzinvestor Carlyle unterzeichnet. DaimlerChrysler favorisiert dagegen einen strategischen Investor. Der Vorstoß von DaimlerChrysler ist als Reaktion auf die Vereinbarung der Familien mit Carlyle zu verstehen. Der Stuttgarter Konzern empfand es offenbar als Provokation, dass die Familien den Verkaufsprozess einseitig beeinflussten und den Amerikanern ihren 12-Prozent-Anteil zusicherten.
Damit das neue Verkaufsmodell von DaimlerChrysler funktioniert, müssten die Familien den Vertrag mit Carlyle voraussichtlich wieder auflösen. Kommt es zu keiner Einigung zwischen den Familien und DaimlerChrysler, könnte der MTU-Verkauf womöglich erst vor Gericht entschieden werden.
Einzelgesellschaften sollen liquidiert werden
MTU-Einzelgesellschaften sollen liquidiert werden
Nach Angaben aus Branchenkreisen will DaimlerChrysler eine Zerschlagung des Motorenbauers verhindern und strebt deshalb eine Paketlösung an. Die Stuttgarter hatten bis Anfang Juli mit dem Nutzfahrzeug- und Maschinenbauer MAN verhandelt. Die Münchener stiegen aber aus, weil die Familien sich stur stellten.
Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens werde auch in der neuen Rechtsform ungehindert unter dem Namen MTU Friedrichshafen fortgesetzt. Die früheren MTU-Einzelgesellschaften sollen nach der Übertragung in die neue Gesellschaft liquidiert werden.
Die MTU Friedrichshafen GmbH baut mit 5000 Beschäftigten Großdieselmotoren für Schiffe, Eisenbahnen, Militär- und Baufahrzeuge sowie Energieversorgungsanlagen. Im Vorjahr erzielte der Konzern einen Umsatz von 1,35 Milliarden Euro.