"Schwarz oder weiß"
Das bewegte Leben des Jürgen E. Schrempp
Nach der Verlängerung seines Arbeitsvertrages im vergangenen Jahr sah es aus, als säße Jürgen Schrempp bei DaimlerChrysler fest im Sattel. Nun geht er doch, plötzlich und auf eigenen Wunsch. Ein Abgang, der zu dem Mann passt, der von sich sagt, er sei "nie grau - immer schwarz oder weiß".
Stuttgart - Jürgen E. Schrempp polarisiert, und er weiß es. Er redet nicht, um kritische Geister zu überzeugen, sondern um seine Sicht der Dinge einzuhämmern.
Er trägt keine mühsam erarbeiteten Kompromisse vor, sondern verkündet Richtungsentscheidungen. Jürgen Schrempp ist der Mann, der im dritten Jahr als Daimler-Benz-Chef die vielleicht wichtigste Entscheidung in der Unternehmensgeschichte im Alleingang vorbereitete: Die Fusion mit dem angeschlagenen größeren Konkurrenten Chrysler.
"Rambo" wurde er deshalb von aufgebrachten Arbeitnehmern genannt. Danach bemühte sich der gelernte Kraftfahrzeugmechaniker um ein gutes Verhältnis zu den Mitarbeitern, vor allem zu IG-Metall-Funktionär und Betriebsratschef Erich Klemm. Denn Schrempp brauchte die Unterstützung der Arbeitgeberbank im Aufsichtsrat, um seinen Globalisierungskurs für den Autokonzern fortzuführen, der nach anfänglicher Begeisterung von Teilen der Aktionäre immer kritischer bewertet wurde. Das ist der andere Jürgen Schrempp, der um der Macht willen auch Koalitionen bildet.
Teurer Handschlag: Die Übernahme des sanierungsbedürftigen Autobauers Chrysler kam Mercedes teuer zu stehen. Der ehemalige Chrysler-Chef Bob Eaton hingegen hat Grund, zufrieden zu sein
Foto: DPA
Kurze Partnerschaft: Die Zusammenarbeit mit dem koreanischen Autobauer Hyundai (hier: Schrempp im Juli 2001 mit Hyundai-Chairman Chung Mong-koo) währte nur kurz. Zumindest finanziell hat sich der Verkauf der 10-Prozent-Beteiligung an Hyundai im Mai 2004 gelohnt.
Foto: REUTERS
Milliardengrab: Das lange Festhalten am defizitären japanischen Autobauer Mitsubishi Motors brachte dem DaimlerChrysler-Chef massive Kritik von Aktionären ein. Im Jahr 2000 verkündete Schrempp gemeinsam mit Mitsubishi-Chef Katsuhiko Kawasoe eine 34-Prozent-Beteiligung. 2004 entschloss sich der DaimlerChrysler-Chef zum Rückzug.
Foto: AP
Glücklose Beteiligungen Bitte klicken Sie auf ein Bild, um zur Großansicht zu gelangen.
Bei der Zerreißprobe um den umstrittenen Sparkurs bei Mercedes in Sindelfingen nutzte Schrempp seine Kontakte zu Klemm im Hintergrund, um schließlich am 23. Juli vergangenen Jahres die Einigung über jährlich 500 Millionen Euro Einsparungen bei den Arbeitskosten verbunden mit einer Jobgarantie bis Anfang 2012 zu verkünden.
Alles unter Konrolle: Jürgen Schrempp mit Ehefrau Lydia beim Formel-1-Rennen in Hockenheim
Foto: DPA
Zigarrenliebhaber: Schrempp bei einem Empfang im Detroit Jacht Club.
Foto: DPA
Die Zeit läuft ab: Noch in diesem Jahr will Schrempp seinen Posten für Nachfolger Dieter Zetsche frei machen
Foto: DPA
Jürgen Schrempp privat Bitte klicken Sie auf ein Bild, um zur Großansicht zu gelangen.
Dieses Ergebnis, ein guter Halbjahresgewinn und die relativ geräuschlose Neubesetzung des Mercedes-Benz-Chefpostens durch seinen Vertrauten Eckhard Cordes, bescherten Schrempp noch einmal positive Schlagzeilen.
Angeschlagen seit Mitsubishi-Chaos
Angeschlagen seit dem Scheitern bei Mitsubishi
Doch als Schrempp am 23. April 2004 bei der schwer angeschlagenen Beteiligung Mitsubishi Motors die Reißleine zog und sich von der Idee der Welt-AG verabschiedete, gab er das Scheitern seiner Konzernentwicklungsstrategie bekannt - und damit das Scheitern seiner Arbeit der vergangenen Jahre.
Der DaimlerChrysler-Chef bewies zwar Kämpferqualität: Wenige Tage nach der Entscheidung wurde er vom Aufsichtsrat gestützt, dafür flog Kritiker Wolfgang Bernhard aus dem Vorstand. Und Schrempp erklärte umgehend China zum neuen Mittelpunkt seiner Asien-Strategie.
Diese Schnelligkeit und sein Durchsetzungsvermögen zeichneten nach Ansicht von Managern aus der Stuttgarter Zentrale die Persönlichkeit des DaimlerChrysler-Lenkers aus.
Kritiker warfen ihm aber immer wieder vor, dabei die sorgfältige Prüfung zu vernachlässigen und erinnern an die beiden im Endeffekt milliardenschwer gescheiterten Übernahmen des niederländischen Flugzeugbauers Fokker in den 90er Jahren und Mitsubishi.
Topentscheider: Schrempp mit Bundeskanzler Gerhard Schröder im "Mercedes-Motorwagen"
Foto: AP
Entspannt: Schrempp mit Altkanzler Kohl in Berlin
Foto: DPA
Autofreunde: Schrempp mit Innenminister Otto Schily
Foto: DPA
Drähte zur Politik Bitte klicken Sie auf ein Bild, um zur Großansicht zu gelangen.
Dass Schrempp trotz des Rückschlags bei Mitsubishi das Lenkrad bei DaimlerChrysler noch eine Zeit lang fest in der Hand behielt, lag vor allem daran, dass er den Konzern passgenau auf sich zugeschnitten hat und in Aufsichtsratschef Hilmar Kopper einen mächtigen Fürsprecher und Freund hatte. Der machtbewusste Konzernchef verstand es, auch anfängliche Niederlagen in Siege umzubiegen.
So scheiterte er zwar Ende April 2004 mit einer entscheidenden Personalie: der Besetzung des Mercedes-Chefsessels mit seinem "Ziehsohn" Wolfgang Bernhard. Aus dem sich anschließenden großen Stühlerücken im Vorstand ging Schrempp aber gestärkt hervor. Mit sicherem Instinkt hievte er Ende Juli seine langjährigen Vertrauten Eckhard Cordes als neuen Mercedes-Chef und Andreas Renschler als neuen Leiter der Nutzfahrzeugsparte in zentrale Positionen des Konzerns und band das Führungsgremium damit noch enger an sich.
Überzeugen oder rausschmeißen
Überzeugen oder rausschmeißen
Es galt immer als Kennzeichen von Schrempps Führungsstil, Leute entweder zu überzeugen oder seinen Weg ohne sie fortzusetzen. "Er hat es geschafft, eine Mannschaft aufzubauen, die klar auf ein Ziel hin arbeitet", bescheinigt ihm Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen. "Er ist umsetzungsstark und alles andere als konfliktscheu."
Auszeichnung: Schrempp bei der Bambi-Verleihung mit Verleger Hubert Burda
Foto: DPA
Engagement gegen Aids: Mit Ehefrau Lydia auf einer Benefiz-Gala
Foto: DDP
Südafrika-Freunde: Jürgen Schrempp mit Nelson Mandela. Schrempp besitzt eine Ranch in Südafrika
Foto: DPA
In guter Gesellschaft Bitte klicken Sie auf ein Bild, um zur Großansicht zu gelangen.
Schrempp war vor zehn Jahren zum Nachfolger von Edzard Reuter als Chef der Daimler-Holding bestimmt worden, nachdem er mehrere Jahre lang die Geschicke der Daimler-Benz Aerospace AG (Dasa) bestimmt hatte. 1995 trat er sein Amt an der Daimler-Spitze an und sollte die Strategie des integrierten Technologiekonzerns weiterführen. Doch schon nach wenigen Wochen musste er einen Rekordverlust von damals 5,7 Milliarden Mark verkünden.
Schrempp zog die Notbremse: "Altlasten" wie AEG verkaufte er, dem Konzern verordnete er eine Radikalkur, in deren Verlauf auch die Autotochter Mercedes ihre Selbstständigkeit verlor und im Konzern aufging. Gab es 1995 nach Unternehmensangaben noch 33 Geschäftsfelder, von denen 25 Verlust schrieben, reduzierte Schrempp die Zahl bis 1998 auf zwölf, die alle profitabel arbeiteten.
Inbegriff für soziale Kälte
In der breiten Öffentlichkeit wurde Schrempp damit zum Inbegriff der neuen, sozial kalten Shareholder-Value-Kultur im Zeitalter der Globalisierung. Mit geschätzten 7,5 Millionen Euro Jahresgehalt ist er nach Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann der Manager mit dem zweithöchsten Einkommen in einem Dax-30-Konzern.
Schrempp ist seit Dezember 2000 in zweiter Ehe mit seiner früheren Büroleiterin Lydia Deininger verheiratet, mit der er eine dreijährige Tochter und einen vier Monate alten Sohn hat. Aus erster Ehe hat er zwei Söhne. Schrempp, der im vergangenen Jahr den Ehrentitel Professor erhalten hat, lebt mit seiner Familie in München. Er ist Bergsteiger und Hobbytrompeter. Auf sozialem Gebiet engagiert er sich für Aidskranke und arme Kinder.
Seine große Liebe gehört dem Land Südafrika, wo er lange erfolgreich als sozial engagierter Manager tätig war und zum persönlichen Freund Nelson Mandelas wurde.
Lebenslauf eines Topmanagers
Die lange Karriere bei DaimlerChrysler
Geburtstag: 15. September 1944
Geburtsort: Freiburg im Breisgau
Familienstand: Verheiratet, vier Kinder
Ausbildung:
bis 1967:
Mittlere Reife, anschließend Lehre als Kfz-Mechaniker bei Daimler-Benz, Studium der Ingenieurwissenschaften - Abschluss Diplom-Ingenieur
Beruflicher Werdegang:
1967:
Eintritt in die Zentrale der Daimler-Benz AG, bis 1974 in verschiedenen Bereichen des Konzerns tätig
1974 - 1982:
Berufung in das Management von Mercedes-Benz of South Africa, zunächst für den Kundendienst zuständig, ab 1980 als Mitglied der Geschäftsführung für den Bereich Technik verantwortlich
1982 - 1984:
President der angeschlagenen Daimler-Benz-Tochter Euclid, nach erfolgreicher Sanierung und anschließendem Verkauf des US-Nutzfahrzeugherstellers Rückkehr nach Südafrika
1984 - 1987:
Zunächst Vice Chairman, dann Chairman des Management Board Mercedes-Benz of South Africa
1987:
Rückkehr in die Konzernzentrale nach Stuttgart, als Bereichsleiter im neu geschaffenen Geschäftsbereich
Nutzfahrzeuge für den Vertrieb verantwortlich, gleichzeitig Berufung zum stellvertretenden Vorstandsmitglied (Ressort Nutzfahrzeuge)
Mai 1989:
Übernahme des Vorstandsvorsitzes der neu gegründeten Deutsche Aerospace AG (Dasa), in der die Luft- und Raumfahrtaktivitäten sowie wichtige Teile der Verteidigungstechnik von Daimler-Benz gebündelt werden (unter anderem Dornier, MTU, Telefunken Systemtechnik, MBB, Deutsche Airbus), als Dasa-Vorsitzender auch Mitglied des Vorstands der Konzern-Holding Daimler-Benz AG
Mai 1995:
Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG
Dezember 1998:
Bestätigung als Vorsitzender des Vorstands der fusionierten DaimlerChrysler AG, Co-Chairman ist Robert Eaton, vormals Chrysler-Chef
April 2000:
Nachdem Robert Eaton seinen Posten zum 31. März niedergelegt hat, alleiniger Vorstandsvorsitzender der DaimlerChrysler AG
Februar 2004:
Schrempps Vertrag wird bis 2008 verlängert
Juli 2005:
Schrempps Rücktritt wird noch für das laufende Jahr angekündigt