NRW-Wahldesaster SPD will Bundestags-Neuwahl
Berlin/Düsseldorf - Bei der Landtagswahl in NRW hat Rot-Grün am Sonntag die Mehrheit verloren. Die CDU ist als stärkste Partei aus der Wahl hervorgegangen. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erzielten die Christdemokraten 44,8 Prozent der abgegebenen Stimmen (2000: 37,0 Prozent). Die FDP kam auf 6,2 Prozent (2000: 9,8 Prozent), wie die Landeswahlleitung in Düsseldorf mitteilte. Damit verliert die SPD nach 39 Jahren die Macht im bevölkerungsreichsten Bundesland.
Die SPD von Ministerpräsident Peer Steinbrück verlor deutlich an Wählerzuspruch und kommt nur noch auf 37,1 Prozent (2000: 42,8), die Grünen liegen bei 6,2 Prozent (2000: 7,1). Die Wahlbeteiligung lag bei 63 Prozent (56,7 Prozent).
Die eigentliche Sensation aber lieferte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering bereits kurz nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnung. Der SPD-Chef kündigte für den Herbst eine vorgezogene Bundestagswahl an. Am Dienstag werde der Parteivorstand mit den Landesvorsitzenden der SPD zusammenkommen. Dort solle über die Neuwahl offiziell beraten werden. Über eine Neuwahl kann nur der Bundestag entscheiden.
Müntefering sagte: "Wir suchen die Entscheidung. Es ist Zeit, dass in Deutschland die Verhältnisse geklärt werden." Und weiter: "Die Menschen sollen sagen, von wem sie regiert werden wollen." Bundeskanzler Gerhard Schröder und Müntefering hatten seit 15.00 Uhr im Kanzleramt beraten. Sie waren offenbar dann zu dem Entschluss gekommen, ein Jahr vor der im Herbst 2006 regulär anstehenden Bundestagswahl ein Votum der Bürger herbeizuführen.

Abschied nach 39 Jahren: Peer Steinbrück konnte das Wahldesaster nicht verhindern
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Konsequenzen für Berlin: NRW-Spitzenkandidat Peer Steinbrück steht am Montag im Willy-Brandt-Haus in der SPD-Praesidiumssitzung hinter Bundeskanzler Gerhard Schröder
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Kanzlerkandidatin Merkel?: In der Union läuft alles auf eine Kanzlerkandidatur von Angela Merkel hinaus
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Beben im Rheinland und in Berlin Bitte klicken Sie auf ein Bild, um zur Großansicht zu gelangen. |
SPD plant konstruktives Misstrauensvotum
Die SPD will über ein konstruktives Misstrauensvotum den Weg für die Neuwahl des Bundestags im Herbst freimachen. Der parlamentarische Geschäftsführer des SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, sagte am Sonntagabend in Berlin, nur auf diesem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Weg könne das Ziel erreicht werden. Ohne eine Neuwahl würde es "ein Gewürge ohne Ende" zwischen Koalition und Opposition geben. Die Zeit der Denkzettelwahlen zu Ungunsten von Rot-Grün sei vorbei, meinte Schmidt. Ab sofort gebe es "wieder ein offenes Rennen". Entweder gingen Union und FDP oder SPD und Grüne als Sieger aus dem Wahlkampf hervor. "Die Polarisierung wird jetzt stattfinden müssen."
SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter sagte, die Entscheidung müsse jetzt gesucht werden. Die Union dürfe sich "nicht länger in die Büsche schlagen". Auf die Frage, ob er eine Zerreißprobe für die SPD erwarte, sagte Benneter, er gehe davon aus, dass jetzt alle zusammenhalten.
Als "richtiges Signal" begrüßte der abgewählte nordrhein-westfälische Regierungschef Peer Steinbrück die Ankündigung der SPD-Bundesspitze zu Neuwahlen. Es habe keinen Zweck, die Politik noch 15 Monate "dümpeln" zu lassen, sagte der SPD-Politiker am Sonntag in Düsseldorf.
Grüne und CDU/CSU begrüßen Bundestagsneuwahl
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, unterstützt den SPD-Vorschlag für eine vorgezogene Neuwahl im Bund. "Man muss sich fragen, was man bis zum Herbst 2006 noch durchsetzen könnte", sagte sie der "Thüringer Allgemeine". Der Vorschlag des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering sei mit ihrer Partei abgesprochen gewesen. Sie finde den vorgeschlagenen Termin in Ordnung. Man werde im Herbst 2005 für eine Mehrheit gemeinsam mit der SPD kämpfen.
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer hat erst kurzfristig von den SPD-Plänen zu vorgezogenen Neuwahlen auf Bundesebene erfahren. Am Wochenende habe sich das "im ganz engen Zirkel" bei den Grünen herumgesprochen, dass es diese Überlegung gibt, sagte Bütikofer am Montag dem ZDF-"Morgenmagazin". "Es war nicht so, dass wir das wochenlang vorher diskutiert hätten", betonte er. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sei an den Gesprächen beteiligt gewesen. "Es ist wichtig, jetzt zu wissen, ob wir noch ein Mandat haben für die Reformen, die wir angestoßen haben", fügte er hinzu.
CDU-Chefin Angela Merkel sprach von einem großen Tag für die Unionsparteien, wich der Frage nach der Kanzlerkandidatur für CDU und CSU aber aus. Vor Neuwahlen im Herbst müssten SPD und Grüne erst einmal zeigen, wie sie dies erreichen wollten. CSU-Chef Edmund Stoiber begrüßte die Initiative für Neuwahlen und will die Kandidaten-Frage "möglichst rasch" klären. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte, seine Partei sei bereit.
Steinbrück: "Ich habe gegeben, was ich konnte"
Peer Steinbrück gesteht Niederlage ein
Steinbrück gestand seine herbe Niederlage ein: "Ich habe das gegeben, was ich geben konnte." Zwar liege seine Partei mit ihrem Ergebnis bei der Landtagswahl noch über dem Bundestrend, doch habe sie ihre Wahlziele "in keinster Weise" erreicht. Er übernehme persönlich die Verantwortung für die Schlappe. Seinem Herausforderer Jürgen Rüttgers gratulierte er.
Steinbrück geht davon aus, dass die Niederlage seiner Partei auch auf die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung zurückzuführen ist. Hartz IV habe eine Rolle gespielt, sagte Steinbrück der ARD. "Viele Menschen fühlen sich als Verlierer", fügte der SPD-Politiker hinzu. Er halte die Reformen aber dennoch für wichtig. Die SPD müsse sich ihrer Verantwortung stellen, "auch wenn man darüber Wahlen verlieren kann".
Der designierte NRW-Ministerpräsident will den Menschen im Land wieder mehr Sicherheit und Zuversicht verschaffen. "Die Menschen haben uns einen Auftrag gegeben, dafür zu sorgen, dass NRW wieder kommt", sagte Rüttgers vor zahlreichen Anhängern nach dem Wahlsieg. Die Bürger hätten sich vor allem eines gewünscht Die Rot-Grünen müssen weg, das haben wir erreicht." Der 22. Mai sei ein wunderschöner Tag.
Merkel spricht von historischem Sieg
CDU-Chefin Angela Merkel bezeichnete den Wahlsieg ihrer Partei in einer ersten Stellungnahme als "historischen Sieg". "Heute Abend ist die letzte rot-grüne Landesregierung in Deutschland abgewählt worden", erklärte sie in Berlin. Sie sprach von einem sensationellen Ergebnis. Die Wähler setzten ihre Hoffnung auf Jürgen Rüttgers und die CDU, auf eine Politik gegen Arbeitslosigkeit. Das Motto "Vorfahrt für Arbeitsplätze" müsse umgesetzt werden. Die Partei werde alles daran setzen, in NRW eine vernünftige Politik umzusetzen. Auch auf Bundesebene "werden wir daran weiter arbeiten".
Grüne: Polarisierung hat uns geschadet
Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) sieht den Grund für die verlorene Landtagswahl vor allem in den Stimmverlusten der SPD. "Das ist eine klare Niederlage für Rot-Grün", sagte sie. Die NRW-Chefin der Grünen, Britta Haßelmann, bezeichnete das Ergebnis der Landtagswahl als "eindeutige und klare Niederlage" für Rot-Grün. Das Wahlziel sei ganz eindeutig nicht erreicht worden, sagte Haßelmann im WDR-Fernsehen. Es gelte nun, die Gründe für das schlechte Abschneiden der Koalition in aller Ruhe zu analysieren. Die Polarisierung auf die beiden Spitzenkandidaten der großen Parteien habe möglicherweise den Grünen geschadet. Auch Sylvia Löhrmann, Grüne-Fraktionschefin in NRW, sagte: "Das ist eine Niederlage für Rot-Grün. ... Ob wir dritte Kraft werden, das wissen wir nicht da hoffen wir noch drauf. Aber die FDP hat deutlich mehr verloren."