Edmund Stoibers Vorstoß zu Gunsten eines Mindestlohns in Deutschland hat die Arbeitgeber auf die Barrikaden gebracht. Das sei ein gefährlicher Griff in die Mottenkiste, schimpften Unternehmer und Verbandschefs.
Berlin - Mit scharfer Kritik haben Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) auf einen Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) reagiert, der deutliche Sympathie für eine Einführung von Mindestlöhnen gezeigt hat. Zuspruch erhielt Stoiber dagegen vom DGB. Der CSU-Chef hatte gefordert, angesichts des Zustroms billiger Arbeitskräfte aus den osteuropäischen EU-Staaten müsse man sich "ernsthaft Gedanken über einen gesetzlichen Mindestlohn machen".
Hundt sagte, ein Mindestlohn gleich welcher Form führe in eine neue beschäftigungspolitische Sackgasse. Alle immer wieder diskutierten denkbaren Varianten seien "gefährlich", warnte der Arbeitgeberpräsident. "Sie zerstören Arbeitsplätze, entweder durch Verdrängung in Schwarzarbeit, Verlagerung ins Ausland oder schlichtweg durch Wegfall." Die Bundesregierung sei gut beraten gewesen, dieses gefährliche Vorhaben fallen zu lassen.
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag lehnt gesetzliche Mindestlöhne ab. Mindestlöhne bedeuteten mehr Kosten und mehr Bürokratie für die Unternehmen, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Sie hätten beschäftigungspolisch fatale Folgen und trieben vor allem die Arbeitslosigkeit gering Qualifizierter weiter in die Höhe. Statt
Mindestlöhne einzuführen, sollten die Lohnzusatzkosten gesenkt werden.
Der HDE wertete einen gesetzlichen Mindestlohn als schwereren Verstoß gegen die Tarifautonomie. "Es ist Aufgabe der Tarifparteien und nicht des Staates, Löhne festzulegen", sagte sein Sprecher Hubertus Pellengahr der "Berliner Zeitung". Mindestlöhne widersprächen dem Ziel der Arbeitsmarktreform "Hartz IV", durch Absenkung der Lohnersatzleistungen die Anreize zur Arbeitsaufnahme zu verstärken.
"Wir waren schon froh, dass die SPD selbst ihre Vorstellungen zum Mindestlohn in der Mottenkiste versenkt hat", fügte Pellengahr hinzu. "Warum nun die Union in diese Mottenkiste greift und gewerkschaftliche und sozialdemokratische Positionen hervorholt, ist uns ein Rätsel".