Die Spekulationen haben eine Ende: Christoph Achenbach ist nach einem knappen Jahr im Amt von seinem Posten als KarstadtQuelle-Lenker zurückgetreten. Die Position des Vorstandschefs bleibt zunächst unbesetzt.
Essen/Wiesbaden - Der erst im Oktober zu KarstadtQuelle gekommene Finanzvorstand Harald Pinger soll die Arbeit im Vorstand vorerst koordinieren. Damit bekommt der Waren- und Versandhauskonzern mitten in seiner schwersten Krise einen Interimschef - und den vierten Vorsteher in fünf Jahren.
Sein Vorgänger Christoph Achenbach habe "den Aufsichtsrat am Donnerstag über seinen Wunsch informiert, die ihm übertragenen Aufgaben als Vorstandsvorsitzender der KarstadtQuelle AG nicht mehr fortsetzen zu wollen", schrieb KarstadtQuelle am Abend in einer Pflichtmitteilung an die Börse. Das Gremium, das am Donnerstag in Wiesbaden zu einer Sitzung zusammen getroffen war, entsprach nach eigenen Angaben diesem Wunsch.
Über Achenbachs Abgang war seit Wochen spekuliert worden. Bereits am 11. März einen Brief an Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff überreicht, in dem er seinen Rücktritt anbot. Das hatte manager magazin exklusiv berichtet. Middelhoff hatte seinem Vorstandschef im Anschluss aber den Rücken gestärkt. Der 46-jährige Achenbach genieße das Vertrauen des Aufsichtsgremiums und werde seinen Vertrag (Laufzeit bis Ende März 2006) erfüllen, so Middelhoff damals.
Nur ein Drittel der angestrebten Teilverkäufe erreicht
Was nun für den Stimmungsumschwung gesorgt hat, blieb am Abend unklar. Allerdings muss der Handelsriese am kommenden Montag erstmals in diesem Jahr vor seinen Gläubiger über die Fortschritte seines Sanierungskonzeptes Rechenschaft ablegen. Vor allem der Stand der Verkaufspläne werde ein Schlüsselfrage für die Geldgeber sein, hieß es auf der Gläubigerseite. Der Konzern will in diesem Jahr Unternehmensteile für rund 1,1 Milliarden Euro verkaufen, doch gibt es bislang nur gut ein Drittel dieser Summe Verträge.
In vielen Fällen dürften sich auch die kalkulierten Verkaufspreise als unrealistisch erweisen. Mit 400 Millionen Euro soll etwa nach Medienberichten ein jüngst von dem Hamburger Finanzinvestor BC Partners vorgelegtes Angebot für die zum Verkauf stehenden 75 kleinen Warenhäuser um rund ein Drittel unter den ursprünglichen Preisvorstellungen von KarstadtQuelle liegen.
Die Unsicherheit im Management wirkt sich außerdem negativ auf die Verhandlung über einen zusätzlichen 400-Millionen-Euro-Kredit aus. Zusätzlichen Druck gibt es, weil für die nächste Woche die Bilanz-Pressekonferenz des Unternehmens vorgesehen ist.
Achenbach nahe stehende Personen machten am Abend generell Mängel in der internen Kommunikation sowie mangelnde Akzeptanz bei den Banken für das Scheitern verantwortlich.
Signal für schärferen Kurs
Signal für schärferen Sanierungskurs
Die Berufung des versierten Controllers und im Umgang mit Banken als geschickt geltenden Harald Pinger wird nun von Beobachtern als Signal für eine Verschärfung des Sanierungskurses gewertet.
Pinger war erst im Oktober von Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff zu KarstadtQuelle geholt worden. Dort hatte er 700 Millionen Euro frisches Kapital und eine Kreditlinie über 1,75 Milliarden Euro organisiert und KarstadtQuelle damit zunächst vor der Pleite gerettet.
Medienberichten zufolge war er nun als formeller Nachfolger von Achenbach im Gespräch, was allerdings dem Vernehmen nach in Finanzkreisen für Unruhe gesorgt hatte. Es gebe Vorbehalte bei einigen Karstadt-Gläubigern gegen den Finanzvorstand Pinger als Achenbach-Nachfolger, hieß es aus Gläubigerkreisen. "Er ist erst seit sechs Monaten im Unternehmen, er ist kein Handelsexperte, und es stellt sich die Frage, ob er strategische Führung übernehmen kann." Doch könnten die Gläubiger den Finanzvorstand als Interimslösung wohl akzeptieren.
Nachfolger wird "international gesucht"
Für die Arbeitnehmerseite erklärte eine Ver.di-Sprecherin am Abend, der gerade begonnene Sanierungsprozess in dem Unternehmen müsse unabhängig von Personalfragen weitergeführt werden. Die Personaldiskussion habe für viel Unruhe im Betrieb gesorgt. Wichtig sei, dass nun wieder Ruhe einkehre.
Offenbar bevorzugt der Aufsichtsrat aber trotzdem eine Alternativlösung zu Pinger. "Der neue Vorstandsvorsitzende für die KarstadtQuelle AG wird nach einem klaren Anforderungsprofil international gesucht", teilte der Konzern noch am Donnerstagabend mit.
Der lange Zeit als Nachfolger gehandelte Chef des Luxemburger Unternehmens Thiel Logistik, Klaus Eierhoff, winkte derweil demonstrativ ab: "Mir macht der Job bei Thiel Spaß. Wir kommen gut voran. Ich sehe daher keinen Grund für einen Wechsel", sagte der Manager.
Umsatzeinbrüche nicht zu stoppen
Umsatzeinbrüche nicht zu stoppen
Achenbach hatte erst im Juni vergangenen Jahres den Chefposten in Europas größten Warenhaus- und Versandhandelskonzern übernommen. Angesichts drohender Millionenverluste verordnete er dem angeschlagenen Konzern eine Radikalkur, bei der die Hälfte der Warenhäuser und alle Fachgeschäftsketten verkauft und 5500 Arbeitsplätze abgebaut werden sollten. Doch gelang es ihm nicht die Umsatzeinbrüche bei den Warenhäusern und im Versandhandel zu stoppen.
Im Januar brach der Konzernumsatz um rund 10 Prozent ein. Und auch im Februar lag das Umsatzminus im hohen einstelligen Prozentbereich. Sorgenkinder des Konzerns sind vor allem die Warenhäuser, denen es an überzeugenden Konzepten fehlt, mit denen die Kauflust der Kunden geweckt werden kann.
Aber auch bei der Versandhaustochter Quelle stehen die Zeichen auf Sturm. Angesichts der unsicheren Zukunftsperspektiven des Unternehmens überlegen die Kunden derzeit zwei Mal, ob sie teurere Produkte wie Waschmaschinen oder Kühlschränke bei dem Versender bestellen. Auf die Konkurrenz aus dem Internet hat das Unternehmen, das vor allem für seinen dicken Hauptkatalog bekannt ist, noch keine überzeugende Antwort gefunden.
Mehr als 80 Prozent seines Umsatzes macht der Handelsriese in Deutschland und ist damit auf Gedeih und Verderb dem frostigen Konsumklima ausgeliefert. Außerdem ist der Konzern mit seinen Warenhäusern ausgerechnet dort positioniert, wo die Einbußen in den vergangenen Monaten am Größten waren: im mittelpreisigen Geschäft mit Textilien und anderen Non-Food-Artikeln.