Kanzler Schüssel Von wegen kranker Riese Deutschland

Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel empfiehlt den Deutschen mehr Patriotismus. Im Interview mit manager magazin wehrt sich Schüssel gegen den Vorwurf, Österreich nutze die schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland aus.

Hamburg - "Wir werben keinen Betrieb aus Deutschland ab, der nicht sowieso weg will", sagte der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) in einem Interview mit dem manager magazin, das am Freitag (18. März) erscheint. Immer wieder kamen aus Deutschland, insbesondere von der bayerischen Regierung, Klagen, die österreichische Standortwerbung sei unfair.

Jedes Land müsse nun einmal mit internationaler Konkurrenz leben, betont Schüssel. "Im Standortwettbewerb müssen wir alle mitspielen." Entsprechend skeptisch beurteilt der österreichische Bundeskanzler auch Vorstellungen aus Brüssel und Berlin, die Unternehmenssteuern in der gesamten Europäischen Union zu harmonisieren.

Zwar unterstütze seine Regierung den Vorschlag, die Bemessungsgrundlage EU-weit zu vereinheitlichen. Und er "könnte sogar damit leben, wenn Bandbreiten für die Steuersätze festgelegt würden". Allerdings sei eine solche Einschränkung des Wettbewerbs den neuen EU-Ländern nicht zuzumuten. "Die brauchen niedrige Steuern für ihre ökonomische Aufholjagd", sagte Schüssel.

"Die Lage ist viel besser als die Stimmung"

Was die wirtschaftlichen Aussichten der Bundesrepublik angeht, so ist Schüssel optimistisch. Er hält "die Lage in Deutschland für viel besser als die Stimmung. Ich habe das Gefühl, dass bei euch eine Düsternis gepflegt wird, die durch die reale Situation nicht gerechtfertigt wird. Deutschland hat seine Produktivität innerhalb der letzten zehn Jahre massiv verbessert. Die Exportnation Nummer eins soll ein kranker Riese sein? Das ist lächerlich."

Dass die Bundesbürger von kollektiven Selbstzweifeln geplagt würden, verstehe er nicht. "Die Deutschen haben doch so viel, auf das sie stolz sein können." Den deutschen Nachbarn empfiehlt der österreichische Bundeskanzler mehr Patriotismus: "Mir ist völlig unverständlich, dass so viele Deutsche damit Schwierigkeiten haben, Patrioten zu sein. Was denn sonst? Wer sich selbst nicht liebt, darf sich auch nicht wundern, wenn ihn andere nicht mögen."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren