Mit enttäuschenden Zahlen hat DaimlerChrysler die Kapitalmärkte am Donnerstag verschreckt. Das angekündigte Sofortprogramm für die Sorgenkinder Mercedes und Smart hellte die Stimmung nicht auf. Dafür ließen Konzernprimus Jürgen Schrempp und Mercedes-Chef Eckhard Cordes zu viele Fragen offen.
Sindelfingen - Vielleicht hätte er noch einen Moment länger vor dem Saal warten sollen. Eine Minute hätte gereicht, und DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp hätte nicht genau in dem Moment auf seinem Stuhl Platz genommen, in dem im Imagefilm, der über ihm auf der Leinwand ablief, ein Mercedes per Crashtest zu einem Haufen Schrott verformt wird.
Mercedes ist Schrott - natürlich war das nicht die Nachricht des Films. Mercedes ist nach DaimlerChrysler-Lesart nicht einmal ein "Sanierungsfall". Als der designierte Mercedes-Chef Wolfgang Bernhard das im vergangenen Jahr öffentlich behauptete, kostete ihn das den sicher geglaubten Job. Aber Symbolik hin, Wortklauberei her - Mercedes ist das Problemkind des Konzerns.
"In diesem Jahr hat es vor allem beim Ergebnisbeitrag der Mercedes Car Group gehapert", sagte Schrempp. Nur knapp schrammte die Mercedes-Gruppe im vierten Quartal an einem Verlust vorbei. Allein in den letzten drei Monaten 2004 ging der Gewinn um 97 Prozent auf nur noch 20 Millionen Euro zurück. Begründet wurde dies mit der Dollar-Schwäche, den hohen Anlaufkosten für neue Produkte und den Kosten für die Qualitätsverbesserung bei Mercedes-Benz sowie dem deutlich negativen Ergebnis von Smart.
"Personalmaßnahmen kann ich nicht ausschließen"
"Wir machen bei Mercedes-Benz Pkw deutliche Fortschritte", gab sich Schrempp dennoch optimistisch, ohne zunächst einen Termin für den geplanten Turnaround zu nennen. Das holte er auf der anschließenden Analystenkonferenz nach: "In zwölf Monaten haben wir die Herausforderungen im Griff."
Dazu sollen mittelfristig das bereits gestartete Qualitätsprogramm für Mercedes Pkw und Kosteneinsparungen führen. Beides zusammen trägt zwar nun den plakativen Kunstnamen "Core" ("Cost down, Revenues up, Execution"). Cordes wehrte sich vehement dagegen, dass Core ein Sparprogramm sei. Welche konkreten Maßnahmen sich dahinter verbergen, blieb aber weiter unklar.
Allein die Qualitätsoffensive soll Insidern zufolge mindestens 800 Millionen Euro kosten. Bei den Einsparungen hatte sich Mercedes im vergangenen Jahr mit den Arbeitnehmern auf ein 500-Millionen-Euro-Programm geeinigt. Dafür muss der Konzern sie nun weiterbeschäftigen. Eigentlich: Denn überraschend sagte der neue Mercedes-Chef Eckhard Cordes auf eine entsprechende Frage, dass Core auch zu Personalmaßnahmen führen könne: "Ich kann das nicht ausschließen." Konkreter wollte er sich nicht äußern.
Dafür legten sich die Daimler-Manager auf Zielzahlen fest. Eine Ergebnisverbesserung von drei Milliarden Euro soll das Core-Programm bringen. "Das soll dazu führen, dass wir im Jahr 2007 wieder eine Umsatzrendite von 7 Prozent erreichen werden", sagte Schrempp. Im Jahr 2004 hatte die Umsatzrendite 3,3 Prozent betragen.
Smart-Krisengipfel im April
Smart-Krisengipfel im April
Zusätzlich muss der Konzern nun das Problem Smart in den Griff bekommen. Offenbar gibt es hier noch große Unsicherheit. Immerhin präzisierte Cordes den Zeitplan für eine Entscheidung: "Noch prüfen wir die Optionen. Im Laufe des Monats April werden wir im Vorstand in eine intensive Diskussion einsteigen. Ob dann schon eine Entscheidung fällt, kann ich aber heute noch nicht sagen."
Immerhin sagte Cordes, dass es in ein bis zwei Jahren einen Nachfolger für den Smart-Zweisitzer (fortwo) geben werde. Derzeit wird der Zweisitzer von Smart im französischen Hambach gebaut. Ob bei Smart existierende Produktionspartnerschaften mit anderen Herstellern auch künftig Bestand hätten, wollte Cordes nicht konkret sagen. Es werde aber geprüft, ob bei Smart existierende Partnerschaften "in die eine oder andere Richtung" erweitert werden könnten. Der Mercedes-Chef kritisierte, dass das weltweite Absatzpotenzial von Smart derzeit nicht ausgeschöpft sei. Daran werde mit der Vertriebsoffensive gearbeitet.
Auch der niedrige Dollarkurs macht dem Konzern zu schaffen. "Wir sind 2005 zwar mit 75 Prozent abgesichert, aber natürlich sind die Hedge-Rates schlechter geworden", sagte der neue Finanzvorstand Bodo Uebber.
Bis auf weiteres wird sich der Konzern damit auf die Stärken seiner übrigen Sparten verlassen müssen, von denen Schrempp zu Beginn seiner Rede am Morgen noch mit sonorer Stimme schwärmte: "Die Ergebnisverbesserung auf Konzernebene ist vor allem auf die deutlicher Steigerung des Operating Profit bei der Chrysler Group und im Nutzfahrzeugbereich zurückzuführen. Wir konnten unterschiedliche Zyklen in den Geschäftsfeldern und auch unterschiedliche regionale Entwicklungen auf Konzernebene nicht nur ausgleichen, sondern ein Ergebniswachstum erzielen."
Erwartungen deutlich verfehlt
Erwartungen deutlich verfehlt
Tatsächlich hatte der Konzern den Ertrag aus seinem operativen Geschäft von 5,1 Milliarden auf 5,8 Milliarden Euro gesteigert - und damit die Analystenerwartungen deutlich verfehlt. 6,4 Milliarden Euro hatten die Kapitalmärkte für das eigentlich schon abgehakte Jahr 2004 erwartet.
Nach 3,1 Milliarden Euro im Vorjahr verbuchte die Sparte Mercedes nur noch einen Gewinn von 1,7 Milliarden Euro. Der Umsatz ist leicht auf 49,6 Milliarden Euro zurückgegangen.
Für den Gesamtkonzern DaimlerChrysler lief vor allem das vierte Quartal schlecht. Der Betriebsgewinn verringerte sich von Oktober bis Dezember um 67 Prozent auf 785 Millionen Euro. Unter dem Strich sackte der Reingewinn auf 526 Millionen Euro von 1,4 Milliarden im Vorjahreszeitraum. Analysten hatten einen Betriebsgewinn von 1,43 Milliarden und einen Reingewinn von 714 Millionen erwartet.
Die Aktie von DaimlerChrysler sauste folgerichtig am Morgen zunächst in den Keller, nachdem das Konzernergebnis bekannt wurde. Zum Börsenschluss notierte das Papier bei 35,64 Euro, ein Minus von knapp 1,3 Prozent.
In seiner Rede präzisierte Schrempp auch die Ergebniserwartung für 2005: Der operative Profit werde nach einem schwächeren ersten und zweiten Quartal für das Gesamtjahr "leicht ansteigen". Mit deutlichen Ergebnisverbesserungen sei 2006 und 2007 zu rechnen. Im vergangenen Jahr hatte Schrempp noch deutliche Ergebnisverbesserungen ab 2005 versprochen.
Chrysler und Airbus als Hoffnungsträger
Chrysler mit 1,4 Milliarden Euro Gewinn
Für gute Nachrichten sorgen dagegen einige der ehemaligen Konzern-Sorgenkinder. So erreichte Chrysler im vergangenen Jahr ein Absatzplus von 5 Prozent und konnte gleichzeitig die exorbitanten Rabatte in den USA zurückfahren. Im Ergebnis reichte das für einen operativen Gewinn von 1,4 Milliarden Euro nach 506 Millionen Euro Verlust im Vorjahr.
Auch die Nutzfahrzeugsparte legte deutlich zu. Bei einem Absatzplus von 19 Prozent stieg der Umsatz um 16 Prozent, mit der seit April 2004 konsolidierten Fuso-Sparte kam der Bereich auf deutlich höhere Wachstumszahlen. Der Umsatz des konsolidierten Nutzfahrzeuggeschäfts betrug 34,8 Milliarden Euro, der operative Gewinn stieg von 800 Millionen auf 1,3 Milliarden Euro.
Das Geschäftsfeld Dienstleistungen konnte seinen Ergebnisbeitrag immerhin bei 1,25 Milliarden Euro stabil halten - trotz 472 Millionen Euro Ergebnisbelastung aus dem Toll Collect-Desaster.
Ausgerechnet Airbus
Hoffnung schöpft Schrempp offenbar aus dem Projekt Airbus: Ausführlich musste der Superflieger A 380 der Minderheitsbeteiligung Airbus für den Imagefilm herhalten.
Die Computeranimationen dienten Schrempp als Vorlage für eine hoffnungsfrohe Erfolgsgeschichte, die womöglich Vorbildcharakter haben soll: Er selbst hatte beim EADS-Vorläufer Dasa zu Beginn der 90er Jahre ein rigoroses Sparprogramm mit rigidem Stellenabbau durchgedrückt. "Das Programm, mit dem wir den Turnaround geschafft haben, hieß Dolores - Dollar Low rescue", so Schrempp. An die wörtliche Bedeutung - Schmerzen - muss der Vorstandschef die betroffenen Mitarbeiter nicht noch einmal erinnern.