Der neue Tarifvertrag für die 2,1 Millionen
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen kommt einer Revolution gleich: flexiblere Arbeitszeiten, Abschied von Zuschlägen sowie eine Bezahlung von bis zu acht Prozent des Gehalts nach Leistung. Die Länder ziehen allerdings nicht mit.
Potsdam - Die Tarifreform für den öffentlichen Dienst des
Bundes und der Kommunen ist unter Dach und Fach. Die von Arbeitgebern und Gewerkschaften nach einem Verhandlungsmarathon am Mittwochabend
erzielte Vereinbarung sieht unter anderem eine Flexibilisierung des Dienstrechts sowie leistungsbezogene Lohnanteile vor.
Das Ergebnis sei "ein beachtliches Reformwerk", lobte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). "Der neue Tarifvertrag bedeutet eine Zäsur für den öffentlichen Dienst", ergänzte Thomas Böhle, Verhandlungsführer der Kommunen. Die Effizienz der öffentlichen Verwaltung werde gestärkt.
Vorgesehen ist unter anderem eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, zum Teil Einmal-Entgeltzahlungen sowie eine schrittweise Angleichung der Ost-Löhne an das West-Niveau. Für Neueinsteiger wird die Bezahlung erhöht, um die Stellen attraktiver zu machen.
Bis zu acht Prozent des Gehalts nach Leistung
Zuschläge für das Alter oder den Familienstand entfallen
langfristig. Außerdem werden die Beschäftigten künftig teilweise nach Leistung bezahlt. Ab 2007 wird die leistungsbezogene Bezahlung eingeführt: Zunächst wird ein Prozent des Gehalts nach Leistung gezahlt. Der Anteil soll in den darauffolgenden Jahren auf acht Prozent gesteigert werden.
Das neue Modell soll zunächst für die rund 2,1 Millionen Beschäftigten von Bund und Gemeinden gelten, nicht aber für die rund 900.000 öffentlich Bediensteten der Länder. Von den Länder-Arbeitgebern war zunächst keine Stellungnahme dazu zu erhalten, ob sie sich dem Abschluss anschließen werden.
39 Stunden Wochenarbeitszeit
Bei den Verhandlungen über ein modernes Tarifrecht für den öffentlichen Dienst haben sich Gewerkschaften und Arbeitgeber auf eine Laufzeit von 35 Monaten für den neuen Vertrag geeinigt. Dies teilte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) am Mittwoch in Potsdam mit. Die Tarifpartner verständigten sich laut VKA auch auf moderate Einkommenserhöhungen. So sollen 2005, 2006 und 2007 jeweils 300 Euro
gezahlt werden. 2005 entspreche dies einer Erhöhung um ein
Prozent.
Jahrelange Vorarbeit an einschneidender Reform
Die Verhandlungen hatten am Montag begonnen. Zuvor hatten Experten von Arbeitgebern und Gewerkschaften die Reform zwei Jahre lang vorbereitet. Im Zentrum steht eine neue Entgelttabelle, die die bisher sieben Vergütungstabellen ersetzen wird.
Bei der bis zuletzt strittigen Frage der Arbeitszeitregelung wird nach Angaben der Gewerkschaft Verdi eine Öffnungsklausel eingeführt. Danach können die Kommunen mit rund 1,9 Millionen Beschäftigten mit den Landesbezirken der Gewerkschaft eine
Erhöhung der Arbeitszeit auf Landesebene aushandeln. Für die rund 170.000 Arbeiter und Angestellten des Bundes soll die Wochenarbeitszeit einheitlich 39 Stunden betragen.
Bislang wird im Westen 38,5 Stunden, im Osten 40 Stunden gearbeitet. Der Tarifvertrag soll eine Laufzeit von 35 Monaten haben. In den alten Ländern erhalten die Beschäftigten während der Laufzeit
anstelle einer prozentualen Entgelterhöhung eine Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro. In den neuen Ländern gibt es die Einmalzahlung nicht, dafür wird die Angleichung der Löhne und Gehälter um jährlich 1,5 Prozentpunkte auf dann 97 Prozent des Westniveaus vorangetrieben.
Ergebnis ist Ländern zu teuer
Nach dem weit reichenden Tarifabschluss für knapp
2,3 Millionen Arbeiter und Angestellte von Bund und Kommunen bleiben die Beschäftigten der Länder zunächst außen vor. Die Bundesländer machten am Mittwoch Vorbehalte gegen die Arbeitszeitregelung und die
Vereinbarungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld geltend - das Ergebnis von Potsdam ist ihnen vor allem zu teuer.
Innenminister Otto
Schily (SPD) und der Chef der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, riefen die Länder indirekt auf, den Kompromiss zu übernehmen.
Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), sagte, der Abschluss wäre für die Länder nicht finanzierbar. Man sei aber weiterhin "jederzeit" verhandlungsbereit. Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) nannte den Tarifschluss nicht
weitgehend genug. Er könne "nur in Teilbereichen Grundlage für die Verhandlungen in den Ländern sein".
Die Länder mit ihren rund 900.000 Beschäftigten waren im Vorjahr aus den Tarifgesprächen ausgeschert.
"Wichtige Weichenstellungen"
Der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, sprach von einem "runden Konzept, mit ganz wichtigen Weichenstellungen für die Zukunft".
Bei den Verhandlungen saßen sich Vertreter der Gewerkschaften einerseits sowie des Bundes und der Kommunen andererseits gegenüber. Sie vertreten nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
rund 2,1 Millionen Beschäftigte. Insgesamt zählt der öffentlichen Dienst laut Gewerkschaft rund drei Millionen Beschäftigte.