Vermögenssteuer "Der Staat treibt die Reichen aus dem Land"
mm.de:
Herr Hennerkes, allerorten wird über eine neue Luxussteuer spekuliert. Kann man überhaupt definieren, was Luxusgüter sind?
Hennerkes: Rein rechtlich ist das überhaupt kein Problem. Insbesondere in Hinblick auf die Mehrwertsteuer kann man erhöhte Sätze auf bestimmt definierte Güter erheben. Das hat unser Umsatzsteuergesetz auch getan. Wir haben zwar keinen erhöhten Mehrwertsteuersatz, aber einen reduzierten Steuersatz von 16 Prozent auf 7 Prozent, und zwar im Hinblick auf soziale Bedürfnisse, also Theater, Musik und Bücher.
mm.de: Auf welche Güter könnte eine Luxussteuer erhoben werden?
Hennerkes: Zum Beispiel Autos, Spirituosen, teuere Textilien, Reisen und so weiter. Diese Güter sind aber in Deutschland in Branchen angesiedelt, denen es gegenwärtig nicht so gut geht. Wenn diese Güter noch mit einer Zusatzsteuer belegt würden, wäre das absolut kontraproduktiv. Statt die Konsumneigung anzuregen, würde man die Konsumneigung behindern.
mm.de: Bleibt eine Definition von Luxusgütern nicht immer willkürlich?
Hennerkes: Theoretisch wäre es möglich, die Steuer über den Anschaffungspreis zu regeln. Es gibt einen Vorschlag des Präsidenten des Sozialverbandes VDK, Walter Hirrlinger, und der Gewerkschaft Nahrung und Genuss. Der Vorschlag sieht vor, dass Güter ab einem Preis, der eine halbe Million Euro übersteigt, mit einer erhöhten Mehrwertsteuer belegt werden sollen. Das kann ich nur als eine Strafsteuer betrachten.
Und was sind das den für Wirtschaftsgüter, die teurer sind als eine halbe Million Euro? Da fällt mir gar nichts ein, außer in der Investitionsgüterindustrie, und diese Ausgaben fallen in den gewerblichen Bereich. Jede Form von Luxussteuer, die auch Geld in die Kassen bringen würde, würde wichtige Wirtschaftsbereiche schwächen. Und auf die sind wir in unserer Volkwirtschaft mehr angewiesen als auf eine Luxussteuer.
mm.de: Würden die Menschen Luxussteuer zahlen?
Hennerkes: Eine solche Steuer wäre mit Meldepflichten und Überprüfungsverfahren seitens der Finanzämter verbunden und würde wahrscheinlich die Steuerunehrlichkeit fördern. Den Verwaltungsaufwand könnte man in den Griff kriegen.
"Es gibt einen Bestandsschutz für Vermögen"
mm.de: Könnten Sie sich vorstellen, dass eine neue Vermögenssteuer in einer grundgesetzkonformen Fassung eingeführt wird?
Hennerkes: Eine neue Vermögenssteuer wäre unsinnig und psychologisch das völlig falsche Signal für die Menschen in unserem Land, die am meisten zum Einkommensteueraufkommen der öffentlichen Kassen beitragen. Die Wohlhabenden haben es zurzeit in diesem Land schwer genug, ihr Vermögen real zu erhalten.
Aus diesem Vermögen muss ja auch die Altersversorgung finanziert werden. Außerdem wäre bei der Erhebung einer Vermögenssteuer nur mit einem Steueraufkommen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zu rechen. Wenn davon noch der Verwaltungsaufwand abgezogen wird, blieben etwa 4 Milliarden Euro übrig. Es lohnt sich sicher nicht, hierfür eine tiefe Verunsicherung unserer wirklichen Leistungsträger auf sich zu nehmen.
Zur rechtlichen Situation ist zu sagen, dass man sich bisher nicht in einem ganz klaren Raum befindet. Das Bundesverfassungsgericht hat ja bereits mit seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 festgelegt, dass die Vermögensteuer wegen der Bewertungsverzerrung unterschiedlicher Vermögensteile (Grundvermögen contra Wertpapierbesitz) nichtig sei.
mm.de: Gibt es einen Bestandsschutz für Vermögen?
In einem Zusatz, der heute weitgehend ignoriert wird, hat das BVerfG gesagt, dass die gesamte steuerliche Belastung einen Wert von 50 Prozent nicht übersteigen darf. Es gibt also einen Bestandsschutz für den Vermögensstamm, wenn man diese Grenze erreicht hat. Eine Vermögenssteuer würde den Vermögensstamm weiter schwächen.
Auch wenn der Spitzensteuersatz im nächsten Jahr von 45 auf circa 42 Prozent gesenkt wird, bleibt, wenn man Kirchsteuer und Solidaritätszuschlag hinzurechnet, ein Potenzial für die Vermögenssteuer von höchstens 0,5 Prozent. Außerdem sind die Armen noch nie dadurch reicher geworden, dass man die Reichen ärmer gemacht hat. Wenn man die Leistungsschicht weiter schwächt, darf man sich nicht wundern, wenn man in Deutschland keine Leistungsträger mehr hat.
"Da bleibt nichts mehr übrig"
mm.de: Wie hoch ist die steuerliche Belastung tatsächlich?
Hennerkes: Wenn jemand Geldvermögen hat, wird er in der Regel investieren. Bei einer guten Investition lässt sich pro Jahr eine Rendite von 10 Prozent erzielen. Dieser Betrag muss in der Regel voll versteuert werden, also mit einem Satz von 50 Prozent. Von den verbleibenden 5 Prozent muss die Inflationsrate abgezogen werden, bleiben also noch 3 Prozent. Ein Vermögen von einer Million Euro bringt also pro Jahr einen Ertrag von circa 30.000 Euro. Davon muss noch die Erbschaftssteuer, die Krankenkasse und die Altersversorgung bezahlt werden. Da bleibt nichts mehr übrig.
mm.de: Wie werden Immobilien besteuert?
Hennerkes: Menschen, die Häuser besitzen, sind in der Regel in höheren Steuerklassen anzutreffen. Auf die Mieteinnahmen werden dann Ertragssteuern bis zu 48 Prozent erhoben.
mm.de: Mit welcher Steuerlast werden kleine und mittlere Unternehmen belegt?
Hennerkes: Das kommt auf die Rechtsform an. Wenn sie sich im Bereich der Personengesellschaften befinden, werden Erträge bis zum Höchststeuersatz von gegenwärtig 42 Prozent versteuert. Bei Kapitalgesellschaften kommt es darauf an, ob die Erträge ausgeschüttet werden oder nicht. Wenn die Erträge nicht ausgeschüttet werden, zahlt man zunächst 25 Prozent Körperschaftsteuer plus Gewerbesteuer, und später, wenn die Erträge ausgeschüttet werden, muss dieser Betrag zur Hälfte meist zum Höchststeuersatz versteuert werden. Ich halte es für eine faire Lösung, dass man die thesaurierten Gewinne geringer besteuert als die ausgeschütteten.
Aber die Unterscheidung zwischen Kapital - und Personengesellschaften stellt ein Problem dar. Steuertechnisch wird bei Personengesellschaften nicht zwischen einbehaltenen Gewinnen und dem, was die Gesellschafter für sich verwenden, unterschieden, so dass dort alle Gewinne der Einkommensteuer meist zum Spitzensteuersatz unterliegen.
"Steueroasen ersparen keine Erbschaftssteuer"
mm.de: Sehen Sie in dieser Beziehung Nachbesserungsbedarf?
Hennerkes: Generell muss gesagt werden, dass unser Steuersystem schon wegen seiner Unübersichtlichkeit nicht gerecht sein kann. Das wichtigste, was getan werden muss, ist eine Vereinfachung des Steuersystems. Durch das heutige blickt ja keiner mehr durch.
Zweitens sollte sich der Staat die Amerikaner unter Reagan oder die Briten unter Thatcher zum Vorbild nehmen und den Mut aufbringen, Haushaltsrisiken einzugehen. Man kann niemals mit absoluter Sicherheit sagen, was eine Steuererhöhung oder -senkung bringt. Das hat man zuletzt bei der Tabaksteuer gesehen.
Steuern kann man nur auf Gewinne erheben, und die Gewinne werden in der Wirtschaft gemacht. Weil aber die Steuern zu hoch sind und die Gesetze zu kompliziert, wandert die Wirtschaft in einem Maße ab, das dramatisch ist - ein Teufelskreis also.
mm.de: Was sind die Folgen?
Hennerkes: Die Schäden für die Volkswirtschaft werden an Stellen auftreten, die bisher nicht im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen. Kein großer deutscher Konzern wird seine Zentrale verlagern, also hat dieser Fall keine großen Auswirkungen auf das Steueraufkommen. Bisher müssen bei der Verlagerung in ein Hochsteuerland, zum Beispiel in die Schweiz, alle stillen Reserven aufgelöst werden. Das kann kein Unternehmen, es sei denn, es schreibt Verluste wie Infineon.
Auch die Wohnsitzverlegung, um Erbschaftssteuer zu sparen, mindert die Steuereinnahmen in Deutschland nur gering - auch nicht bei einem Herrn Theo Müller, den ich gut kenne und dessen Motive ich bestens nachvollziehen kann. Und zwar deswegen, weil die Erbschaftsteuer nur dann komplett eingespart wird, wenn nicht nur der Erblasser, sondern auch alle Erben in das besagte Land auswandern. Weil die Erben sich meistens in der Heimat eine eigene Existenz geschaffen haben, kommt es normalerweise äußerst selten vor, dass die Flucht aus der Erbschaftsteuer auf diesem Wege gelingt.
"Hohe Steuern verhindern Investitionen"
mm.de: Welche potenten Steuerzahler verlassen Deutschland?
Hennerkes: Jeder Unternehmer, der in Deutschland überleben will, muss den Weg der Auslandsinvestition gehen. Unternehmen, die flexibel sind - also vor allem Familienunternehmen - geht es nicht schlecht bei dieser Lösung. Aber Deutschland und unseren Beschäftigten geht es schlecht mit dieser Lösung.
Aufs höchste problematisch ist die Verlagerung von Erträgen, von Know-how und von Investitionen in ausländische Betriebsstätten. Ich kann diesen Trend gut nachvollziehen, denn wenn ein Unternehmer anders handeln würde, würde er gegen seine Pflichten verstoßen, sein Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten.
Nehmen sie das Beispiel Leifheit: Erst wurde die Produktion nach Tschechien verlagert, da konnte das Unternehmen mit 20 Prozent der hiesigen Kosten arbeiten. Wenn Leifheit nach China geht, betragen die Kosten noch 4 Prozent des hiesigen Niveaus. Das sind erschreckende Zahlen.
mm.de: Wie könnte man dem Dilemma entgehen?
Hennerkes: Die Abwanderung hängt natürlich mit der steuerlichen Situation zusammen und im weitesten Sinne auch mit der Neiddebatte, in deren Folge die Forderung nach einer Vermögensteuer vom Zaun gebrochen wurde. In der Öffentlichkeit wird immer das Bild vom deutschen Unternehmer gezeigt, der seine Einnahmen mit vollen Händen verprasst. Aber in welchem Familienunternehmen findet man denn Playboys oder Jet-Set-Girls, die ihr Geld wahllos verjubeln? Das sind absolute Ausnahmen.
99 Prozent der Unternehmer, die ich kenne, nutzen das Geld, das sie verdienen, um zu investieren. Und weil sich Investitionen in Deutschland gegenwärtig nicht lohnen, werden im Ausland neue Fabriken und Arbeitsplätze geschaffen - mit deutschem Geld.
Es gibt nur eine Möglichkeit, in Deutschland die Neiddebatte vom Kopf auf die Füße zu stellen: wir müssen in Deutschland Geld in die Kassen kriegen. Das Geld kann man aber nicht den vermeintlich Reichen abpressen, denen es dann zum Investieren fehlt.
"Die Wohlhabenden werden abwandern"
mm.de: Wie können die Unternehmer im Land gehalten werden?
Hennerkes: Indem man das Steuerrecht vereinfacht, die Steuergesetzgebung für die verschiedenen Gesellschaftsformen vereinheitlicht und das bürokratische Regelungsdickicht lichtet. Familienunternehmen - und damit die ganz überwiegende Mehrzahl der deutschen Unternehmen - werden noch immer benachteiligt. Vor die Steuergerechtigkeit muss allerdings die Steuervereinfachung treten.
mm.de: Was würden Sie konkret vorschlagen?
Hennerkes: Ich würde die Vorschläge von Herrn Merz und Herrn Kirchhoff beherzigen. Eine eindeutige Staffelung der Steuersätze würde das Steuerecht transparent machen. Es ist doch schon ein Wahnsinn, wenn ein Professor für Steuerrecht, wie ich es bin, einen Steuerberater braucht, weil er sich im Dickicht der Verordnungen nicht mehr auskennt. Noch schlimmer sieht es bei den Unternehmen aus, wenn es um die Gewinnermittlung geht.
mm.de: Wie kann man als Unternehmer in Deutschland sein Vermögen schützen?
Hennerkes: Wenn das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr entscheidet, wird es neue Bewertungen für verschiedene Wirtschaftsgüter geben. Gegenwärtig ist es en vogue, in Wald zu investieren, weil der Wert von Wald schlecht ermittelt werden kann. Dasselbe gilt für Kunstwerke, Münzen und Briefmarkensammlungen und so weiter. Hier wird es auch in Zukunft Möglichkeiten geben.
Aber die ganz Wohlhabenden werden unter dem Aspekt der Vermögenssteuer in die Schweiz oder in andere Steuerparadiese abwandern, wenn sich in Deutschland nichts ändert. Unter dem Aspekt der Erbschaftssteuer werden sie versuchen, dass sie in Deutschland kein erbschaftssteuerpflichtiges Vermögen mehr lassen. Das Betriebsvermögen wird dann sukzessive in Barvermögen umgewandelt und ins Ausland transferiert.
mm.de: Was könnte diese Menschen dazu bringen, in Deutschland zu bleiben?
Hennerkes: Es muss etwas getan werden, damit diese Menschen sich hier wohl fühlen. Wohlfühlen heißt in diesem Falle nicht nur, dass sie Konzerte besuchen können, sondern dass sie sich auch mit der Entwicklung ihres Vermögens wohl fühlen. Wenn aber die Belastungsgrenze von 50 Prozent angekratzt oder überschritten wird, fühlen sie die Menschen nicht mehr wohl. Mit der aktuellen Steuergesetzgebung treibt man gerade die Menschen aus dem Land, von denen beispielsweise die Schweiz ja bekanntlich am besten lebt. Das ist tödlich.
Eine Debatte, wie sie Heide Simonis vom Zaun bricht, ist absolut kontraproduktiv. Wenn wir in Deutschland in Zukunft unsere Sozialkosten auch nur einigermaßen bedienen wollen, dann brauchen wir vernünftige Einkunftsquellen und solche, die langfristig sprudeln. Diese Quellen werden aber nur dann nicht versiegen, wenn die Wirtschaft blüht, die freien Berufe prosperieren und es den Handwerksbetrieben gut geht. Es ist auch Aufgabe des Staates, dass diese Menschen Freude an ihren Berufen haben - und Freude an ihrem Verdienst.
"99 Prozent würden ihren Beitrag leisten"
mm.de: Also muss sich der Staat vom Umverteilungsstaat zum Leistungsstaat wandeln?
Hennerkes: Wenn zwei Leute die Treppe runterfallen und der eine hält sich noch fest, der andere aber fällt hin, dann hat der eine Pech gehabt und der andere nicht. Eine totale Gerechtigkeit gibt es nicht.
mm.de: Was halten Sie von der Umverteilungsidee?
Hennerkes: Die Umverteilungsidee lehne ich ab. Sie bestraft die, die sich durch Leistung etwas aufbauen. Diese Theorie kann langfristig nur ins totale Chaos führen.
Wenn wir dagegen alle unsere Kräfte zusammenfassen, dann können wir mit wesentlich weniger Arbeitslosen sozial angenehmer leben, als das heute der Fall ist. Wenn wir aber überall dort, wo zukunftsträchtige Strukturen entstehen, noch was runterkratzen, graben wir uns das eigene Grab. Wenn man sich die Analysen nationaler Fachleute wie Herrn Raffelhüschen ansieht, kann es einem kalt den Rücken runterlaufen. Adam Riese können unsere Sozialpolitiker aber nicht wegdiskutieren.
mm.de: Kann Deutschland denn im internationalen Steuerwettbewerb bestehen?
Hennerkes: Bisher sieht es nicht danach aus. Weder im Privatbereich noch bei den Unternehmergewinnen. Privat geht es den Leuten, die man mit der aktuellen Neiddebatte treffen will, in der heutigen Situation besser als je zuvor. In London zum Beispiel braucht man als non resident nur das zu versteuern, was man ins Land holt. Jeder kann sein Kapital ganz offiziell irgendwo auf der Welt steuermindernd anlegen.
Wenn man diese Menschen in unserem Land halten will, kann man nur an Moral und Ethik appellieren. Bei den Kapitalgesellschaften ist der Steuerwettbewerb ebenfalls voll ausgebrochen. Länder wie Irland, Ungarn oder auch Zypern beispielsweise liegen bei einer Gesamtbelastung von weniger als 20 Prozent, die Slowakei liegt bei 25 Prozent. Wir liegen bei knapp 40 Prozent. Viele EU-Länder verzichten auf jede Erbschaftsteuer im Hinblick auf Unternehmen.
Also muss der Staat Rahmenbedingungen schaffen, die wettbewerbsfähig sind. Dann hat der Staat auch das Recht, an die Ethik und Moral seiner Wohlhabenden zu appellieren. Ich habe ja mit diesen so genanten wohlhabenden Leuten zu tun - 99 Prozent sind bereit, ihren Beitrag zu leisten. Wenn diese Menschen aber in einer Neiddebatte beschimpft werden, oder wenn sie ihr Vermögen aufbrauchen müssen, um Vermögen- und Erbschaftsteuern zu bezahlen, dann kann man kein Einsehen erwarten.
Theo Müllers Erben hätten, wäre ihm etwas zugestoßen, 200 Millionen Euro Erbschaftsteuer zahlen müssen. Das hätte dem Unternehmen zwar nicht das Genick gebrochen, aber den Investitionsplan um sechs bis acht Jahre zurückgeworfen. Anstatt die Erbschaftssteuer - wie in anderen Ländern üblich - an die Fortführung des Unternehmens in der Familie zu koppeln, also keine Erbschaftsteuer zu erheben, wenn der Betrieb von den Erben mindestens zehn Jahre weitergeführt wird, wird über diese Steuer die Existenz vieler Unternehmer gefährdet.
"Politiker müssen wie Unternehmer denken"
mm.de: Welche Forderungen werden von ihren Klienten am häufigsten an die Steuergesetzgebung gestellt?
Hennerkes: Für die meisten ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Jede weitere Erschwernis wird als unerträglich empfunden. Es geht darum, die Lasten zu verringern. Das müssen nicht unbedingt steuerliche Lasten sein, eine vereinfachte Gesetzgebung würde schon vieles erleichtern.
Außerdem müssen die arbeitsrechtlichen und berufsrechtlichen Vorschriften geändert werden. Da geht es um die Erhöhung der Zahlen freigestellter Betriebsräte und um Kündigungsfristen. Die kleinen Betriebe müssen mit jeder Minute rechnen, da muss alles schnell gehen, da zählt jeder Mitarbeiter. Wenn die alle bei der Betriebsratssitzung sind, rechnet sich die Produktion irgendwann nicht mehr.
Das Dickicht der Vorschriften muss gelichtet werden. Ein großer Vorteil der Familienunternehmen ist, dass sie schnell und flexibel auf sich ändernde Marksituationen reagieren können. Dieser Vorteil geht durch die fortschreitende Bürokratisierung verloren. Allein die Dokumentation der Verrechnungspreise für steuerliche Zwecke nimmt viel zu viel Zeit in Anspruch.
mm.de: Welche Folgen hätte die Einführung einer Vermögenssteuer oder einer Luxussteuer vor diesem Hintergrund?
Hennerkes: Die schlimmsten, die man sich vorstellen kann. Die Unternehmer würden ihren Glauben an die Reformfähigkeit unseres Landes endgültig verlieren. Sie würden sich hinsetzen und ein strategisches Konzept entwerfen, wie sie dieser Entwicklung ein für allemal entgehen können. Dann wird nur noch mathematisch ausgelotet, wo sich Investitionen in den nächsten fünf bis zehn Jahren am meisten lohnen. Das wird nicht Deutschland sein.
Das würde unsere Situation dramatisch verschlechtern, das geht blitzschnell, weil sich das auch unter der Oberfläche abspielt. Bei einer Verlagerung ist es ja nicht so, dass nur ein paar hundert Arbeitsplätze verloren gehen, sondern auch sämtliche Investitionen. Wenn der Standort Deutschland Unternehmern keine Zukunft mehr bietet, werden sie abwandern.
mm.de: Gibt es Möglichkeiten, die Abwanderung zu verhindern?
Hennerkes: Noch hat Deutschland Potenzial. Ein kleines Beispiel: Wenn etwa - so wie früher - Schuldzinsen auch für selbst genutzte Immobilien wieder komplett steuerlich abzugsfähig sind, würde dass einen Schub im Bau auslösen. Mehrere hunderttausend Arbeitsplätze würden geschaffen. Aber der private Bau ist ja wegen der Steuerpolitik bei uns zum Erliegen gekommen.
mm.de: Stattdessen werden im Osten Immobilien gezielt abgerissen ...
Hennerkes: Politiker müssen den Mut aufbringen, wie ein Unternehmer zu denken. Wenn heute irgendwo Steuern reduziert werden, dann geschieht das nur, wenn an anderer Stelle gesicherte Einnahmen geschaffen werden. So kann ein Unternehmer nicht denken. Wenn der eine neue Fertigungstechnologie einführt und viel Geld investiert, dann hat er sich überzeugt, dass das der richtige unternehmerische Weg ist und dann geht er das Risiko ein. Der hat Visionen und glaubt an die Zukunft.
Wir haben im Bundestag aber kaum Unternehmer, sondern nur Beamte. Die denken wir Buchhalter. Dann werden die Steuern bei den Armen gesenkt und bei den Reichen erhöht. Das ist zwar öffentlichkeitswirksam, funktioniert aber nicht. Wenn die Politiker auf Investitionsanreize und die motivierende Wirkung ihrer Maßnahmen vertrauen würden, wäre das der richtige Weg. Bei uns wird alles kaputt gerechnet. Reagan und Thatcher wussten auch nicht, wohin ihre Gewerkschaftspolitik führen würde. Trotzdem sind sie das Risiko eingegangen.