Mit massiven Attacken versuchen Pharmakonzerne, die Gesundheitsreform zu stoppen. Eine Klage des Marktführers Pfizer könnte verhindern, dass geplante Festpreise für Medikamente zum 1. Januar wirksam werden. Konkurrent Roche erwägt sogar, das Gesetz schlicht zu ignorieren.
Berlin - Ein wesentlicher Bestandteil der von der Bundesregierung beschlossenen zweiten Stufe der Gesundheitsreform wird möglicherweise nicht wie geplant am 1. Januar in Kraft treten können. Der Pharmakonzern Pfizer hat eine Klage gegen die so genannte Festbetrags-Regelung für patentgeschützte Medikamente und deren Umsetzung angekündigt. "Ja. Wir werden die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen", sagte der Deutschland-Leiter von Pfizer, Walter Köbele, in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt". Bisher hatte Pfizer lediglich angekündigt, rechtliche Schritte seien möglich.
Durch die Festpreis-Regelung sollten die Arzneimittelkosten im nächsten
Jahr um rund eine Milliarde Euro gesenkt werden. Dieses Ziel ist nun durch die Klage
von Pfizer gefährdet, da der juristische Schritt möglicherweise eine
aufschiebende Wirkung hat, wie die Zeitung berichtet. Offen ist zudem, ob
sich weitere Pharmakonzerne, wie etwa Novartis der Klage anschließen werden.
Hintergrund der rechtlichen Auseinandersetzung ist ein seit Wochen
andauernder Streit um den Blutfettsenker "Sortis". Der Gemeinsame
Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen hatte Sortis zusammen mit
anderen angeblich vergleichbaren Medikamente vor wenigen Monaten in eine so
genannte Jumbo-Gruppe eingeordnet, für die die Gesetzlichen Krankenkassen ab
Januar nur noch einen Festbetrag zahlen dürfen. In diesen Gruppen befinden
sich austauschbare Medikamente mit gleicher Wirkung. Lediglich innovative
Arzneimittel sind von den Festpreisen befreit.
Roche erwägt, Festpreise zu ignorieren
Die Bundesregierung will diese Gruppen-Einteilung auf dem Verordnungsweg
rechtlich verbindlich machen. Pfizer wehrt sich gegen diese Einordnung und
verurteilt das Vorgehen des Ausschusses als falsch und intransparent. "Wenn
ein Arzneimittel wie Sortis, das klar den Anforderungen an eine
therapeutische Verbesserung entspricht, in Zukunft nicht mehr voll erstattet
werden soll, dann können wir dies nicht einfach hinnehmen", so Köbele. Der
Fall hat nach Aussagen des Pharmamanagers eine große Tragweite für die
gesamte Industrie, weil es im Kern um die Frage des gesetzlichen Schutzes
von Innovationen geht.
Roche schließt unterdessen einem Bericht des "Tagesspiegel" zufolge nicht aus, dass sie dem Beispiel Pfizers folgen wird und die Preise für einige patentgeschützte Medikamente nicht auf das Niveau der neuen Festpreise senkt. "Ob wir eine Anpassung vornehmen, hängt davon ab, wie unsere Produkte jetzt bewertet werden", sagte Karl Schlingensief, der Vorstandsvorsitzende der deutschen Hoffmann-La Roche, der Zeitung. Schlingensief erwartet, dass der Bundesausschuss über die ersten Roche-Produkte bis Ende 2005 entscheiden wird. Betroffen seien unter anderem das Roche-Herzkreislaufpräparat "Dilatrend" und "NeoRecormon" zur Behandlung
der Anämie.
Nach Angaben des Managers werden die neuen Festbeträge Roche im nächsten
Jahr 20 Millionen bis 30 Millionen Euro kosten. Der erhöhte Rabatt, den die Regierung den Herstellern nur in diesem Jahr auferlegt hat, werde Roche mit rund 50 Millionen Euro belasten. Wie die Krankenkassen erwartet auch Schlingensief, der auch
Vize-Vorsitzender des Branchenverbandes VFA ist, 2005 steigende
Medikamentenausgaben.