Holzmann "Risiken nicht korrekt beschrieben"
Hamburg/Mortsel - Der Kanzler liebt das Retter-Image, und die Krise bei Holzmann kam dafür gerade recht. Per Bundeswehrmaschine ließ sich Gerhard Schröder im November 1999 nach Frankfurt einfliegen, um vom Balkon des Holzmann-Verwaltungsgebäudes per Megafon die vorläufige Rettung des Bauriesen zu verkünden. "Gerhard, Gerhard", jubelten ihm tausende Bauarbeiter zu. Doch trotz einer Ausfallbürgschaft des Bundes, die nie abgerufen wurde, war Holzmann im Frühjahr 2002 endgültig pleite.
André Leysen dagegen ist ein Mann der leisen Töne, obwohl er allen Grund hätte, seinem Unmut auch mal lautstark Luft zu machen. Der prominente belgische Wirtschaftslenker sitzt im Aufsichtsrat der belgischen Gevaert-Gruppe, die im Frühjahr 2000 die Deutsche Bank in Zusammenhang mit der Holzmann-Pleite auf Zahlung von rund 200 Millionen Euro Schadenersatz verklagt hat.
Doch die deutsche Justiz verlangt von den Klägern eine engelsgleiche Geduld: Knapp fünf Jahre später ist das Verfahren noch immer in der ersten Instanz. Zwei der zwischenzeitlich zuständigen Richter haben das Verfahren aus organisatorischen Gründen wieder abgegeben, einer ist verstorben. Jahre nach Klageerhebung arbeitet sich also ein vierter Richter ein.
Gevaert entlastete die Deutsche Bank
Mancher Kläger könnte da schon mal die Geduld verlieren, es geht schließlich um viel Geld. Doch nicht so Leysen, der auf Nachfrage von manager-magazin.de ruhig und höflich bleibt: "Verschiedene Umstände haben immer wieder zu Verzögerungen geführt", formuliert es der Wirtschafts-Doyen ganz diplomatisch. Doch da sich die Gründe für die Verzögerungen nun erledigt hätten, könne das Verfahren jetzt "mit voller Kraft weitergehen".
Hintergrund: Im Herbst 1998 gab die Deutsche Bank den Börsen-Einführungsprospekt für neue Aktien von Philipp Holzmann heraus. Im Vertrauen auf die Aussagen in diesem Prospekt hatte Gevaert Ende 1998 rund 200 Millionen Euro in Holzmann investiert.
Die von Gevaert geleisteten Zahlungen seien zu einem hohen Anteil direkt oder indirekt der Deutschen Bank zugute gekommen, argumentiert Leysen: Zum einen als Kaufpreis für Holzmann-Aktien aus dem Bestand des damaligen Holzmann-Großaktionärs Deutsche Bank, zum anderen dadurch, dass das Geldhaus von seiner Konsortialpflicht zur Zeichnung von Wandelschuldverschreibungen entlastet wurde.
Ein Jahr später teilte Holzmann der überraschten Öffentlichkeit mit, dass man für das Jahr 1999 einen Verlust von rund 1,2 Milliarden Euro erwarte.
Zweifel am Börsenprospekt
Zweifel an Aussagen im Börsenprospekt
"Wir sind der Meinung, dass die Risiken im Börsenprospekt nicht korrekt beschrieben wurden", sagt Leysen. Der Milliardenverlust von Holzmann habe sich größtenteils aus Projekten ergeben, die der Konzern bis September 1997 eingegangen war.
Die Verluste beruhten daher auf der "Neueinschätzung alter Risiken": Die gleiche Risikoeinschätzung hätte aus diesem Grund schon vorher erfolgen und in den Börsenprospekt eingehen müssen, heißt es in einer Mitteilung der belgischen Gevaert-Gruppe.
Nach einem Beweisbeschluss des Frankfurter Landgerichts soll ein Sachverständiger prüfen, ob die im Börsenprospekt der Deutschen Bank abgedruckten Finanzabschlüsse wirklich den gesetzlichen Anforderungen entsprochen haben. Der Beschluss ist ebenfalls schon älter als vier Jahre.
Engelsgleiche Geduld
Gevaert und sein Aufsichtsrat Leysen üben sich - noch - in Geduld. Auch beim letztlich gescheiterten Rettungsversuch des Holzmann-Konzerns hatte sich das belgische Unternehmen kooperativ gezeigt, hatte das hastig geschnürte Sanierungspaket gestützt und "auf dringendes Bitten" darauf verzichtet, ein Verfahren einzuleiten, um die vorangegangenen Jahresabschlüsse von Holzmann für nichtig erklären zu lassen.
Ein Fehler? Ein solches Verfahren hätte die Sanierung gefährdet, hieß es damals. Doch fünf Jahre später, knapp drei Jahre nach der endgültigen Pleite, warten die Beteiligten immer noch. Die Beklagten haben keinen Grund zu übertriebener Eile: Man habe derzeit keine Hinweise darauf, dass es in dem seit 2000 laufenden Verfahren weitergehe, sagte ein Sprecher der Deutschen Bank auf Nachfrage von manager-magazin.de.
Anders klingt es bei Gevaert. Die Sache komme wieder in Bewegung, heißt es aus der Gevaert-Zentrale im belgischen Mortsel. In der langen Zeit seit der Klageerhebung seien außerdem weitere Dinge bekannt geworden, die belegen sollen, in welchem Detail die Deutsche Bank schon damals über die Lage und die Risiken bei Holzmann unterrichtet war. Das lange Warten habe also auch eine gute Seite gehabt, sagt Leysen. Wie immer perfekt diplomatisch.