US-Wahl
"Europa ist für Amerika nicht mehr wichtig"
Die USA und Europa driften immer weiter auseinander, prophezeit Harold James - egal wer US-Präsident wird. "Die Interessen der USA sind einfach andere als die Europas", sagt der Wirtschaftsanalytiker und Historiker im Interview mit manager magazin.
Hamburg - Die Europäer sollten sich keine Illusionen über die Folgen eines möglichen Machtwechsels im Weißen Haus machen, warnt der renommierte Historiker Harold James in einem Interview, das in der neuen Ausgabe des manager magazins am Freitag (22. Oktober) erscheint.
"Europäer und Amerikaner reden inzwischen aneinander vorbei. Die Wahlen werden daran nichts ändern. Egal, wer an der Macht ist - die Interessen der USA sind einfach andere als die Europas", sagte James.
Das Zerwürfnis über den Irak-Krieg sei "nur der vorläufige Schlusspunkt eines langen Prozesses" gewesen. Aus US-amerikanischer Sicht sei Europa heute "nicht mehr so wichtig wie in der Ära des Kalten Krieges - es befindet sich nicht mehr im Zentrum der globalen Entwicklung, sondern auf der Seitenlinie".
Andere Weltregionen im Blickwinkel
James, Professor für Geschichte an der Eliteuniversität Princeton, sieht mehrere strukturelle Faktoren, die sich auf die transatlantischen Beziehungen auswirkten. Die wirtschaftliche Dynamik habe sich nach Asien verlagert, weshalb Staaten dieser Region mehr US-Interesse auf sich zögen.
Auch in sicherheitspolitischen Fragen verlagere sich die Aufmerksamkeit der USA von Europa in andere Weltregionen.
"Mit China redet die US-Regierung über die atomare Bedrohung in Nordkorea, mit Russland über den Kampf gegen islamistische Terroristen. Im Gegensatz zu Europa ist Amerika nun mal eine Weltmacht, die überall auf der Welt ihre Interessen verfolgt", so James gegenüber manager magazin.
Der 48-jährige James, englischer Herkunft, lehrt seit fast 20 Jahren in den USA. Er gilt als einer der besten Kenner der Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts und als Experte für die Geschichte Europas und insbesondere Deutschlands. James' besonderes Interesse gilt Fragen der internationalen Zusammenarbeit. Auf Deutsch veröffentlichte er zuletzt die Bücher "Der Rückfall. Die neue Weltwirtschaftskrise" (2003) sowie "Geschichte Europas im 20. Jahrhundert" (2004).