Mercedes-Streit Einschnitte beim Stern
Stuttgart - Nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon haben sich IG Metall, Management und Betriebsrat im Streit um Einsparungen an den deutschen Standorten geeinigt. Damit ist der seit Wochen schwelende Konflikt zwischen Vorstand und Belegschaft beigelegt.
Das vom Konzern geforderte Sparvolumen von jährlich 500 Millionen Euro ab 2007 wurde erreicht. Im Gegenzug bekam der Betriebsrat eine Beschäftigungsgarantie bis zum Jahr 2012 zugesichert. Dies teilten die Beteiligten am Freitagmorgen auf einer Pressekonferenz mit.
DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp sprach nun von einer guten Lösung für das Unternehmen und für den Standort Deutschland. "Damit sind profitables Wachstum und die geplante Produktoffensive möglich", sagte Schrempp.
Der erzielte "Pakt für Beschäftigung" habe Modellcharakter. Er zeige, so Schrempp weiter, dass Deutschland keine pauschale Diskussion um die 40-Stunden-Woche oder weniger Urlaub brauche. Vielmehr gehe es um mehr Flexibilität an einzelnen Standorten. "Unternehmen in Deutschland brauchen Raum zu atmen."
Zudem, ergänzte der Vorstandschef, leiste auch das Top-Management einen entsprechenden Beitrag zum Sparpaket. Die Vergütungen werden künftig um 10 Prozent gesenkt.
Erich Klemm, Chef des Gesamtbetriebsrats, sprach von "schweren Auseinandersetzungen" in den Verhandlungen, zeigte sich aber erleichtert angesichts der erreichten Beschäftigungsgarantie bis 2012. Er sei stolz auf das Ergebnis ohne gravierende Eingriffe in den Flächentarifvertrag. Ein Kündigungsausschluss von sieben Jahren sei bundesweit einmalig.
Die Einsparungen im Einzelnen
Die Einsparungen im Einzelnen
Der Beschäftigungsgarantie stehen eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen gegenüber, die in der Summe ab 2007 die Kosten um 500 Millionen Euro senken.
Folgende Einschnitte sieht der Pakt vor:
- Das Entgelt im Rahmen der Umsetzung des ERA-Tarifvertrages ab 2007 wird angepasst. Im Klartext heißt das: Die DaimlerChrysler-Beschäftigten verzichten dann bundesweit auf 2,7 Prozent mehr Gehalt.
- Tarifregelungen, die so nur in Baden-Württemberg existieren, werden an die günstigeren Bedingungen, etwa in Bremen, teilweise angepasst. So werden Erholungszeiten (Steinkühler-Pause) künftig mit Qualifizierungsmaßnahmen verrechnet. Insgesamt sinkt dadurch der Unterschied bei der Jahresarbeitszeit zwischen den Standorten von 72 Stunden auf 42 Stunden. Dies verringert das Lohngefälle zwischen dem Werken in Sindelfingen und Bremen. Nicht angetastet wird die Sonderregelung, nach der im Südwesten bereits ab 12.00 Uhr Spätschichtzuschläge bezahlt werden.
- Beschäftigte in der Kantine oder beim Werkschutz, so genannte industrienahe Dienstleister, müssen sich auf längere Arbeitszeiten einstellen. Zudem soll das Gehalt in diesem Bereich reduziert werden.
- Über eine interne Personalagentur, genannt DC Move, sollen Jungfacharbeitern, die ihre Ausbildung gerade abgeschlossen haben, flexible an allen DaimlerChrysler-Standorten eingesetzt werden.
- In allen Forschungs-, Entwicklungs- und Planungsbereichen des Autobauers ist künftig die bezahlte 40-Stunden-Woche möglich. Dadurch spart das Unternehmen unter anderem Überstunden-Zuschläge bei Mehrarbeit.
Hubbert: Mit Abstrichen ein erfreuliches Ergebnis
Mercedes-Chef Jürgen Hubbert nannte das Ergebnis in der "Summe erfreulich". Angesichts der harten Verhandlungen und des öffentlichen Interesses sprach er von "einer interessanten Erfahrung" in der späten Phase seiner Karriere. Hubbert wird die Mercedes-Führung in wenigen Monaten an Eckhard Cordes abgeben, der derzeit noch die Nutzfahrzeugsparte leitet.
Dennoch zeigte sich Hubbert über Teile des Paktes unzufrieden. "So bleiben von den 72 Stunden Unterschied bei der Jahresarbeitszeit zwischen den Werken Bremen und Sindelfingen 42 übrig", sagte Hubbert am Freitag in Stuttgart (siehe hierzu: Warum Bremen besser als Stuttgart ist). Auf die Feiertage habe man keinen Einfluss. Dafür seien die abgeschafften Besonderheiten für Baden-Württemberg unumkehrbar.
Hubbert hatte angesichts der tariflichen Sonderreglungen in Süddeutschland von der "baden-württembergischen Krankheit" gesprochen und damit vor allem die CDU/FDP-Landesregierung verärgert. "Ich entschuldige mich bei denen, die nicht betroffen sind, aber sich getroffen gefühlt haben", sagte er nun.
"Hervorragende Lösung"
"Hervorragende Lösung"
Beobachter begrüßten den Kompromiss. "Das ist eine hervorragende Lösung für DaimlerChrysler - wenn tatsächlich 500 Millionen Euro eingespart werden", sagte Ferdinand Dudenhöffer, Automobil-Experte an der Fachhochschule Gelsenkirchen, gegenüber manager-magazin.de.
Die Langfristigkeit der Vereinbarung ist laut Dudenhöffer unproblematisch: "Die Modellzyklen bei DaimlerChrysler erlauben derartige Vereinbarungen." Zudem könne der Konzern über die neu geschaffene interne Personalagentur DC Move flexibel auf Veränderungen in einzelnen Bereich reagieren.
Vorbildfunktion für Deutschland insgesamt habe der Kompromiss allerdings nicht, schränkte Dudenhöffer ein. "Da kommen wir nicht an der generellen Einführung der 40-Stunden-Woche vorbei, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken."
"Keine große Sache für die Börse
Die Börsen ordneten das Ergebnis als wenig bedeutend für die DaimlerChrysler-Aktie ein. "Für den Markt ist das im Moment keine große Sache", sagte ein Händler.
Tendenziell sei die Entwicklung positiv zu werten, weil für das Unternehmen keine Probleme etwa in Bezug auf Stilllegungen zu erwarten seien. Auch die Analysten der Alpha Wertpapierhandels AG begründeten leichte Gewinne am Freitag mit der Einigung. Diese nehme etwas Druck von der Aktie.
Ein weiterer Händler verwies auf das starke Auftreten des Managements in dem Konflikt. "Die Unternehmensführung hat sich weitgehend durchgesetzt. Der Betriebsrat muss sich wohl von einigen Privilegien verabschieden", sagte er.
Zwischen Konzern und Belegschaft war es wegen der Sparpläne in der vergangenen Woche zu erbitterten Auseinandersetzungen gekommen. Der Vorstand hatte gedroht, die Produktion der neuen Mercedes-C-Klasse und ihrer Varianten nach Bremen und Südafrika zu verlagern. Dies hätte in Sindelfingen 6000 der über 30.000 Stellen bedroht. Die Arbeitnehmer hatten mit Arbeitsniederlegung und bundesweiten Protestaktionen geantwortet.