Mercedes-Streit
Warum Bremen besser als Stuttgart ist
Eine interne Aufstellung von DaimlerChrysler zeigt, warum Bremen bessere Standortbedingungen als Baden-Württemberg bietet. Doch der Plan von Konzernchef Jürgen Schrempp, im Süden norddeutsche Verhältnisse einzuführen, stößt auf erheblichen Widerstand.
Hamburg - Bislang galt das Ländle als deutscher Spitzenstandort. Doch eine interne Aufstellung des DaimlerChrysler-Konzerns, die manager-magazin.de vorliegt, zeigt, warum die Bedingungen in Bremen besser sind als jene in Baden-Württemberg.
Beispiel Feiertage: In Sindelfingen gibt es zwölf, in Bremen nur neun. Hinzu kommt, dass die Feiertagszuschläge im Süden bei 150 Prozent des Bruttolohns liegen, während die Bremer Belegschaft nur auf 100 Prozent kommt.
Beispiel Nachtschicht: Die fängt in Sindelfingen um 19.00 Uhr an, am norddeutschen Standort dagegen eine Stunde später. Zudem liegt der Nachtschichtzuschlag in Baden-Württemberg bei 30 Prozent, in Norddeutschland liegt das Plus bei 15 Prozent.
Beispiel Spätschicht: Die gilt in Sindelfingen ab 12.00 Uhr. Ab dann beziehen die Mercedes-Werker einen Zuschlag von 20 Prozent. In Bremen gibt es diese Regel nicht. Genauso wenig kennen die Arbeiter an der Weser jene fünfminütige Erholungszeit, die als "Steinkühler-Pinkelpause" bekannt ist.
Mieser Markt, teurer Standort
Gute Gründe für DaimlerChrysler, die Belegschaft am süddeutschen Stammsitz jetzt zu Konzessionen zu drängen. Dabei steht zwar die Produktion des C-Klasse-Modells im Zentrum der Debatte. Doch auch die Dependancen in Mannheim und Untertürkheim wären betroffen, zumal die Lage unverändert schwierig ist.
Die deutsche Autoindustrie geht für 2004 von einem bei 3,24 Millionen Einheiten stagnierenden Absatz aus. "Wir erwarten im Gesamtjahr einen Inlandsmarkt auf Vorjahresniveau", sagte jüngst Bernd Gottschalk, Präsident des Branchenverbandes VDA. Zuvor hatten die Verantwortlichen noch mit einem Plus von 3,4 Prozent kalkuliert. Mercedes hat in Deutschland im Mai 6 Prozent und international 9 Prozent weniger Autos verkauft, was unter anderem auf Modellwechsel zurückzuführen ist.
Neben der mauen Autokonjunktur hadert das Management auch mit den ausufernden Kosten. Aus einem Papier der Unternehmensberatung McKinsey geht hervor, dass es bei Mercedes-Benz so genannte Produktivitätsreserven von etwas mehr als 10 Prozent gibt. Bezogen auf die weltweit rund 104.000 Mitarbeiter entspricht dies rund 10.000 Mitarbeitern auf die das Unternehmen verzichten könnte, ohne Abstriche bei Produktion und Qualität machen zu müssen.
Und so versuchen DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp und Mercedes-Vormann Jürgen Hubbert, die Kosten einzudämmen. Falls bis spätestens 2009 nicht 500 Millionen Euro pro Jahr durch eine längere effektive Arbeitszeit und den Verzicht auf
bisherige Lohnbestandteile gespart werden, wird die neue C-Klasse wohl in Bremen gebaut. 6000 Arbeitsplätze in Sindelfingen wären betroffen.
Auch die Verlagerung nach Südafrika ist im Gespräch. Aus DaimlerChrysler-Kreisen erfuhr manager-magazin.de allerdings, dass Konzernchef Schrempp die Produktion in Deutschland halten möchte. Alles läuft also auf Bremen hinaus, wenn die Sindelfinger nicht mitmachen.
Empörte Arbeitnehmer
Empörte Arbeitnehmer
Danach sieht es indes nicht aus, denn der Vorstoß der Konzernführung hat für Empörung in der Belegschaft gesorgt. Prompt legten die Arbeiter am Wochenende die Mercedes-Produktion teilweise lahm. Für Donnerstag ist ein bundesweiter Protesttag geplant.
Der Zeitpunkt ist auch nicht gerade günstig gewählt. Wenige Wochen zuvor hatte der Siemens-Konzern in seinen Handywerken in Nordhrein-Westfalen die 40-Stunden-Woche durchgesetzt. Dafür wurden Auslagerungspläne nach Ungarn vorerst zurückgenommen. Politik und Wirtschaft sahen in dem Vorgang das Ende der kurzen Arbeitszeit und mithin eine Niederlage der IG Metall.
Entsprechend angriffslustig geben sich die Arbeitnehmervertreter im Fall Mercedes. Einen weiteren Gesichtsverlust vor Augen gehen die Genossen in die Offensive.
Der Chef des IG-Metall-Bezirks Baden-Württemberg, Jörg Hofmann, warf dem DaimlerChrysler-Konzern in der "Berliner Zeitung" eine "Verrohung der Sitten" vor. "Das ist Kapitalismus pur", sagte er dem Blatt.
Schützenhilfe bekamen die Metaller aus der SPD. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Müller, bezeichnete den Sparkurs als "unglaublichen Verfall des Verständnisses von Unternehmertum in Deutschland".
Das DaimlerChrysler-Management gab sich hingegen betont zurückhaltend. "Einen zweiten Fall Siemens will Jürgen Schrempp vermeiden", heißt es entsprechend in Unternehmenskreisen. Die Arbeitnehmervertreter dürften da kaum mitspielen.
Wirklich vergleichbar sind die Fälle nur bedingt. So bleibt Arbeitszeit bei Mercedes nur ein mittelbares Thema. Von einer 40-Stunden-Woche ist keine Rede. Zudem droht keine Verlagerung ins billigere Ausland. Die jüngst häufig gespielte Patriotismuskarte taugt als Trumpf also wenig.