Frankfurt - Die Commerzbank verhandelt mit dem niederländischen Finanzkonzern ING über den Kauf der traditionsreichen Frankfurter BHF-Bank. Die Verhandlungen seien noch in einem sehr frühen Stadium, sagte ein Commerzbank-Sprecher am Freitag und bestätigte damit einen Bericht des "Handelsblatts". Wenig später bestätigte auch der niederländische Finanzkonzern ING, dass verhandelt werde.
Weitere Angaben, wie beispielsweise zum Kaufpreis, machte der Sprecher nicht. Der Schritt liege im Rahmen der Strategie, kleinere Zukäufe anzustreben, die Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller kürzlich angekündigt hatte. Aus Branchenkreisen verlautete, dass sich der Aufsichtsrat der BHF-Bank an diesem Freitag (4. Juni) zu einer Sitzung zusammengefunden habe, in der die angepeilte Übernahme Thema gewesen sein soll.
"Wir haben jetzt erst Gespräche vereinbart, alles Weitere muss man also abwarten", sagte der Commerzbank-Chef der Nachrichtenagentur Reuters. Über die Bewertung der BHF-Bank könne er zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben machen, da es noch keine eingehende Unternehmensprüfung (Due Dilligence) gegeben habe. Grundsätzlich bezeichnete Müller das kleinere Frankfurter Institut als attraktiv. Die Bank habe mehr als nur das Firmenkundengeschäft - etwa eine sehr interessante Vermögensverwaltung und ein gutes Private Banking sowie Treasury.
Ex-BHF-Vorstand Leistner wechselte 2003
Seit Wochen wird gemutmaßt, dass sich ING von der Tochter BHF trennen will. Die Verkaufsabsichten waren bisher aber immer dementiert worden. Die Commerzbank interessiere sich vor allem für die rund 1000 verbliebenen Industriekunden und das Geschäft mit vermögenden Privatkunden der BHF, berichtet das "Handelsblatt". Die BHF-Bank hatte das verlustreiche Firmenkundengeschäft in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren. Die Commerzbank sei nicht an allen Teilen des Wettbewerbers interessiert.
Spekuliert wird in Branchenkreisen, dass der Leiter des Firmenkundengeschäfts bei der Commerzbank an den Vorbereitungen der Kaufverhandlungen mitgewirkt haben könnte: Ulrich Leistner kam erst im vergangenen August zur Commerzbank - 2002 war er noch Vorstand der BHF-Bank. Die mögliche Übernahme könnte der erste Schritt zur erwarteten Konsolidierung des deutschen Bankensektors werden.
Die ING BHF-Bank gehört nach eigenen Angaben mit einer Konzernbilanzsumme von 59 Milliarden Euro, einem haftenden Eigenkapital von 3 Milliarden Euro und etwa 2600 Mitarbeitern zu den führenden Geschäftsbanken in Deutschland. Sie konzentriert sich auf beratungsintensive Dienstleistungen und Finanzierungen sowie den Handel in Finanzinstrumenten. Die Aktivitäten der Bank verteilen sich auf die Geschäftsbereiche Corporate Banking, Private Banking, Financial Markets und Asset Management und Financial Services.
Die Problemfelder der ING BHF-Bank
ING kaufte BHF-Bank vor fünf Jahren
Die BHF-Bank gilt als Sorgenkind der ING - im Gegensatz zur anderen deutschen Tochter, der Direktbank Diba. Im Vorjahr war der Zinsüberschuss bei der BHF-Bank um 18,2 Prozent auf 248 Millionen Euro eingebrochen. Unter dem Strich rutschte die Bank in die roten Zahlen. Sie verzeichnete einen Fehlbetrag von 105 Millionen Euro gegenüber einem Überschuss von 771 Millionen Euro ein Jahr zuvor.
Das Jahr 2004 bezeichnete die ING-Tochter in ihrem Geschäftsbericht als ein "Jahr des Übergangs von einem kreditrisikonehmenden Institut verstärkt hin zu einer Beratungs-, Handels- und Servicebank". Das Provisionsgeschäft solle ausgebaut werden, hatte die Bank angekündigt. "Der bisherige Universalbankcharakter der ING BHF-Bank Aktiengesellschaft wird weiter in den Hintergrund treten." Für 2005 hatte das Geldinstitut die Rückkehr in die Gewinnzone in Aussicht gestellt.
Aus der Fusion der 1856 errichteten Berliner Handelsgesellschaft und der 1854 gegründeten Frankfurter Bank - der damaligen Notenbank der Freien Stadt Frankfurt - ging 1970 die BHF-Bank hervor. Seit 1999 gehört die Bank zur ING Groep NV und firmiert seit 2002 unter ING BHF-Bank Aktiengesellschaft.
Commerzbank auf "selektivem Expansionskurs"
Die Commerzbank, Deutschlands drittgrößte Bank, hatte in den ersten drei Monaten 2004 das beste Quartalsergebnis seit Herbst 2000 erzielt. Das Frankfurter Geldhaus verdiente nach Steuern 254 (Vorjahresquartal: drei) Millionen Euro.
Mit dem Quartalsergebnis sieht sich die Commerzbank wieder auf einem "selektiven Expansionskurs". Sie könne durchaus wieder Akquisitionen in Angriff nehmen wie zuletzt Ende Februar beim Kauf der Hofer SchmidtBank, hieß es kürzlich. Mit der SchmidtBank hatten die Frankfurter ihr Privatkundengeschäft gestärkt.