Mannesmann-Prozess
Eine Überraschung für Schulte-Noelle
Recht hoch erschienen dem heutigen AR-Chef der Allianz die Millionenprämien bei Mannesmann. Rechtswidrig seien sie nicht gewesen, urteilt Henning Schulte-Noelle vor Gericht. Sein ehemaliger Kollege im Mannesmann-Aufsichtsrat, Josef Ackermann, wehrt sich gegen den Vorwurf, er habe damals einen Fehler begangen.
Düsseldorf - Der ehemalige
Mannesmann-Aufsichtsrat und Ex-Allianz-Chef Allianz Henning
Schulte-Noelle hat die bei der Mannesmann-Übernahme geflossenen
Millionen-Prämien vor dem Düsseldorfer Landgericht als
überraschend bezeichnet.
"Die Zahl hat mich überrascht", sagte Schulte-Noelle am
Mittwoch im Mannesmann-Prozess in Düsseldorf. Grund dafür sei
gewesen, dass die vor vier Jahren geflossenen Prämien "wegen der
Größenordnungen, die ich aus Deutschland kannte, hoch schienen",
betonte der 61-jährige Spitzen-Manager.
Er habe aber keinen
Anlass gehabt, als Mannesmann-Aufsichtsrat an der rechtlichen
Wirksamkeit der Zahlungen zu zweifeln. Schulte-Noelle hatte nach
eigenen Angaben vor vier Jahren erst aus den Medien von den
umstrittenen Prämien erfahren, die im Mittelpunkt des
Verfahrens stehen. Zudem seien solche Zahlungen bei Übernahmen
und im internationalen Kontext durchaus üblich, sagte er am 22. Verhandlungstag des Prozesses.
Untreue-Vorwurf erhärtet sich nicht
Wegen der Millionen-Zahlungen im Zuge der über 180
Milliarden Euro teuren Firmenübernahme verhandelt das Gericht
seit Mitte Januar gegen sechs Manager. Neben Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser ist auch der
ehemalige IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel wegen schwerer
Untreue oder Beihilfe zur Untreue angeklagt. Allein Esser hatte
nach der Übernahme von Mannesmann durch den britischen
Telekom-Konzern Vodafone gut 30 Millionen Euro erhalten.
Nach dem bisherigen Verfahrensstand können die Angeklagten
allerdings mit Freisprüchen rechnen: Das Gericht hatte in einer
Zwischenbilanz erklärt, derzeit sei nicht von einer Verurteilung
wegen Untreue auszugehen. Das Gericht gab aber zu erkennen, dass
im Falle der Prämie an den früheren Mannesmann-Aufsichtsratschef
Joachim Funk nach seiner Auffassung gegen das Aktienrecht
verstoßen worden sei und gravierende Pflichtverletzungen
vorlägen. Da die Angeklagten in diesem Fall aber Rechtsrat
eingeholt hätten, hätten sie im "Verbotsirrtum" gehandelt, und
auch hier sei ihnen Untreue nicht vorzuwerfen.
Der Staatsanwalt geht in die Offensive
Verteidiger kontert Vorwurf gegen Ackermann
Ackermanns Verteidiger Klaus Volk wies den Vorwurf von
Verstößen gegen das Aktienrecht und einer gravierenden
Pflichtverletzung gegen Ackermann am Mittwoch zurück. Ackermann
habe weder subjektiv noch objektiv eine falsche Entscheidung
getroffen.
Funks Prämie - der Manager hatte letztlich rund drei
Millionen Euro erhalten - habe sich auf die Leistungen in seiner
Zeit als Mannesmann-Vorstandschef zwischen 1994 und 1999
bezogen. Prämien für diese Leistungen seien auch nachträglich
möglich. Ackermanns Hauptverteidiger, Eberhard Kempf, betonte zudem,
zentrale Vorwürfe der Anklage gegen seinen Mandanten lägen in
wesentlichen Punkten "neben der Sache".
Funk hatte Anfang Februar 2000 als Aufsichtsratschef
zunächst selbst über seine Prämie mitgestimmt. Nachdem
Wirtschaftsprüfer Bedenken vorbrachten, wurde der Beschluss
später korrigiert.
Esser soll das Gericht getäuscht haben
Mit einer Flut von sieben Beweisanträgen hat die
Staatsanwaltschaft im Mannesmann-Prozess ihren Kampf gegen die sich
abzeichnenden Freisprüche fortgesetzt. Die Ankläger warfen dem
früheren Mannesmann-Chef Klaus Esser vor, seine Aussagen zielten auf
eine Täuschung des Gerichts ab. Er habe sich bei den Millionenprämien
weder für Transparenz eingesetzt, noch könne er sich darauf berufen,
er sei irrtümlich von der Rechtmäßigkeit seines Tuns ausgegangen.
Letzteres gelte auch für Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann.
In der mehr als zweistündigen, teils von hitzigen
Wortgefechten mit den Verteidigern unterbrochenen Erklärung erklärte die Staatsanwaltschaft unter anderem, dass
ihrer Auffassung nach Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser im Prozess
früheren Aussagen widersprach. Gegen Ackermann wiederholten die Ankläger, dieser habe die Mannesmann-Aktionäre im Juni 2000 bei
der Hauptversammlung falsch über die Finanzierung der Prämien
informiert.
Flughafen-Bedienstete als Zeugen gewünscht
Staatsanwalt Johannes Puls sagte, Esser habe sich in seinen
Vernehmungen vor dem Prozess in wesentlichen Punkten anders
geäußert, als er dies vor Gericht getan habe. "Die Verlesung
(der Vernehmungsprotokolle) wird belegen, dass Esser sich
unzutreffend geäußert hat", sagte er.
Zudem will die Staatsanwaltschaft auch
Mitarbeiter von Flughäfen vorladen, um zu zeigen, dass sowohl
Esser als auch Ex-Vodafone-Chef Chris Gent die Zeitabläufe
während der entscheidenden Tage der Übernahmeschlacht Anfang
Februar 2000 im Prozess falsch dargestellt hätten. Auch habe
Esser am 3. Februar 2000 die Einigung mit Vodafone verkündet,
ohne die dafür nötige Zustimmung des Aufsichtsrats zu haben.
Verteidiger sprechen von Prozessverschleppung
Die Verteidiger Ackermanns warfen der Anklage vor, ihre
Beweisanträge befassten sich nicht mit Fragen des Aktienrechts
und der Untreue. "Die Staatsanwaltschaft hat vielmehr das ihr
zustehende Beweisantragsrecht dazu missbraucht, in langatmigen
Erklärungen die Angeklagten zu diffamieren und das Verfahren
künstlich in die Länge zu ziehen."
Der Vorwurf, Ackermann habe
die Mannesmann-Aktionäre falsch informiert, sei haltlos. Esser-
Anwalt Sven Thomas warf in den Vortrag der Staatsanwaltschaft aufgebracht ein: "Der Eindruck der Prozessverschleppung entsteht." Später erklärte Thomas, er rechne damit, dass die Kammer die
Anträge abweisen werde. "Ich erwarte noch vor der Sommerpause im
Juni einen Freispruch", betonte er.