Die Angeklagten des Mannesmann-Verfahrens haben gegen das Aktienrecht verstoßen, sich strafrechtlich jedoch nichts zu Schulden kommen lassen. Diese Einschätzung gab das Gericht heute überraschend bekannt. Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser rechnet sogar mit einem Freispruch.
Düsseldorf - Die Richterin im Mannesmann-Prozess, Brigitte Koppenhöfer, sieht in der Prämienzahlung an den Ex-Vorstandschef Klaus Esser keine strafbare Untreue. Wochenlang hatte sie sich bedeckt gehalten, wie ein mögliches Urteil aussehen könnte.
In einem mit Spannung erwarteten Rechtsgespräch am Mittwoch stellte sie nun fest, dass sie beim derzeitigen Stand der Beweisaufnahme keinen Grund sehe, den Fall strafrechtlich weiter zu verfolgen.
Allerdings betonte sie, dass die umstrittene Zahlung aktienrechtlich unzulässig sei. Die Zahlungen hätten nicht im Interesse des Unternehmens gelegen. Der Prozess wird vorerst fortgesetzt, da die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen ist. Die Einschätzung der Strafkammer ist kein Urteil und zieht nicht automatisch die Einstellung des Verfahrens nach sich.
Ein Gerichtssprecher erläuterte die Einschätzung des Gerichts. Demnach müssten die Angeklagten, unter ihnen Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann, nur mit zivilrechtlichen Konsequenzen rechnen. Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser sagte, er rechne mit einem Freispruch.
"Die Staatsanwaltschaft muss nachlegen"
In den folgenden Prozesstagen steht nun die Staatsanwaltschaft in der Pflicht, die Relevanz aller weiteren gerichtlichen Untersuchungen zu verdeutlichen, verlautete aus Justizkreisen. Klaus Essers Anwalt Sven Thomas sagte gegenüber manager-magazin.de: "Die Staatsanwaltschaft muss jetzt nachlegen" - er könne sich aber nicht vorstellen, was da kommen sollte.
Die Vertreter der Staatsanwaltschaft vor Gericht, angeführt von Johannes Puls, werden voraussichtlich in den kommenden Tagen offiziell Stellung beziehen. Gegenüber der Nachrichtenagentur DPA erklärte die Staatsanwaltschaft, sie habe die von der Strafkammer vertretene Auffassung zum Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme zur Kenntnis genommen. Sie halte dennoch uneingeschränkt an den Anklagevorwürfen fest.
Puls agiert aber keineswegs autark. So muss sich der nicht immer souverän aufgetretene Ankläger sowohl mit dem Leiter der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, Hans-Reinhard Henke, als auch mit dem nordrhein-westfälischen Justizministerium abstimmen.
Prozessbeobachter halten es trotz der jetzigen Aussagen der Staatsanwaltschaft für möglich, dass die Anklage in einer der nächsten Sitzungen ihrerseits auf Freispruch plädiert, und damit den Prozess zu einem raschen Ende führt.
Aus dem Justizministerium war keine Stellungnahme zu bekommen: "Selbst wenn wir von der Staatsanwaltschaft schon erschöpfend informiert wären", sagte Sprecher Dieter Wendorff, "würden wir kein schwebendes Verfahren kommentieren."